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Erinnerungen an Zwangsarbeit: Neues digitales Archiv für Bildung und Wissenschaft

Kooperations-Projekt zur Bewahrung der Lebensgeschichten von 600 Opfern der NS-Zwangsarbeit aus 27 Ländern

Nr. 232/2007 vom 10.10.2007

(v. l.): Dr. Martin Salm, Günter Saathoff, Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, Prof. Dr. Dieter Lenzen und Prof. Dr. Hans Ottomeyer.

(v. l.): Dr. Martin Salm, Günter Saathoff, Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, Prof. Dr. Dieter Lenzen und Prof. Dr. Hans Ottomeyer.
Bildquelle: Freie Univerität Berlin / Wannenmacher

Aus rund 2000 Audio- und Videobändern mit Zeitzeugen-Interviews entsteht in Berlin ein neues digitales Archiv. Unter dem Titel "Erinnerungen an Zwangsarbeit /Memories of Forced Labour" werden rund 600 Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus aus 27 Ländern über eine Online-Plattform für Bildung und Wissenschaft zugänglich gemacht und auf diese Weise zur weiteren gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Schicksalen der Zwangsarbeiter bewahrt. Das Projekt ist eine Kooperation der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit der Freien Universität Berlin und dem Deutschen Historischen Museum. Heute unterzeichnen die Leiter der drei Berliner Einrichtungen eine entsprechende Vereinbarung für das gemeinsame Vorhaben.

"Erinnerungen an Zwangsarbeit - Ein digitales Archiv für Bildung und Wissenschaft" dient dem Gedenken an die etwa zwölf Millionen Menschen, die während des Nationalsozialismus Zwangsarbeit leisten mussten. Es soll Schülern, Studierenden und anderen Lernenden ermöglichen, von der Geschichte der Zwangsarbeiter zu lernen, auch wenn in Zukunft keine Zeitzeugen mehr persönlich von ihren Schicksalen berichten können. Das Archiv erhält das umfangreiche internationale Quellen-Material der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für die Nachwelt und macht die aufgezeichneten Zeitzeugen-Interviews mit moderner Technologie zum Beispiel für Projektarbeit an Schulen oder für die Lehre und Forschung an Universitäten vielfältig nutzbar. Eine erste Version der Plattform soll bereits im Herbst 2008 online gehen und vorerst hauptsächlich Wissenschaftlern für Recherchen und zur inhaltlichen Erschließung der Dokumente zur Verfügung stehen.

Zum Projektauftakt erklärt Dr. Martin Salm, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“: „Nach Abschluss der Auszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter im Jahr 2007 ist es für uns ein wichtiges Anliegen, dass die Lebens- und Leidensgeschichte der Opfer des Nationalsozialismus auch künftig von der Forschung berücksichtigt und in der Bildungsarbeit vermittelt wird. Das Archiv "Erinnerungen an Zwangsarbeit" kann dafür dauerhaft eine wichtige Plattform sein.“

Auch Prof. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität, betont den Wert des Vorhabens für die Bildung: „Die Freie Universität ist auf Grund ihrer Geschichte in besonderer Weise dem Freiheitsgedanken verbunden. Wir betrachten es deshalb als Verpflichtung, das Leiden der Zwangsarbeiter in der NS-Zeit vor dem Vergessen zu bewahren. Und nichts könnte dieses Leiden eindrücklicher dokumentieren als die persönlichen Schilderungen Betroffener. Das Online-Archiv leistet nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zur geschichtlichen Bildung, sondern auch zur wissenschaftlichen Forschung und damit zur historischen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels deutscher Vergangenheit.“

Prof. Dr. Hans Ottomeyer, Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, verdeutlicht: „Für das Deutsche Historische Museum ist es eine Verpflichtung, Dokumente, die an das verbrecherische Regime des Dritten Reiches erinnern, zu bewahren, zu erforschen und darzustellen. Das gilt natürlich auch für die Zeitzeugen-Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern, die ganz besondere Quellen zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit sind und nun gemeinsam mit der Freien Universität Berlin erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies ist der letzte Moment, wo Opfer und Zeitzeugen noch selbst davon Zeugnis ablegen können, was sie erlitten und was sie sahen. Deswegen ist das gemeinsame Erstellen, Erforschen und Bewahren das Gebot unserer Zeit.“

In dem Projekt digitalisiert die Freie Universität zunächst die rund 600 Zeitzeugen-Interviews. Das Deutsche Historische Museum inventarisiert diese fachgerecht, bevor es für eine konservatorisch und sicherheitstechnisch optimale Lagerung der Original-Materialien sorgt. Die interaktive Online-Plattform, die das Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität entwickelt, bietet schließlich Zugang zu den Zeitzeugen-Berichten. Deren wissenschaftliche Erschließung leitet der Arbeitsbereich für die Geschichte Ostmitteleuropas. Auf der Plattform können dann beispielsweise Studierende oder Wissenschaftler alle Interviews nach Orten oder konkreten Erfahrungen durchsuchen und sich die Rechercheergebnisse online ansehen bzw. anhören. Zusätzlich erarbeitet die Freie Universität Konzepte und Produkte für die Nutzung des Archivs speziell im Schulunterricht. So sind unter anderem die didaktische Aufbereitung einzelner Interviews als Unterrichtssoftware und die Erstellung von biographischen Kurzfilmen zum Leben einzelner Zeitzeugen geplant. Das Deutsche Historische Museum integriert außerdem eine PC-Station mit ausgewählten Materialien aus dem Archiv zusammen mit Forschungsergebnissen zur Geschichte der NS-Zwangsarbeit in die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ im Berliner Zeughaus.

Entstanden ist die große Interview-Sammlung mit Transkripten aller Bänder und einigen deutschen Übersetzungen in einem Vorgängerprojekt der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Die Interviews wurden in den Jahren 2005 und 2006 unter Federführung des Instituts für Geschichte und Biographie der Fernuniversität Hagen durchgeführt.

Kontakt:

Freie Universität Berlin
Center für Digitale Systeme (CeDiS)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Katja Egli
Ihnestr. 24
14195 Berlin
Telefon +49 (0)30 / 838 53705
E-Mail: kegli@cedis.fu-berlin.de

Weitere Informationen im Internet:

www.erinnerungen-an-zwangsarbeit.org