Erinnerungen an den Genozid in Armenien von 1915
Interviews mit Überlebenden werden im Visual History Archive der USC Shoah Foundation an der Freien Universität Berlin zugänglich sein.
Nr. 097/2015 vom 20.04.2015
An der Freien Universität Berlin kann von Freitag, dem 24. April an mithilfe von Interviews des Visual History Archive der USC Shoah Foundation auch der Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren erforscht werden. Ermöglicht wird dies durch die Integration der Sammlung der „Armenian Film Foundation“. Die systematische Deportation und Vernichtung von etwa 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich wird von der türkischen Regierung bis heute nicht als Völkermord anerkannt; die Rolle des Deutschen Reiches als damaliger Verbündeter des Osmanischen Reiches ist nach wie vor wenig bekannt.
Die Gräueltaten begannen am 24. April 1915 mit der Verhaftung armenischer Intellektueller. An jenem Tag erteilte der osmanische Innenminister den Befehl, die wichtigsten Persönlichkeiten der armenischen Gemeinde in Istanbul festzunehmen und in ein Lager in Zentralanatolien zu verschleppen. Diese Deportationen wurden später gesetzlich legitimiert. Insgesamt kamen in der Folge von Massendeportationen, gewaltsamen Razzien und bei Exekutionen schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen der etwa zwei Millionen Armenier in dem Land ums Leben.
Die Sammlung der „Armenian Film Foundation“ ist der weltweit umfangreichste Bestand gefilmter Interviews über den Genozid, von dem es nur wenige Berichte von Überlebenden und Zeugen gibt. Sie enthält 400 Interviews, die in zehn Ländern geführt wurden, zumeist in englischer oder armenischer Sprache. Enthalten sind aber auch Interviews auf Arabisch, Deutsch, Französisch, Griechisch, Kurdisch, Russisch, Spanisch und Türkisch.
Ein Teil der Sammlung basiert auf Interviews, die der armenisch-amerikanische Filmemacher Dr. Jakob Michael Hagopian seit 1968 im Zuge seiner Dokumentarfilmprojekte geführt hat. Er gründete 1979 die „Armenian Film Foundation“, die sich der Bewahrung und Dokumentation der Lebensgeschichten von Überlebendes des Genozids von 1915 widmet. Neben diesen Interviews enthält die Sammlung Gespräche, die im Rahmen eines Projektes der „Armenian Film Foundation“ von 1982 an mit dem Ziel geführt wurden, zu diesem späten Zeitpunkt noch möglichst viele Überlebende zu interviewen.
Die von Steven Spielberg gegründete USC Shoah Foundation sammelt seit 1994 Video-Interviews mit Überlebenden und Zeugen des Holocaust und macht sie für Bildung und Forschung zugänglich. Inzwischen wird das Archiv um Interviewsammlungen zu anderen Verbrechen ergänzt. Neben den fast 52.000 Interviews zum Holocaust sind inzwischen zum Beispiel Interviews mit Überlebenden des Genozids in Ruanda enthalten. Die Freie Universität ermöglicht ihren Studierenden, Lehrenden und Besuchern den Zugang zum Visual History Archive im Campus-Netzwerk. Ab dem 24. April 2015 können dort zunächst 60 der Interviews mit Überlebenden des Genozids an den Armeniern angesehen werden. Bis Ende des Jahres sollen alle 400 Interviews zugänglich sein. Ansprechpartner an der Freien Universität ist das Center für Digitale Systeme.
Weitere Informationen
Verena Nägel, Center für Digitale Systeme, Telefon 030 838-52533, E-Mail: verena.naegel@cedis.fu-berlin.de