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Lehrpreis der Freien Universität wird erstmals für zwei Projekte vergeben

Die Auszeichnung erhalten zwei herausragende Veranstaltungsideen zum Thema Diversität für das Sommersemester 2018 – eine aus den Geistes- und eine aus den Naturwissenschaften

Nr. 013/2018 vom 23.01.2018

Inwiefern stehen der universitäre Habitus und über Jahrhunderte tradierte rhetorische Formen mehr Diversität an den Hochschulen entgegen? Wie verhindert das Paradigma des reinen Stoffes in der Chemie den Blick auf aus diversen Molekülen bestehende Reaktionsnetzwerke? Zwei für das Sommersemester geplante Lehrveranstaltungen setzen sich auf überraschende Art mit dem Thema Diversität auseinander und werden dafür mit dem Lehrpreis 2017 der Freien Universität Berlin ausgezeichnet. Die beiden Projekte – am Institut für Romanische Philologie unter der Leitung von Prof. Dr. Anita Traninger sowie am Institut für Chemie unter der Leitung von Prof. Dr. Beate Koksch und Prof. Dr. Christoph Schalley – werden mit jeweils 5.000 Euro in ihrer Umsetzung im Sommersemester 2018 unterstützt. Der Preis wird somit wegen der besonderen Qualität der beiden Bewerbungen zum ersten Mal geteilt. Die feierliche Verleihung des zentralen Lehrpreises findet am 13. Februar 2018 an der Freien Universität Berlin statt.

Im Mittelpunkt des Projektes „Understanding University: The Rhetoric(s) of German Academia“ („Universität verstehen: Die Rhetorik[en] der deutschen akademischen Welt“) stehen die Geschichte der Universität sowie historische Formen universitärer Rhetorik. Diese, so die Preisträgerinnen und Preisträger, wirkten bis heute nach und prägten Debattenkonventionen im Seminargespräch oder die stilistischen Normen wissenschaftlichen Schreibens. Zugleich würden diese Konventionen – im Unterschied etwa zur angelsächsischen Welt – in der deutschen Universität kaum offengelegt. Die Beschäftigung mit dem „akademischen Habitus“ unter dem Gesichtspunkt der Rhetorik solle dazu beitragen, die weit verbreitete Vorstellung einer scheinbar natürlichen Begabung als Voraussetzung für eine Partizipation am akademischen Diskurs zu entzaubern. Das Projekt, das von Anita Traninger, Professorin für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin, gemeinsam mit Isabelle Fellner, Oliver Gent und Angie Martiens konzipiert wurde, entstand aus der Arbeit am Sonderforschungsbereich 980 „Episteme in Bewegung“ heraus: Aus der Beschäftigung mit Fragen der europäischen Wissensgeschichte wurde ein Lehrprojekt entwickelt, das zu einer kritischen Reflexion der „strukturellen Widerständigkeit der Universität gegenüber Diversität“ beitragen soll. Das Lehrprojekt vereint die Diskussion der historischen Gründe für diese Situation mit einer praktischen Komponente. Die Veranstaltung wird auf Deutsch und Englisch angeboten, um auch internationalen Studierenden die Teilnahme zu ermöglichen.

Mit der Diversität von Molekülen und deren Kooperation in chemischen Reaktionsnetzwerken werden sich die Studierenden in dem zweiten mit dem Lehrpreis ausgezeichneten Projekt unter der Leitung von Professorin Beate Koksch und Professor Christoph Schalley vom Institut für Chemie und Biochemie an der Freien Universität Berlin beschäftigen. Thema der Veranstaltung „Molecular Diversity – Emergent Properties in Chemical Reactivity Networks“ („Molekulare Diversität – ermergente Eigenschaften in chemischen Reaktionsnetzwerken“) sind aber nicht nur chemische Prozesse bei molekularer Diversität, sondern auch die Parallelen zu anderen komplexen Systemen wie Insektenstaaten, dem Klima oder gesellschaftlichen Phänomenen vom Stau bis zur Massenpanik. Das Organisationsteam der Veranstaltung, zu dem neben Beate Koksch und Christoph Schalley auch die Studierenden der Chemie Elena Petersen und Anthony Krause sowie die beiden Doktoranden Hendrik Schröder und Dorian Mikolajczak gehören, will so zu einem „differenzierten naturwissenschaftlichen Weltbild“ beitragen und hat Vortragende aus Biologie, Klimaforschung und Soziologie eingeladen. Auch die Vermittlung von Forschung ist Teil des Seminarprogramms: Die Studierenden konzipieren Schauexperimente für die Lange Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität Berlin am 9. Juni und produzieren für die allgemeine Öffentlichkeit verständliche Lehrfilme, die auf einer Videoplattform publiziert werden sollen.

Der zentrale Lehrpreis ist Teil des Konzeptes der Freien Universität Berlin zur forschungsorientierten Lehre (FoL). Ausgezeichnet werden herausragende hochschuleigene Lehrkonzepte und -projekte, die Ergebnisse der Spitzenforschung in die universitäre Lehre überführen. Im Unterschied zu den personenbezogenen Lehrpreisen, die von verschiedenen Fachbereichen der Freien Universität Berlin vergeben werden, werden mit dem zentralen Lehrpreis innovative Lehrprojekte prämiiert, die im Laufe des akademischen Jahres umgesetzt werden sollen. Der Preis, der zum fünften Mal verliehen wird, hat einen jährlich wechselnden Schwerpunkt. Für das akademische Jahr 2017/18 wurden Ideen für Lehrveranstaltungen gesucht, die „forschungsorientiert & vielfältig“ sind.

Die Auszeichnung sowie das Konzept „Forschungsorientierte Lehre“ sind zentrale Bestandteile des Zukunftskonzepts Veritas – Iustitia – Libertas. Internationale Netzwerkuniversität, mit dem die Freie Universität Berlin in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder 2012 zum zweiten Mal den Exzellenzstatus errang. Im Jahr 2013 wurde mit dem Lehrpreis ein deutsch-israelisches Austauschprojekt für Lehramtsstudierende unter der Leitung von Martin Lücke, Professor für Geschichtsdidaktik am Friedrich-Meinecke-Institut, ausgezeichnet. Den Lehrpreis 2014 erhielt ein Projekt von Professor Rainer Haag vom Institut für Chemie und Biochemie, bei dem Studierende anwendungsorientierte Projekte einem Praxistest unterwerfen konnten. 2015 war der Lehrpreis für eine Einführung in die Nutzung computerbasierter Beweisassistenzsysteme in der Logik unter der Leitung des Informatikers PD Dr. Christoph Benzmüller vergeben worden. Im vergangenen Jahr ging der Preis an eine disziplinenübergreifende Einführung in die Prinzipien von Open Science, die die beiden Neurowissenschaftler Dr. Ulf Tölch und Prof. Dr. Dirk Ostwald konzipiert hatten.

Kontakt

  • Dr. Nina Diezemann, Presse und Kommunikation, Freie Universität Berlin, Telefon 030 838-73190, E-Mail: nina.diezemann@fu-berlin.de

Im Internet

www.fu-berlin.de/lehrpreis