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9000 Jahre altes Grab mit reichen Beigaben aus Jordanien führt zu neuen Erkenntnissen über frühe Hierarchien

Internationales Forschungsteam unter Federführung der Freien Universität publiziert Ergebnisse einer zweijährigen Studie

Nr. 263/2019 vom 10.09.2019

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung eines Teams der Freien Universität Berlin hat im Süden Jordaniens ein 9000 Jahre altes Grab und seine Beigaben ausgegraben und die Funde gedeutet. Zwei Jahre lang trugen die Forscherinnen und Forscher Daten aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen, darunter Ethnologie, Geologie und Neurobiologie, um die Bestattung und die Hierarchisierung in einer jungsteinzeitlichen Dorfgemeinschaft im Süden Jordaniens zu verstehen. Sie kamen zu dem Schluss, dass herausragende Personen in der Bestattung nicht als Alleinherrscher inszeniert wurden, sondern als Primus inter pares, als Erster unter Gleichen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie im Online-Fachmagazin PLOS ONE.

Das etwa 9000 Jahre alte Grab hatte ein Archäologie-Team des Instituts für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin 2016 in Kooperation mit dem jordanischen Department of Antiquities im jungsteinzeitlichen Dorf von Baʻja entdeckt. „Die Bestattung war zwar sehr aufwendig, und teilweise sind es einzigartige Beigaben, die dem Toten mit ins Grab gegeben wurden“, sagt Hans Georg K. Gebel, der Ausgrabungen in diesem steinzeitlichen Bergdorf seit 1997 leitet. „Wenn man sich aber den Bestattungsritus und das soziale Umfeld dieser weltweit ältesten Mega-Dörfer ansieht, wird deutlich, dass es eine sehr stark gruppenorientierte Gemeinschaft mit engen Beziehungen untereinander war“, erläutert der Archäologe der Freien Universität. Die Autorinnen und Autoren der Studie sind der Ansicht, dass der Fokus von Forschung zu lange nur auf mächtige Personen und eine reiche Ausstattung ihrer Gräber gelegen habe. „Dass sich Machtunterschiede in diesen frühen Dörfern verfestigen konnten, ist aber ein sehr vielschichtiger Prozess. Wenn wir diese fundamentalen sozialen Veränderungen besser verstehen wollen, sollte nicht nur die Persönlichkeit der herausragenden Personen untersucht werden, sondern auch die Gesellschaft selbst und die Wege, wie Menschen an die Macht kamen“, betont Marion Benz, die zusammen mit Hans Georg K. Gebel und Christoph Purschwitz das gegenwärtige Projekt „Haushalt und Tod in Baʻja“ leitet, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ex oriente e. V., Berlin, und dem Deutschen Archäologischen Institut gefördert wird.

An den Untersuchungen des Grabes waren zahlreiche Institutionen aus Berlin, Freiburg, Mannheim, Brünn und Nizza beteiligt. Die interdisziplinären Forschungen hätten gezeigt, dass der Tote trotz aller Besonderheiten nach dem lokalen Ritus bestattet wurde und sich ähnliche Beigaben auch in anderen Gräbern fanden. Bislang zum ersten Mal sei hier aber ein Grab aus dieser Zeit gefunden worden, in dem ein Erwachsener als Einzelner in einem solch aufwendigen Grab bestattet wurde. Anthropologische Untersuchungen und Isotopenanalysen legen nahe, dass es sich um einen jungen, erwachsenen Mann handelte, der eher grazil als kräftig war und in der nächsten Umgebung oder gar in Baʻja selbst aufgewachsen sein musste.

Nichts deutet nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf hin, dass der Tote Macht und Prestige durch eine Häufung von Gütern erreichte. Die Dinge, die ihn als Krieger oder Jäger hätten ausweisen können, seien zerstört worden, Pfeilspitzen absichtlich abgebrochen und ein Keulenkopf zerschlagen. Durch die exotischen Halbedelsteine und Muschelperlen werde deutlich, dass die Person Zugang zum überregionalen Austausch gehabt habe. Türkise stammten vermutlich vom Sinai, Karneol aus der Wüste im heutigen Saudi-Arabien. Eine Türkisperle sei sogar recycelt worden. Nachdem sie zerbrochen war, sei ein neues Loch durch eines der Teile gebohrt worden. Zugang zu den exotischen Rohmaterialien hätten aber auch andere Personen der Siedlung gehabt, dies sei kein Alleinstellungsmerkmal. „Es hat vielmehr den Anschein, dass der Tote zwar bewusst als herausragende Person dargestellt wurde“, sagt Marion Benz. „Die Sonderstellung beruhte aber wohl weniger auf Besitz oder Reichtum als auf sozialem Ansehen, das nach seinem Tod auf niemand anderen übertragen werden sollte.“

Die Menschen vor 9000 Jahren müssen vor großen Herausforderungen gestanden haben, denn nie zuvor lebten 500-1000 Menschen über Jahrhunderte an einem Ort zusammen. Um das Zusammenleben auf engem Raum zu ermöglichen, muss es neuer Regeln und Kompetenzen in Kommunikation, Vermittlung und Streitschlichtung bedurft haben. Um 6900 v. Chr. wurde Ba’ja verlassen. „Warum können wir derzeit nicht sicher sagen“, sagt Christoph Purschwitz. Auch das in der Studie vorgestellte Verständnis zur Machtetablierung könne nur ein erster Schritt sein. Die neuen Erkenntnisse zur Hierarchisierung der ältesten Dorfgemeinschaften dürften nicht verallgemeinert werden. „Sicher gab es viele unterschiedliche Wege zur Macht“, gibt Marion Benz zu bedenken. „Unser Ziel war es, möglichst viele Indizien transparent und systematisch aufzunehmen.“ Vielleicht, so hoffen die Forscherinnen und Forscher, kann dieses „Elitegrab“ eines „Ersten unter Gleichen“ ein Anlass sein, Theorien zur Entstehung von Machtstrukturen zu überprüfen, die auf Gewalt oder auf Besitz gründen.

Schmuckstück aus Stein und Perlmutt

Schmuckstück aus Stein und Perlmutt

Schmuckstück aus Stein und Perlmutt
Bildquelle: H.G.K. Gebel

Steinzeitliches Unikat: Am linken Oberarm trug der Tote ein einzigartiges Schmuckstück aus vier Steinringen und einem Perlmuttring.

Feuersteindolch

Feuersteindolch

Feuersteindolch
Bildquelle:  H.G.K. Gebel

Handwerkliches Geschick und exotische Materialien: Der Feuersteindolch, der dem Toten mit ins Grab gegeben wurde, war nicht in Ba‘ja hergestellt worden.

Blick in das 9000 Jahre alte Grab

Blick in das 9000 Jahre alte Grab

Blick in das 9000 Jahre alte Grab
Bildquelle:  M. Benz

Das 9000 Jahre alte Grab, das Archäologen der Freien Universität Berlin in Kooperation mit dem Department of Antiquities Jordaniens ausgegraben haben, gibt neue Einblicke in die Entstehung früher Hierarchien.

Die Fundstelle von Baʻja im Süden Jordaniens

Die Fundstelle von Baʻja im Süden Jordaniens

Die Fundstelle von Baʻja im Süden Jordaniens
Bildquelle:  M. Kinzel

Blick von einem der Felsen auf die jungsteinzeitliche Fundstelle von Baʻja im Süden Jordaniens.  In einem der Untergeschosse der Gebäude haben Archäologen der Freien Universität Berlin in Kooperation mit dem Department of Antiquities of Jordan ein aufwendig ausgestattetes Grab gefunden.

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