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30 Jahre nach dem Mauerfall: Wendekorpus für ein „kollektives Gedächtnis“

Materialsammlung eines Projekts am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin zum sozialen und sprachlichen Wandel in der Nachwendezeit veröffentlicht / Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung

Nr. 326/2019 vom 05.11.2019

Im Rahmen eines Projekts der Freien Universität Berlin und der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) werden zum 9. November Aufzeichnungen von authentischen informellen Gesprächen über den Mauerfall als Ton- und Textdokumente veröffentlicht. Die narrativen wie argumentativen Diskursausschnitte stehen für Unterrichtszwecke auf der Internetseite der BPB unter www.bpb.de/deutschlandarchiv zur Verfügung; sie eignen sich als kollektives Gedächtnis für Schulen sowie für den Unterricht in Landeskunde und Deutsch-als-Fremdsprache. Die Ausschnitte können durch Medien genutzt werden sowie durch interessierte Nutzerinnen und Nutzer. Zudem erscheint parallel im Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache zum Mauerfalljubiläum als Vertiefungslektüre für die Materialsammlung ein Buch, das sprachwissenschaftliche und didaktische Ansätze für Auseinandersetzungen mit dem Wendekorpus einschließlich Hinweisen zu möglichen Herangehensweisen für den Unterricht enthält. Herausgegeben wird das Buch von dem emeritierten Soziolinguisten Prof. Dr. Nobert Dittmar und der Sprachpädagogin Dr. Christine Paul (Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität).

Die Gesprächsaufzeichnungen stammen aus einem Projekt mit dem Titel „Wendekorpus. Der Fall der Mauer am 9. November 1989 und seine individuellen und sozialen Folgen für Ost- und Westberliner“, das in den Jahren 1992 und 1993 am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität unter der Leitung von Norbert Dittmar stattfand. Lehrerinnen aus Ostberlin, die auf Senatsbeschluss im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme an der Freien Universität Berlin von Norbert Dittmar unterrichtet wurden, führten authentische informelle Interviews mit Freunden und Bekannten durch, um ihre schulische Auszeit an der Universität für eine Materialsammlung „Kollektives Gedächtnis rund um den Mauerfall“ zu nutzen. Die Ausschnitte der „Materialsammlung“ umfassen ein Dutzend thematischer Leitlinien wie „Grenzübergang“, „Selbst- und Fremdeinschätzung sozialer Identität“, „Stereotypen“.

Ziel der exemplarischen, verschriftlichten und auf höchstem technischen Niveau aufbereiteten Hörbelege aus dem Wendekorpus, das 50 Gespräche umfasst, ist es Norbert Dittmar zufolge, die unterschiedlichen Reaktionen und Resonanzen auf Fakten und Folgen des 9. November 1989 zu illustrieren. „Die diskursiven Zeitzeugnisse des Wendekorpus geben die damalige – und zum Teil auch heute noch gültige – Realität authentisch und ungeschminkt wieder“, betont der Sprachwissenschaftler. Die Erzählungen zeigten ganz unterschiedliche soziale und individuelle Wahrnehmungen und Bewertungen der Mauerfallereignisse in der Nacht des 9. November 1989 und der unmittelbaren Zeit danach. „Die ausgewählten Gesprächsausschnitte spiegeln starke Unterschiede im Erleben des Mauerfalls durch Ost- und Westberlinerinnen und -berliner wieder“, konstatiert Christine Paul.

Zugriffsmöglichkeiten und Zusatzmaterialien für Medien, Lehrkräfte und weitere Interessierte

  • Die Audiodateien und die Transkripte sind in der in der Datenbank für Gesprochenes Deutsch des Leibnitz-Instituts für Deutsche Sprache abrufbar.
  • Als Vertiefungslektüre für die Materialsammlung der Bundeszentrale für Politische Bildung erscheint im Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache zum Mauerfalljubiläum ein Buch, das auf die Bedürfnisse von Lehrerinnen und Lehrern zugeschnitten ist. Gleichzeitig ist es für Linguistinnen und Linguisten sowie für sonstige Personen geeignet, die sich für die gesprochene Sprache interessieren. Der Band enthält sprachwissenschaftliche und didaktische Ansätze für Auseinandersetzungen mit dem Wendekorpus und gibt Hinweise zu möglichen Herangehensweisen im Unterricht:
    Norbert Dittmar / Christine Paul (Hgg.) Sprechen im Umbruch. Zeitzeugen erzählen und argumentieren rund um den Fall der Mauer im Wendekorpus. Mannheim: Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache (erscheint am 9. November 2019)

Einige Aufnahmen können hier als Tonspur und in einem Fall in einer Videobearbeitung angehört werden. 

Folgende Audiodateien stehen zum Download zur Verfügung:

  • Alla, 54, Lehrerin, Ost-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Alfred, 57, Polsterer, West-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Anton, 42, Schulleiter, West-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Dolly, 27, Arzhelferin, Ost-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Gitta, 28, Sekretärin, DDR-Bürgerin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Leonardo, 43, Beleuchtungsmeister beim Film, Ost-Berlin/ Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Lore, 50, Lehrerin Ostberlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Maria, 41, Lehrerin Ost-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Piet, 37, Hauptschullehrer, West-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin
  • Yvonne, 53, Lehrerin Ost-Berlin / Projekt "Wendekorpus", Freie Universität Berlin

Die Altersangabe bezieht sich auf das Alter der Personen im Jahr 1989.
Die Verwendung ist für Medienvertreterinnen und -vertreter bei Nennung der jeweiligen Quelle honorarfrei.

Weitere Informationen

Kontakt und Interview-Wünsche, auch mit einigen der damals interviewten Personen

  • Dr. Christine Paul, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Wissenschaftsbereich Grundschulpädagogik / Didaktik Deutsch, E-Mail: christine.paul@fu-berlin.de,Telefon: 030/ 838 66775
  • Prof. Dr. Norbert Dittmar, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, Freie Universität Berlin, E-Mail: nordit@zedat.fu-berlin.de, Telefon: 030 / 86008163