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Die Herkunft der menschlichen Skelettteile muss unklar bleiben

Freie Universität Berlin, Max-Planck-Gesellschaft und Landesdenkmalamt Berlin stellen Ergebnisse der Untersuchungen von auf dem Campus der Freien Universität entdeckten menschlichen Knochen vor

Nr. 033/2021 vom 23.02.2021

Die Freie Universität Berlin hat bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft und dem Landesdenkmalamt Berlin die Ergebnisse einer Untersuchung zu den Funden menschlicher Knochen seit dem Jahr 2014 vorgestellt. Die menschlichen Überreste bestehen aus etwa 16.000 stark fragmentierten Knochen. Sie wurden in nichtinvasiven osteologischen Analysen durch eine Forschungsgruppe unter der Leitung der Archäologin Prof. Dr. Susan Pollock von der Freien Universität Berlin untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Knochen von Menschen aller Altersgruppen sowie männlichen und weiblichen Geschlechts stammen. Reste vom Klebstoff und Beschriftung auf manchen Knochen sowie das Fehlen moderner medizinischer Eingriffe hätten für viele der Knochen in Richtung einer Herkunft aus anthropologischen oder archäologischen Sammlungen gedeutet. Die Zusammensetzung des Gesamtkorpus entspreche jedoch keiner typischen anthropologischen oder archäologischen Sammlung, wie sie aus dem 19. Jahrhundert oder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt sei. Es ist dem Forschungsteam zufolge nicht auszuschließen, dass manche Knochen aus Kontexten stammen, die direkt mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu tun haben. Die Herkunft könne aber nicht eindeutig rekonstruiert werden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wurden in die Beratungen über den Umgang mit den Funden und die Untersuchungsmethoden einbezogen. Zu der digital veranstalteten öffentlichen Informationsveranstaltung hatten sich mehr als 350 Personen aus dem In- und Ausland angemeldet.

Menschliche Skelettteile und Knochenfragmente waren 2014 bei Bauarbeiten auf dem Außengelände der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin im Umkreis des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie (KWIA), menschliche Erblehre und Eugenik aufgefunden worden. Durch die Funde wurde eine Kooperation der Freien Universität Berlin mit der Max-Planck-Gesellschaft und dem Landesdenkmalamt Berlin begründet, und archäologische Grabungen in den Jahren 2015 und 2016 veranlasst. Diese förderten mehrere Tausend Fragmente menschlicher Knochen sowie Tierknochen und Gegenstände zutage.

Die Tierknochen, die zum Teil mit den menschlichen Knochenfragmenten vermischt waren, stammen den Ergebnissen zufolge vor allem von Kaninchen und Ratten. Diese Tierarten waren bevorzugte Versuchstiere im ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut. Die Morphologie und Pathologien der Knochen selbst weisen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge deutlich darauf hin, dass diese Tiere spezifische Laborzüchtungen waren.

Unter den assoziierten Gegenständen befinden sich kleine Kunststoffmarken mit Buchstaben und Zahlen sowie ein großer Teil einer Gipsabformung eines Mannes. Gipsabformungen von Gesichtern, Köpfen sowie Händen und Füßen wurden im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert häufig in Kolonial- oder anderen Zwangskontexten hergestellt. Indizien deuten darauf hin, dass die Herstellung der entdeckten Gipsabformung auf die Zeit ab 1917 datiert werden kann.

Weder die Herkunft der Menschenknochen noch des abgeformten Körpers könne derzeit eindeutig rekonstruiert werden, sagt Prof. Dr. Susan Pollock, die Leiterin des wissenschaftlichen Teams. Es sei jedoch eindeutig, dass sie aus dem KWIA stammen. „Wenn wir die Herkunft auch nicht genau bestimmen können, so müssen wir bedauern, dass sie mit einer menschenverachtenden Respektlosigkeit in Gruben auf dem Institutsgelände verscharrt wurden.“

Am Ende der Veranstaltung wurde über Formen einer würdigen, nicht-religiösen Bestattung sowie über Möglichkeiten für einen Gedenkort auf dem Campus der Freien Universität Berlin diskutiert.

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik beherbergte medizinisch-anthropologische Sammlungen unterschiedlicher Art, teils kolonialgeschichtlicher Provenienz; es war aber auch eine der wichtigsten Einrichtungen für die „wissenschaftliche“ Legitimation der mörderischen nationalsozialistischen Rassenpolitik. Es gab in den vergangenen Jahren zahlreiche bundesweit und international geführte Diskussionen über die Funde, sowohl in den Medien als auch in der Fachwelt. Unter anderem wurden die Funde im Rahmen eines Symposiums an der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem erörtert.

Kontakt

Stabsstelle Presse und Kommunikation der Freien Universität Berlin, E-Mail: presse@fu-berlin.de