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Den Ertrag von Nutzpflanzen durch Hormone steigern

Forscherinnen und Forscher der Freien Universität Berlin untersuchen Ertragsparameter in Raps

Nr. 045/2021 vom 18.03.2021

Durch den Abbau eines Pflanzenhormons, dem sogenannten Cytokinin, kann einer Studie zufolge der Ertrag von Nutzpflanzen erhöht werden. So gelang einem Forschungsteam der Freien Universität Berlin unter der Leitung des Biologen Prof. Dr. Thomas Schmülling bei der Ölpflanze Raps durch gezielte Veränderungen von Genen, welche für den Abbau von Cytokinin zuständig sind, die Bildung von Blüten und Schoten anzuregen. Dies führte wiederum zu einem erhöhten Samengewicht. Das Forschungsvorhaben wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Projekts „SEEDS“ gefördert. Die Bedeutung der Ertragsgene beim Raps müsste dem Forschungsteam zufolge nun in weiteren Feldversuchen überprüft werden. Ihre Identifizierung könnte auch für die Züchtung von Getreidepflanzen von Bedeutung sein, denn diese verfügen über die gleichen evolutionär konservierten Gene wie Raps. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Journal of Experimental Botany publiziert. Erstautorin ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Ireen Schwarz.

Der Ertrag von Nutzpflanzen hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von Pflanzenhormonen. Ein wichtiger Faktor bei der Ertragsbildung ist die Anzahl an Blüten, die gebildet werden, denn aus diesen entwickeln sich nach der Befruchtung die Samen. „Hier kommt das Pflanzenhormon Cytokinin ins Spiel: Es beeinflusst die Blütenbildung“, sagt Thomas Schmülling. Der Abbau von Cytokinin werde durch sogenannte Cytokininoxidasen/-dehydrogenasen (CKX-Enzyme) katalysiert. Dem Team um Thomas Schmülling gelang es vor einigen Jahren, in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, auch bekannt unter der Bezeichnung Ackerschmalwand, unter sieben CKX-Genen zwei besonders wichtige zu identifizieren, nämlich CKX3 und CKX5. Das Ausschalten dieser Gene führte zu einem höheren Cytokiningehalt, wodurch sich mehr Blüten und mehr Samen bildeten. Die Erhöhung des Samenertrags in der Modellpflanze betrug mehr als 50 Prozent.

„Im Projekt SEEDS haben wir überprüft, ob wir diese Ergebnisse auf Rapspflanzen übertragen können. Raps ist mit der Modellpflanze Ackerschmalwand nah verwandt“, erläutert Erstautorin Dr. Ireen Schwarz. Zusammen mit dem Projektpartner Bayer CropScience identifizierten die Forscherinnen und Forscher insgesamt 23 CKX-Gene in Raps, dessen Genom von zwei Elternpflanzen abstammt. „Sechs der CKX-Gene wurden durch ein Verfahren, das Tilling genannt wird, ausgeschaltet“, sagt die Biologin.

Die neuen Linien wurden im Gewächshaus und im Freiland auf die Bildung von Blüten und Schoten am Hauptspross untersucht. Bei Blüten beobachteten die Forscherinnen und Forscher eine Zunahme von mehr als 50 Prozent; die Zunahme des Samengewichts betrug 20 bis 30 Prozent. „Das zeigt, dass Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die angewandte Pflanzenzüchtung übertragen werden können“, erklärt Thomas Schmülling. Die CKX-Gene könnten dem Wissenschaftler zufolge bei der Entwicklung neuer ertragsreicher Rapssorten verwendet werden. In einem nächsten Schritt stünden weitere Feldversuche an, um die Ergebnisse im größeren Maßstab zu überprüfen.

Großes Potenzial für die Anwendung ihrer Erkenntnisse sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch bei anderen Nutzpflanzen, vor allem bei Getreidepflanzen und Reis, denn auch sie besitzen CKX-Gene. Bei Reis sei bereits gezeigt worden, dass die CKX-Gene für den Ertrag eine wichtige Rolle spielen. „Es ist spannend, dass die Funktion dieser Gene – nämlich die Beteiligung an der Ertragsbildung – in der Evolution bei so unterschiedlichen Pflanzen wie Reis und Raps erhalten geblieben ist“, sagt Thomas Schmülling. Zukünftig könnte die Genfamilie bei der Züchtung ertragreicher Getreidepflanzen eine wichtige Rolle spielen.

Die Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Hochertragssorten, die in den 1960er Jahren begann, wird als Grüne Revolution bezeichnet. Ziel ist es, zu einer weltweiten Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion beizutragen. Im Jahr 1970 erhielt der US-amerikanische Agrarwissenschaftler Norman Borlaug für seine Beiträge zu Hochertragssorten den Friedensnobelpreis.

Thomas Schmülling zufolge steht die Pflanzenzüchtung aufgrund neuer Verfahren vor einer zweiten Grünen Revolution. „Bei der Pflanzenzüchtung werden zunehmend neue Verfahren eingesetzt: die Identifizierung von Genen, die für den Ertrag oder die Anpassung von Nutzpflanzen an sich ändernde Umweltbedingungen wichtig sind, sowie ihre gezielte Veränderung durch moderne Verfahren wie Tilling oder die Genschere CRISPR/Cas“, sagt der Biologe. Angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung und des Verlustes von Anbauflächen bleibe die Ertragssteigerung von Nutzpflanzen ein wichtiges Ziel der Pflanzenzüchtung.

Das Projekt „SEEDS“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderprogramm „PLANT-KBBE IV“ gefördert. Das Akronym PLANT-KBBE steht für Transnational Plant Alliance for Novel Technologies – towards implementing the Knowledge-Based Bio-Economy in Europe. Das internationale Förderprogramm wurde gemeinsam von Frankreich, Spanien und Deutschland getragen. Wirtschaftlicher Partner im Projekt war die Firma Bayer CropScience, dieser Firmenzweig ist mittlerweile ein Teil der BASF.

Pressefoto 1

Die Anzahl der von Raps gebildeten Blüten ist wichtig für den Ertrag. Das Pflanzenhormon Cytokinin steuert die Bildung der Blüten. Seine gezielte Veränderung ermöglicht die Züchtung neuer Rapssorten.

Die Anzahl der von Raps gebildeten Blüten ist wichtig für den Ertrag. Das Pflanzenhormon Cytokinin steuert die Bildung der Blüten. Seine gezielte Veränderung ermöglicht die Züchtung neuer Rapssorten.
Bildquelle: Dr. Ireen Schwarz.

Die Fotos stehen Journalistinnen und Journalisten zum Download zur Verfügung und sind bei Verwendung im Kontext der Pressemitteilung und bei Angabe der Quelle honorarfrei.

Pressefoto 2

Rapspflanzen wachsen in einem Gewächshaus der Freien Universität Berlin. An ihnen wird die Übertragung von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die Anwendung überprüft.

Rapspflanzen wachsen in einem Gewächshaus der Freien Universität Berlin. An ihnen wird die Übertragung von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die Anwendung überprüft.
Bildquelle: Dr. Ireen Schwarz.

Weitere Informationen

Veröffentlichung

  • Ireen Schwarz, Marie-Therese Scheirlinck, Elisabeth Otto, Isabel Bartrina, Ralf-Christian Schmidt, Thomas Schmülling (2020) Cytokinin regulates the activity of the inflorescence meristem and components of seed yield in oilseed rape. In: Journal of Experimental Botany, Vol. 71, No. 22 pp. 7146–7159, DOI: 10.1093/jxb/eraa419 .
  • Kommentar zur Originalpublikation: Paula E. Jameson und Jiangcheng Song (2020) Will cytokinins underpin the second ‘Green Revolution’?. In: Journal of Experimental Botany, Vol. 71, No. 22 pp. 6872–6875; doi: 10.1093/jxb/eraa447.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Schmülling, Freie Universität Berlin, Institut für Biologie, Dahlem Centre of Plant Sciences – Angewandte Genetik, Telefon: 030 838-55808, E-Mail: thomas.schmuelling@fu-berlin.de