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Studie: Pandemie wurde von Studierenden der Freien Universität Berlin als belastend erlebt, Studienzufriedenheit allerdings kaum beeinträchtigt

Ergebnisse der Befragung des hochschuleigenen Projekts Healthy Campus

Nr. 078/2022 vom 27.05.2022

Studierende der Freien Universität haben einer Studie des hochschuleigenen Projekts Healthy Campus die Auswirkungen der Pandemie häufig als belastend erlebt. Wie die Erhebung im Arbeitsbereich Public Health: Psychosoziale Prävention und Gesundheitsforschung im dritten Semester mit pandemiebedingten Einschränkungen ergab, schrieben sie sich zum Zeitpunkt der Erhebung im Januar und Februar 2021 eine schlechtere Gesundheit zu als in der Vergleichsstudie des Jahres 2019. Trotz des damaligen Studiums von Zuhause hätten die Studierenden allerdings ein eher geringes Ausmaß an Einsamkeit erlebt und sich eine ausgewogene Study-Life-Balance bescheinigt. Auch die Studienzufriedenheit habe sich im Vergleich zu 2019 nicht substanziell verändert. Im Hinblick auf soziale Ressourcen wurde insbesondere die soziale Unterstützung durch Mitstudierende in der aktuellen Befragung signifikant geringer eingeschätzt als in der Vergleichsbefragung 2019. Darüber hinaus erlebten sie das Studium im Mittel als etwas stärker herausfordernd. Etwa ein Drittel der Befragten erfüllte während dieser Phase der Pandemie die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Der Arbeitsbereich Public Health erstellt periodisch Gesundheitsberichte für die Studierenden der Freien Universität Berlin seit 2008. Das Projekt wird von der Techniker Krankenkasse gefördert.

Der Gesundheitsbericht zeichnet ein Gesamtbild der Gesundheit, des Gesundheitsverhaltens sowie der Wahrnehmung und Bewertung der Anforderungen und Ressourcen von Studierenden der Freien Universität Berlin 2021. Die Datenerhebung dazu fand im Januar und Februar 2021 statt – während der COVID-19 Pandemie, im dritten Semester in Folge mit überwiegend digitaler Lehre. „Die Ergebnisse sind auch vor dem Hintergrund dieser speziellen Situation zu interpretieren“, betont Studienleiter PD Dr. Dr. Burkhard Gusy. Um ebenjene spezielle Situation mit abbilden zu können, seien Themen wie digitale Gesundheitskompetenz, Studieren von Zuhause sowie Fragen zur Konfrontation mit COVID-19 und zur Impfbereitschaft Teil der Befragungen gewesen. Ergänzt wurde die Befragung um Themen, die insbesondere beim Studieren von Zuhause relevant sind, beispielsweise um das Thema Einsamkeit. Wie im Jahr 2019 umfasste der Fragebogen demografische Angaben, unterschiedliche Gesundheitsmaße – etwa Gesundheitszustand, Burnout, Lebenszufriedenheit –, wahrgenommene Ressourcen und Anforderungen des Studiums sowie ausgewählte Gesundheits- und Risikoverhaltensweisen. An der Online-Befragung nahmen 2826 Studierende teil; das mittlere Alter der Teilnehmenden lag bei 24,6 Jahren, der Anteil weiblicher Studierender an der Studie bei knapp 72 Prozent.

Details der Erhebung:

Gesundheit

Knapp zwei Drittel (64,9 %) der befragten Studierenden der Freien Universität Berlin schrieben sich eine gute oder sehr gute Gesundheit zu. Dieser Wert lag deutlich unter den Werten der bundesweiten Befragung Studierender in Deutschland 2017 sowie der jüngsten bevölkerungsrepräsentativen Befragung des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2021, in der sich 87,2 % der 18-29 jährigen Frauen und 88,3 % der 18-29 jährigen Männer eine gute oder sehr gute Gesundheit zuschrieben.

Mit Ausnahme der Lebens- und Studienzufriedenheit schrieben sich weibliche Studierende eine etwas schlechtere Gesundheit zu als ihre männlichen Kommilitonen: Sie berichteten den Ergebnissen zufolge über ein höheres subjektives Stresserleben und erlebten häufiger Symptome von Burnout, Depressivität und Angststörungen sowie körperliche Beschwerden, etwa Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf-, oder Magen-Darm-Beschwerden. Darüber hätten sie ein etwas geringeres Maß an Engagement im Studium gezeigt – was die Forschenden als einen Indikator für die studienbezogene Motivation ansehen.

Die Daten sind nach Überzeugung der Forschenden eindeutig durch die COVID-19 Pandemie beeinflusst: Über alle Themenbereiche hinweg hätten sich die Studierenden der Freien Universität eine schlechtere Gesundheit zugeschrieben als in der vorangegangenen Befragung 2019; sie hätten zum Teil deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt aus Zeiten vor der COVID-19 Pandemie gelegen. Lediglich die Studienzufriedenheit habe sich im hochschulinternen Vergleich nicht substanziell verändert.

Ressourcen und Anforderungen im Studium

Die Studierenden der Freien Universität Berlin berichteten im Durchschnitt von einem wöchentlichen Zeitaufwand von 44,4 Stunden, von denen 34,6 Stunden auf studiumsbezogene Tätigkeiten entfallen. Durchschnittlich fünf Prüfungsleistungen werden von den Studierenden im Semester der Befragung gefordert, dem Wintersemester 2020/2021. Im Vergleich zur Befragung 2019 wendeten die Studierenden signifikant mehr Zeit für das Selbststudium auf, wohingegen der Zeitaufwand für Wege sowie Erwerbsarbeit signifikant zurückging. Die durchschnittliche Anzahl an Prüfungsleistungen war den Angaben zufolge ebenfalls signifikant größer als in der Vergleichsbefragung des Jahres 2019.

Das Studium an der Freien Universität Berlin wurde von den Befragten im Mittel oft bis sehr oft als geistig herausfordernd beschrieben. Trotz des Studiums von Zuhause hätten die Studierenden ein eher geringes Ausmaß an Einsamkeit und eine ausgewogene Study-Life-Balance erlebt.

Insbesondere die soziale Unterstützung durch Mitstudierende wurde in der aktuellen Befragung signifikant geringer eingeschätzt als in der Befragung 2019. Darüber hinaus wurde das Studium im Mittel als etwas herausfordernder erlebt. Im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt wurden die strukturellen und die sozialen Ressourcen des Studiums – also Zeitspielräume und Mitgestaltungsmöglichkeiten im Studium, das wahrgenommene Qualifikationspotenzial des Studiums sowie die soziale Unterstützung durch Lehrende und (Mit-)Studierende - gleichermaßen zum Teil deutlich geringer eingeschätzt. Auch die Selbstwirksamkeitserwartung – also die Überzeugung, schwierige Anforderungssituationen aus eigener Kraft bewältigen zu können – ist bei Studierenden der Freien Universität Berlin deutlich geringer ausgeprägt als bei Studierenden bundesweit.

Gesundheitsbezogenes Verhalten

Insgesamt erfüllte der Studie zufolge ein Drittel (33,7 %) der Studierenden der Freien Universität Berlin die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Dieser Wert liegt deutlich unter dem einer repräsentativen Vergleichsstichprobe der 18-29-jährigen Deutschen von 43,4 Prozent. Insbesondere die männlichen Studierenden wiesen der Erhebung zufolge geringere Werte hinsichtlich ihrer körperlichen Aktivität auf als der bundesweite Durchschnitt.

Der Konsum von Alkohol und Zigaretten sowie illegalen Substanzen, inklusive Cannabis, war zum Teil deutlich weniger verbreitet als in der Befragung 2019. Der riskante Schmerzmittelkonsum hätte sich mit 5,7% Prozent nicht substanziell im Vergleich zu 2019 verändert, wie das Forschungsteam ferner herausfand. Mit 6,1 Prozent fast doppelt so viele Studierende wie 2019 dagegen hätten Schlafmittel eingenommen. Auch die Anteile an Studierenden mit Ein- und Durchschlafstörungen waren weitaus größer als in der Befragung 2019. Darüber hinaus hatten mehr Studierende der Freien Universität Berlin Beratungsbedarfe, insbesondere zu Themen wie Erschöpfung, psychischen Beschwerden, Studienorganisation sowie Lern- und Konzentrationsproblemen.

Das Forschungsteam stufte insbesondere die im Januar und Februar 2021 erhobenen Daten zum psychischen Befinden der Studierenden als alarmierend ein: „Das Befinden hat sich im Zuge der COVID-19-Pandemie noch einmal drastisch verschlechtert“, betont Dr. Christine Wolter, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Studie. Im Hinblick auf das gesundheitsbezogene Verhalten indes habe sich ein differenziertes Bild ergeben. „Einerseits haben die Studierenden weniger schädliche Substanzen konsumiert, andererseits hat sich das Schlafverhalten verschlechtert, und der Beratungsbedarf ist gestiegen.“

„Zu klären bleibt, welchen Einfluss die moderat ausgeprägten Anforderungen und Ressourcen, die das Studium bietet, auf die Gesundheit und das gesundheitsbezogene Verhalten haben“, konstatiert Dr. Tino Lesener, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Studie. Es stelle sich die Frage, welche Möglichkeiten sich für die Freie Universität Berlin daraus ergeben, die Gesundheit ihrer Studierenden substanziell zu verbessern. Dies werde auch im Mittelpunkt weiterere Erhebungen des Arbeitsbereichs Public Health stehen.

Alle Ergebnisse der Befragung 2021 finden sich hier:

www.fu-berlin.de/gesundheitsbericht

Weitere Informationen zum Projekt Healthy Campus – Freie Universität Berlin:

Gesund studieren: www.fu-berlin.de/healthycampus

Kontakt:

Dr. Christine Wolter, wissenschaftliche Mitarbeiterin Projekt Healthy Campus, Arbeitsbereich Public Health: Psychosoziale Prävention und Gesundheitsforschung, Telefon: 030/ 838-54661, E-Mail: christine.wolter@fu-berlin.de