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Ein Meteorit als Zeuge für den frühsten Vulkanismus im Sonnensystem

Studie eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Freien Universität Berlin veröffentlicht

Nr. 125/2022 vom 28.07.2022

Ein internationales Forschungsteam der Freien Universität Berlin, der Universität Bristol, der Northwest University Xi’an und des Instituts für Geochemie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat im Rahmen einer Studie das Alter eines Meteoriten auf 4566,6 ± 0,6 Millionen Jahre datiert; dies entspricht 0,7 ± 0,6 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems. „Damit ist das Gestein das älteste bisher bekannte Vulkangestein des Sonnensystems“, sagt Dr. Ke Zhu, ehemaliger Alexander von Humboldt-Stipendiat an der Freien Universität und nun Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bristol. Das Alter des Meteoriten, dem sogenannten Erg Chech 002 (EC 002), repräsentiere gleichzeitig ein Mindestalter für die Krustenbildung und damit die großräumige Stofftrennung in Kruste und Mantel. Neben der sogenannten Mangan-Chrom-Methode, mit der die Wissenschaftler das Alter des Meteoriten bestimmten, wertete das Forschungsteam weitere Isotopendaten der Elemente Chrom und Sauerstoff aus. Auf Grundlage der Daten schlossen die Forschenden auf eine Verwandtschaft des EC 002 mit einer anderen Gruppe von Meteoriten, den Brachiniten. Diese stammen aus dem inneren Sonnensystem. „Unterschiede in den chemischen Zusammensetzungen von EC 002 und den Brachiniten könnten auf eine variable Zusammensetzung des Mutterkörpers oder auf die Existenz mehrerer Körper aus der gleichen Herkunftszone hinweisen“, erklärt Professor Harry Becker von der Freien Universität Berlin. Das Forschungsteam vermutet, dass der Mutterkörper von EC 002 innerhalb weniger hunderttausend Jahre gewachsen sein muss, was wiederum mit den Zeitskalen astrophysikalischer Wachstumsmodelle solcher Körper übereinstimmt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters veröffentlicht.

In bisherigen Untersuchungen wurde gezeigt, dass der 2020 in Algerien gefundene EC 002 verfestigtes Magma darstellt, welches als Vulkangestein nahe der Oberfläche des Mutterkörpers neue Kruste bildete. Shi-Jie Li, Wissenschaftler am Institut für Geochemie der Chinesischen Akademie für Wissenschaften vermutet aufgrund des hohen Alters, dass der Meteorit von einem Asteroiden und damit von einem eher kleinen Körper stammt. „Größere Gesteinsplaneten weisen in der Regel jüngere Alter auf“, sagt er. Der Meteorit enthält relativ viel Silizium und ähnelt dem Gestein Andesit auf der Erde, was auf eine chemisch heterogene Kruste des Mutterkörpers im Vergleich zur typischen basaltischen Kruste von Asteroiden hindeutet. Wärmequelle für diesen frühen Magmatismus auf Asteroiden ist der radioaktive Zerfall von 26-Aluminium, das bei der Entstehung des Sonnensystems vorhanden war, dann aber schnell zerfiel.

Technologische Fortschritte haben in den vergangenen 20 Jahren zu wichtigen Erkenntnissen über die Entstehung sowie die frühe geologische Entwicklung von Planeten und Asteroiden geführt. Durch die Simulation physikalischer Prozesse mit Computern gilt es als wahrscheinlich, dass Asteroide und Gesteinsplaneten nach der Entstehung des Sonnensystems in geologisch kurzer Zeit – in wenigen hunderttausend Jahren bis etwa hundert Millionen Jahre – auf ihre heutige Größe gewachsen sind. Solche Hypothesen können mit verbesserten Methoden der Isotopenanalyse zur Herkunfts- und Altersbestimmung von Meteoriten überprüft werden. Wie die neue Studie zeigt, lassen sich mit diesen Methoden geringe Zeitunterschiede von einigen hunderttausend Jahren für geologische Prozesse auf 4,6 Milliarden Jahren alten Mutterkörpern von Meteoriten nachweisen.

Pressefoto

Rückstreuelektronenbild des Gefüges eines Dünnschliffes von EC 002. Große Kristalle des Minerals Orthopyroxen finden sich in einer feinkörnigen Matrix aus Feldspat, Pyroxen und anderen Mineralen. Die Länge des Balkens in der Bildüberschrift ist 2 mm.

Rückstreuelektronenbild des Gefüges eines Dünnschliffes von EC 002. Große Kristalle des Minerals Orthopyroxen finden sich in einer feinkörnigen Matrix aus Feldspat, Pyroxen und anderen Mineralen. Die Länge des Balkens in der Bildüberschrift ist 2 mm.
Bildquelle: Shi-Jie Li

Weitere Informationen

Kontakt

Prof. Dr. Harry Becker, Institut für Geologische Wissenschaften, Freie Universität Berlin, E-Mail: hbecker@zedat.fu-berlin.de, Tel. +49 30 83870668

Publikation

Zhu, K., Becker, H., Li, S.-J., Fan, J., Liu, X.-N., Elliott, T.: Radiogenic chromium isotope evidence for the earliest planetary volcanism and crust formation in the Solar system. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters, 515, L39-L44. https://doi.org/10.1093/mnrasl/slac061