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Die populärste Texttradition der Vormoderne, von der noch niemand gehört hat

Arts and Humanities Research Council und Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligen Projekt der Freien Universität Berlin und der schottischen Universität St. Andrews über vormodernes Textcorpus

Nr. 239/2022 vom 11.12.2022

Der britische Arts and Humanities Research Council und die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördern ein Projekt der Freien Universität Berlin und der schottischen University of St. Andrews zur Erforschung des einst populären, aber heute weitgehend auch in Fachkreisen unbekannten Narrativs von „The Seven Sages of Rome“. Bewilligt wurde das Vorhaben von Prof. Dr. Jutta Eming vom Institut für Deutsche und Niederländische Philologie (Ältere deutsche Literatur und Sprache) der Freien Universität und von Prof. Dr. Bettina Bildhauer von der University of St. Andrews. Im Mittelpunkt des Projekts „The Seven Sages of Rome: editing and reappraising a forgotten premodern classic from global and gendered perspectives“ stehen globale Perspektiven der Literaturgeschichtsschreibung und Aspekte der Genderforschung. Die DFG und der britische Arts and Humanities Research Council unterstützen das Projekt im Rahmen einer gemeinsam ausgerichteten Förderlinie für Kooperationen in den Geisteswissenschaften über drei Jahre mit insgesamt rund einer Million Euro. Die Forschenden nehmen ihre Arbeit im Frühjahr 2023 auf.

Die „Seven Sages of Rome“, auf Deutsch vor allem bekannt als „Sieben weise Meister“, in anderen Sprachen auch als „Vierzig Wesire“, repräsentiert die wichtigste Texttradition der Vormoderne, die nach dem 19. Jahrhundert weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Es ist die erklärte Absicht der Professorinnen Jutta Eming und Bettina Bildhauer, dies zu ändern. Die häufig wegen ihrer Teilung in Rahmen- und Binnenerzählung(en) eher behelfsmäßig als ‚Erzählsammlung‘ bezeichnete Narration, die in mindestens 30 Sprachen von Zentralasien nach Island über mehr als 500 Jahre überliefert wurde, erzählt gewissermaßen eine mittelalterliche #metoo-Geschichte. Es geht um einen falschen Vergewaltigungsvorwurf zwischen einem schweigenden Prinzen und seiner jungen Stiefmutter an einem kaiserlichen Hof und um die Unmöglichkeit, die Wahrheit erzählend zu ermitteln. In vielen Textversionen wird die Protagonistin am Ende mit dem Tode bestraft.

„Ein wesentliches Ziel des Projekts liegt darin, die Gender-Politik des Erzählzyklus‘ vergleichend neu zu bewerten“, betont Jutta Eming. Darüber hinaus werde ein Repertorium aller bekannten und teilweise noch nicht bekannten Textversionen hergestellt; dazu werde – unter Mitarbeit der Niederlandistin PD Dr. Rita Schlusemann – die frühe niederländische Überlieferung editiert und ins Englische übersetzt. „Wir wollen die „Seven-Sages“-Überlieferung als Beispiel einer globalen vormodernen Texttradition unter gattungs- und literaturgeschichtlichen Aspekten analysieren.“ Das Anliegen der am Projekt Beteiligten sei es, damit auch der dezentralen internationalen „Seven-Sages“-Forschung neue Impulse zu verschaffen und deren Vernetzung zu stärken.

Weitere Informationen und Interview-Möglichkeiten

  • Prof. Dr. Jutta Eming, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030/838-54213, E-Mail: j.eming@fu-berlin.de
  • Prof. Dr. Bettina Bildhauer, Director of Research, School of Modern Languages, University of St Andrews, E-Mail: bmeb@st-andrews.ac.uk