Springe direkt zu Inhalt

Können Gesten das Erlernen von Fremdsprachen erleichtern?

Studie aus dem Arbeitsbereich Didaktik des Englischen an der Freien Universität Berlin zeigt positiven Einfluss durch den systematischen Einsatz von Handzeichen im Englisch-Unterricht

Nr. 021/2023 vom 02.02.2023

Von Lehrkräften gezielt eingesetzte Gesten können Kindern und Jugendlichen das Verstehen von grammatikalischen Regeln einer Fremdsprache erleichtern – zu diesem Schluss kommt eine neue Studie vom Institut für Englische Philologie der Freien Universität Berlin. Die Forscherin Natasha Janzen Ulbricht hat untersucht, wie unterschiedliche Handbewegungen zum prozeduralen Lernen während des Unterrichts beitragen können. Im Fokus standen dabei grammatikalische Morpheme im Englischen – also von der Grammatik vorgegebene Wortbestandteile wie etwa das Plural{-s} und das Possessivum{-s}. Im Rahmen der Studie wurde die neue Lehrmethode in einer Schulklasse erprobt. Bei anschließenden Tests zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche die mithilfe von Gesten vermittelten grammatikalischen Regeln leichter verinnerlicht hatten und diese Regeln schneller anwenden konnten. Das Forschungsergebnis legt nahe, die Lehrmethode weiter zu verfeinern und bei der Ausbildung von Lehrkräften in der Fremdsprachendidaktik zu berücksichtigen. Publiziert wurde die Studie im Journal „Plos One“ im Februar 2023.

Für etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist die Schulsprache nicht die erste oder einzige Erstsprache. Deshalb sei es wichtig, das Erlernen von Sprache und das Verständnis ihrer Grammatik zu unterstützen – Gesten könnten dabei ein Hilfsmittel sein, zumindest bei bestimmten Lehreinheiten. „Es gibt bereits einige neurokognitive Belege dafür, dass Gesten eng mit der gesprochenen Sprache verbunden sind und dass Gesten das Gedächtnis beim Sprachenlernen schulen“, erklärt Natasha Janzen Ulbricht. Ähnlich wie der Blick auf eine geschriebene Notiz könne auch ein Handzeichen dabei helfen, sich zu erinnern. Während gesprochene Wörter flüchtig und abstrakt erschienen, böten Gesten eine konkrete physische Referenz für Lernende, sagt die Wissenschaftlerin.

Wörter und auch Sätze bestehen aus einer Abfolge von Bedeutungseinheiten und grammatikalischen Elementen – sogenannten Morphemen. Die Herausforderung beim Spracherwerb sei es der Forscherin zufolge, diese Einheiten richtig anzuordnen und das jeweils nächste Element „vorherzusagen“. Bei diesem prädiktiven Prozess können kodifizierte Lehrgesten eine Hilfestellung geben, etwa wenn Lernende Probleme haben, ein Plural{-s} von einem Possessivum{-s} zu unterscheiden. „Handzeichen bieten hier die Möglichkeit, grammatikalische Morpheme, die sich in ihrer Bedeutung unterscheiden, aber gleich klingen, visuell unterscheidbar zu machen“, sagt Natasha Janzen Ulbricht. Da Gesten unabhängig von einer bestimmten Erstsprache sein können, erscheine die Lehrmethode als besonders nützlich, wenn mehrsprachige Schüler*innen unterrichtet werden.

Natasha Janzen Ulbricht arbeitet als Wissenschaftlerin für Angewandte Linguistik im Arbeitsbereich Didaktik des Englischen an der Freien Universität Berlin und erforscht die Möglichkeiten von bewegungsbasierten Lehrmethoden. Die Wissenschaftlerin ist auch mit der Praxis der Sprachvermittlung vertraut – als Englisch-Trainerin und Ausbilderin für Lehrkräfte war sie bereits u.a. in Deutschland, Sambia und den USA tätig. (rr)

Weitere Informationen

Publikation

Janzen Ulbricht, N. (2022): Can grammatical morphemes be taught? Evidence of gestures influencing second language procedural learning in middle childhood, Plos One. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0280543

Kontakt

Natasha Janzen Ulbricht, Institut für Englische Philologie an der Freien Universität Berlin, E-Mail: nju@zedat.fu-berlin.de