Springe direkt zu Inhalt

Tödliche Klimazerstörung: Sprachwissenschaftler plädiert für medizinische Sprache in der Klimakommunikation

Neue Studie zu Klimakommunikation in Fachmagazin erschienen

Nr. 152/2024 vom 23.07.2024

„Globale Erwärmung“, „Treibhauseffekt“, „Klimakatastrophe“: Diese Begriffe werden in der öffentlichen Debatte über die drohenden Folgen des Klimawandels in Deutschland und international am häufigsten verwendet. Diese Begriffe scheinen allerdings nicht sehr effektiv zu sein: „Eines der zentralen Probleme der derzeitigen Klimakommunikation besteht darin, dass sie die Ernsthaftigkeit des Problems nicht zum Ausdruck bringt. Die Sprache selbst stellt ein Hindernis für eine offene gesellschaftliche Debatte und die notwendigen politischen und rechtlichen Regelungen dar“, sagt der Neurolinguistiker der Freien Universität Berlin, Dr. Bálint Forgács. In einer neu erschienenen Studie schlägt er eine medizinische Terminologie als neue Methode zur Klimakommunikation vor, um in öffentlichen Debatten zu produktiveren politischen Lösungen zu kommen.

Die im Fachmagazin „Frontieres in Climate“ erschienenen Studie "A medical language for climate discourse" zeigt, dass die bisherige wissenschaftliche Kommunikation rund um den Klimawandel häufig missverstanden wird oder nicht die nötige Dringlichkeit vermittelt. Dies liegt an der oft euphemistischen und technisch-jargonhaften Sprache, die von Klimaforschenden häufig verwendet wird. Diese Sprache entspricht zwar den wissenschaftlichen Normen der Zurückhaltung und Bescheidenheit, doch die versteckten Implikationen erschweren es Nicht-Experten, die Schwere der Klimakrise vollständig zu begreifen.

Kernergebnisse der Studie:

1. Metaphorische Sprache und ihre Auswirkungen: Wissenschaftliche Metaphern können mehrdeutig sein und aufgrund ihrer Ausdruckskraft den Diskurs unverhältnismäßig stark beeinflussen. Diese Mehrdeutigkeit kann jedoch zu Missverständnissen führen, besonders bei nicht-wissenschaftlichem Publikum.

2. Vorschlag einer medizinischen Terminologie: Durch die Verwendung medizinischer Begriffe könnten Klimafragen in einem Kontext dargestellt werden, der lebensrettende Maßnahmen betont. Beispielsweise könnte man klimatische Kipppunkte als „Metastasen“ beschreiben, was eine ernstere und dringlichere Reaktion hervorruft.

3. Verbesserung der politischen Debatten: Eine sprachliche Umstellung von technischer Forschung hin zu einem medizinischen Kontext könnte dazu beitragen, eine ehrliche Bewertung der notwendigen rechtlichen und regulatorischen Schritte zur Erhaltung der Lebensfähigkeit unseres Planeten zu fördern.

4. Vergleich zu anderen Risikobereichen: Die Studie stellt fest, dass die Umsetzung von wissenschaftlichem Wissen in der Klimapolitik im Vergleich zu anderen Bereichen mit hohem Risiko, wie der Luftfahrt oder der Medizin, deutlich zurückbleibt. Diese Bereiche regulieren Verantwortung und Sicherheit strenger, was in der Klimapolitik bisher nicht im gleichen Maße der Fall ist.

Der Neurowissenschaftler hebt hervor, dass die aktuelle Klimasprache oft positive Emotionen (z.B. „grün“, „öko-freundlich“) oder passive Töne (z.B. „Katastrophe“, „Krise“) verwendet, die die Dringlichkeit der Situation abschwächen. Der Einsatz einer negativeren (z.B. „globale Überhitzung“, „globale Verbrennung“), aktiveren (z.B. „Klimazerstörung“, „Klimaselbstmord“), und direkteren Sprache (z.B. „Hochofeneffekt“) könnte die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger dazu motivieren, effektiver zu handeln.

 

Ausblick und Empfehlungen:

„Die Einführung einer medizinischen Sprache in der Klimakommunikation könnte einen Paradigmenwechsel darstellen. Dieser Ansatz könnte helfen, die Ernsthaftigkeit der Klimakrise klarer zu kommunizieren und eine breitere Akzeptanz für notwendige Maßnahmen zu schaffen“, betont Bálint Forgács. Forschende, Medienschaffende und Aktivist*Innen sollen mit der Studie ermutigt werden, neue, kraftvolle und emotionale Metaphern zu entwickeln und zu verbreiten, die die Dringlichkeit und die Risiken des Klimawandels prägnant und verständlich darstellen. (cxm)

Weitere Informationen

Kontakt

  • Dr. Bálint Forgács, Freie Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Arbeitsbereich Allgemeine und Neurokognitive Psychologie, E-Mail: forgacsb@zedat.fu-berlin.de