Antiker Hörsaal im Gymnasium von Agrigent entdeckt
Archäologen legen bei Ausgrabungen auf Sizilien einzigartiges Ensemble der Antike frei
Nr. 055/2025 vom 09.04.2025
Archäologen haben zwei außergewöhnliche Entdeckungen im italienischen Agrigent an der Südwestküste Siziliens zu Tage gefördert. Bei Ausgrabungen im März 2025 legte ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Monika Trümper und Dr. Thomas Lappi von der Freien Universität Berlin einen antiken Hörsaal frei, der einzigartige Einblicke in die Ausbildung junger Bürger in der antiken Stadt bietet. Dieser Hörsaal, Teil eines beeindruckenden Gymnasiums, belegt die hohe Bedeutung von intellektueller neben körperlicher Ausbildung. Ein weiterer bemerkenswerter Fund sind zwei Inschriftenblöcke, die spannende Details über das soziale Leben der Stadt zu jener Zeit enthüllen. Das von den Forschenden freigelegte antike Ensemble ist das einzige bekannte dieser Art im westlichen Mittelmeerraum.
Drohnenfoto des bei Ausgrabungen entdeckten Gymnasiums in Agrigent.
Bildquelle: Thomas Lappi – Monika Trümper, © FU Berlin, Institut für Klassische Archäologie
Das Gymnasium war in antiken griechischen Städten der zentrale Ort, an dem junge Männer körperlich und intellektuell auf ihre zukünftigen Aufgaben als Bürger vorbereitet wurden – es war eine Mischung aus Fitness-Center und Schule. Ab dem 4. Jh. v. Chr. errichteten die Städte große Komplexe mit Laufbahnen, Badevorrichtungen und Räumen, in denen die jungen Männer trainieren und lernen konnten. Auch die Stadt Agrigent, die um 580 v. Chr. als größte griechische Kolonie in Sizilien gegründet wurde, besaß ein Gymnasium. Dies war in der Forschung schon als ein Bau der Superlative bekannt, weil es bislang der einzige bekannte Komplex im westlichen Mittelmeerraum ist, der 200 m lange Laufbahnen und ein großes Schwimmbecken bot.
Die Sonderstellung wurde bei jüngsten Ausgrabungen bestätigt, die ein Team der Freien Universität Berlin im März 2025 in Kooperation mit dem Politecnico di Bari und dem Parco Archeologico Valle dei Templi di Agrigento durchgeführt hat und die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurden. Das Team hat einen antiken Hörsaal (Auditorium) freigelegt, ein kleines überdachtes Theater, in dem auf acht ansteigenden, halbrund angeordneten Sitzreihen etwa 200 Personen Platz fanden. Als das Gymnasium im 2. Jh. v. Chr. errichtet wurde, bot kein anderes derzeit bekanntes Gymnasium der antiken Welt einen solchen Hörsaal. Erst 250-300 Jahre später erhielt das große Gymnasium in Pergamon (Türkei) ein theater-ähnliches Auditorium. Der Hörsaal in Agrigent öffnete sich auf einen großen (11 x 23 Meter) Saal mit Bänken, der ebenfalls für intellektuelle Aktivitäten wie Unterricht, Vorführungen und Wettbewerbe genutzt werden konnte. Das einzigartige Ensemble legt nahe, dass die Bauherren des Gymnasiums dem „gesunden Geist“ genauso viel Bedeutung beimaßen wie dem „gesunden Körper“.
In der halbrunden Orchestra des Hörsaals, wo einst Lehrer und Schüler vor Publikum auftraten, wartete eine weitere Sensation auf das Grabungsteam. Dort wurden zwei große Blöcke mit einer griechischen Inschrift gefunden, deren Buchstaben in den weiß verputzten weichen Kalkstein graviert und mit roter Farbe hervorgehoben wurden. Erwähnt werden ein Gymnasiarch, der Leiter des Gymnasiums, und die Erneuerung des Dachs des Apodyteriums (Umkleideraum), die ein großzügiger Bürger aus eigenen Mitteln finanziert und den Göttern des Gymnasiums, Hermes und Herakles, geweiht hat. Obwohl das antike Agrigent über 1000 Jahre besiedelt war, haben sich nur sehr wenige Inschriften erhalten, die wie der Neufund Einblicke in das soziale Leben der Stadt gewähren können. Die Buchstabenform legt nahe, dass die Inschrift im späten 1. Jh. v. Chr. graviert wurde, als Agrigent längst unter römischer Herrschaft stand. Trotzdem hat man weiterhin die griechische Sprache, griechische Ämter und Traditionen gepflegt und das griechische Gymnasium als zentrale Ausbildungsstätte der Jugend weiter genutzt und instandgehalten.
Bei der für 2026 geplanten Kampagne hofft das Team, weitere Sport- und Unterrichtsräume nördlich des Auditoriums freizulegen und weitere Inschriften zu finden, die das Leben im antiken Gymnasium von Agrigent rekonstruieren lassen.
Weitere Informationen
- Mehr zu den aktuellen Grabungen in Agrigent: https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/klassarch/forschung/projekte/agrigent/index.html
Kontakt:
- Prof. Dr. Monika Trümper, Freie Universität Berlin, Institut für Klassische Archäologie, E-Mail: monika.truemper@fu-berlin.de
- Dr. Thomas Lappi, Freie Universität Berlin, Institut für Klassische Archäologie, E-Mail: thomas.lappi@fu-berlin.de