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Das Schweigen der Geigen

Wissenschaftler der Freien Universität untersucht den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm

27.04.2011

Licht aus, Ton an: Bei der „Langen Nacht der Wissenschaft“ an der Freien Universität vertonten Sinfoniker des Collegium Musicum einen Stummfilm.

Licht aus, Ton an: Bei der „Langen Nacht der Wissenschaft“ an der Freien Universität vertonten Sinfoniker des Collegium Musicum einen Stummfilm.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Ohne Klang kein Kinoerlebnis – dieses Verhältnis zwischen Bild und Ton prägte auch die frühen Anfänge des Films. Am musikwissenschaftlichen Seminar der Freien Universität Berlin beschäftigen sich Forscher unter der Leitung von Professor Albrecht Riethmüller im Rahmen des „German Film Music Project“ mit der Geschichte der Filmmusik in Deutschland.

Peter Moormann widmet sich derzeit vor allem der Filmmusik der 1920er und 1930er Jahre sowie dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Vieles, was der Kinobesucher im 21. Jahrhundert an Klangwelten aus Hollywood kennt, wurde damals erfunden. Im Gegensatz zu heutigen Multiplex-Kinos, die die Zuschauer über Dolby-Surround-Anlagen mit Musik und Geräuschen rundum beschallen, war die Musik im Film anfangs noch viel Handwerk.

Schon die allererste Filmvorführung der Brüder Lumière 1895 in Paris wurde auf dem Klavier begleitet. Im Ufa-Palast, dem damals größten Berliner Kino mit mehr als 2000 Plätzen, sorgte zum Beispiel ein 75-Mann-Orchester für musikalische Untermalung. „Wenn man diese Dimensionen sieht, kann man verstehen, warum die Einführung des Tonfilms auf so viele Widerstände stieß: Viele Orchestermusiker, die ausschließlich Filmmusik machten und dafür eingestellt worden waren, verloren ihre Arbeit“, sagt Peter Moormann.

Bereits ein Jahr nach der Einführung des Tonfilms in Deutschland 1929 hatte mehr als die Hälfte der Kino-Musiker keine Anstellung mehr. Mit allen Mitteln kämpften sie gegen den Fortschritt des Tonfilms an. Auch aus ästhetischer Sicht wurde der Tonfilm kritisiert, jedoch ohne Erfolg. Denn die Einzigen, die sich von der Kritik kein bisschen beeindrucken ließen, waren die Zuschauer. „Das Publikum akzeptierte den Tonfilm sofort, damit war die Diskussion sehr schnell erledigt“, sagt Peter Moormann.

An der Filmmusik der frühen Kinozeit fasziniert ihn vor allem, mit welcher Intention Ton und Musik eingesetzt wurden und wie sich allmählich Hörgewohnheiten im Kino etablierten, die bis heute gelten. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit sind Standardsituationen und die Genreabhängigkeit von Filmmusik. „Für eine Liebesszene im Film hat man sofort eine bestimmte Musik im Kopf, Geigen etwa“, erklärt Peter Moormann. „Oder eine Situation des Aufbruchs – auch hier gibt es bestimmte Module, die Komponisten immer wieder gerne anwenden. Zum Beispiel ein Rüstungsthema mit militärmusikalischen Komponenten – Trommeln, ein antreibendes Tempo, ein Militärorchester.“

Lange hat sich  Peter Moormann mit dem letzten großen Filmkomponisten der Stummfilmzeit, Gottfried Huppertz, beschäftigt. Dieser hatte die Musik zu den Großproduktionen „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ von Fritz Lang komponiert. Peter Moormann verbrachte mehrere Wochen in verschiedenen Archiven, in denen er nicht nur ein komplettes Werkverzeichnis von Huppertz fand, sondern auch ungeöffnete Briefe und andere bisher unbekannte Quellen.

Weitere Informationen

  • Dr. Peter Moormann, Institut der Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin,
    Telefon: (030) 838-50370, E-Mail: peter.moormann@fu-berlin.de