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Bits, Bytes und ein bisschen Beethoven

Musikwissenschaftler der Freien Universität Berlin forschen zum Genre Computerspielmusik

02.01.2012

Singen mit Lara Croft und Jak: Der Erich-Fried-Chor Berlin singt den Soundtrack von Civilization IV "Baba Yetu" im Computerspielemuseum in der Karl-Marx-Allee 93 a in Berlin-Friedrichshain.

Singen mit Lara Croft und Jak: Der Erich-Fried-Chor Berlin singt den Soundtrack von Civilization IV "Baba Yetu" im Computerspielemuseum in der Karl-Marx-Allee 93 a in Berlin-Friedrichshain.
Bildquelle: Andreas Lange

Im vergangenen Jahr trat der junge Pianist Benyamin Nuss im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie mit einem reinen Computerspielmusik-Programm auf – und wurde von Kritikern und Publikum gefeiert. Auch die Musikwissenschaft hat die Klänge aus der Konsole entdeckt: Seit mehreren Jahren wird dazu geforscht, vor allem in den USA und Kanada. In Europa gibt es bisher noch nicht allzu viele wissenschaftliche Publikationen. Musikwissenschaftler der Freien Universität arbeiten nun an einem ersten Überblickswerk zu dem neuen Genre.

„Die Forschung befindet sich noch in den Kinderschuhen. Erst allmählich erkennt die Öffentlichkeit die Relevanz dieses Genres an – dabei ist Computermusik schon lange ein fester Bestandteil unserer Kultur“, sagt Peter Moormann. Der promovierte Musikwissenschaftler ist Herausgeber des Buches „Music and Game – Perspectives on a Popular Alliance“, das dieses Jahr erscheinen soll.

Moormann, geboren 1979, gehört zu einer Generation, die mit Computerspielen groß geworden ist. Für die emotionale Bindung spielt die Musik eine große Rolle, wie er aus eigener Erfahrung und Erinnerung an die ersten Spiele von Atari und Nintendo weiß. „Man kann sich der Kraft dieser Musik kaum erwehren: Wer heute als Erwachsener ,Tetris‘ spielt, hat sofort wieder bestimmte Bilder und Gefühle aus seiner Kinder- und Jugendzeit im Kopf, die einem schon lange nicht mehr präsent waren.“

Für die musikalische Sozialisation ist Computermusik mittlerweile ähnlich wichtig wie die Hits der Top-Ten. Tatsächlich gibt es in der Game-Boy-Generation wohl niemanden, der bei der Melodie des russischen Volksliedes „Korobeiniki“ nicht an endlos lange Stunden „Tetris“ und die späten achtziger Jahre denkt.

In den grauen Anfängen des Computerzeitalters waren die ersten Spiele noch stumm. Fehlender Speicherplatz begrenzte lange die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten: „Pong“ von 1972 kam mit drei kurzen Piepsern aus. Der Soundtrack zu „Space Invaders“, einem der erfolgreichsten Spiele der frühen achtziger Jahre, bestand aus ganzen vier Tönen, die im Verlauf des Spiels immerhin ihr Tempo änderten. Zwanzig Jahre später ist das nervtötende Gedudel in Endlos-Schleife Geschichte. Die komplexen Kompositionen, die heute im Hintergrund der Spiele laufen, sind über einstündige Werke, die mit großem Orchester den virtuellen Welten große Gefühle und Leben einhauchen sollen.

Denn mit der Komplexität der Spiele steigt auch die Anforderung an die Musik. Inzwischen können die Spieler mit dem Soundtrack interagieren. Und so erklingt zu virtuellen Kampfszenen mit Drachen oder feindlichen Soldaten eine andere Musik als etwa zu Dialogen oder Liebesszenen. Je besser Musik und Spielverlauf zusammenpassen, umso packender wird es für den Nutzer.

Gregor Herzfeld von der Freien Universität beschäftigt sich mit der Frage, welche musikalischen Techniken bei Computerspielen eingesetzt werden, um die entsprechende Atmosphäre von Horror, Angst oder Spannung zu vermitteln. Er kommt zu der Erkenntnis, dass diese Techniken für das 21. Jahrhundert oft erstaunlich konventionell sind: „Ähnlich wie bei der Filmmusik stammen bei Computerspielen viele Klang-Topoi aus dem romantischen Repertoire“, sagt Herzfeld. Wenn es im Computerspiel gruselig wird, kommen Cello oder Bass zum Einsatz – ganz wie in einem Horror-Film. Schmerz und Abschied wird auch am Computer von klassischen „Trauer-Instrumenten“ wie Fagott oder Oboe untermalt.

Ein Patent-Rezept, wie die Musik das Gefühl beim Spieler beeinflusst, gebe es jedoch auch in der virtuellen Welt nicht, hat Gregor Herzfeld festgestellt: „Da läuft vieles über das Unterbewusstsein.“ Dass sich die Grenzen zwischen reeller und virtueller Welt gerade musikalisch weiter annähern, ist für viele Musikwissenschaftler eine der spannendsten Entwicklungen bei neuen Videospielen.

Weitere Informationen

  • Dr. Peter Moormann, Institut der Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin, Telefon: (030) 838-50370, E-Mail: peter.moormann@fu-berlin.de
  • Dr. Gregor Herzfeld, Institut der Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin, Telefon: (030) 838-503 07, E-Mail: gregor.herzfeld@fu-berlin.de