Springe direkt zu Inhalt

Gerüstbauer unterm Mikroskop

Ein neuer Sonderforschungsbereich an der Freien Universität untersucht Proteinstrukturen an der Zellmembran

31.01.2012

Ein neuer Sonderforschungsbereich an der Freien Universität untersucht Proteinstrukturen an der Zellmembran

Ein neuer Sonderforschungsbereich an der Freien Universität untersucht Proteinstrukturen an der Zellmembran
Bildquelle: David Ausserhofer

Es ist wie auf jeder guten Baustelle: Wo etwas getan werden muss, wird zunächst einmal ein Gerüst aufgestellt. Größere Bauvorhaben benötigen komplexe Gerüste, die länger stehen, kleinere bekommen einfache Gerüste, die schnell abgebaut werden können. Im Grunde funktioniert das an und in den Zellen ganz ähnlich, nur dass es dort nicht Stahlträger und -rohre sind, sondern Proteine, die an der Zellmembran ein solches Gerüst aufbauen. Mit deren Hilfe werden zum Beispiel Membran-Bläschen abgeschnürt, die dann ihren Inhalt nach außen entleeren oder in das Zellinnere wandern. So kommuniziert die Zelle mit anderen über Botenstoffe, etwa bei den Nervenzellen.

Oder sie schüttet auf diese Weise – wie beispielsweise eine Immunzelle – Gifte aus, mit deren Hilfe Eindringlinge bekämpft werden. Solche Gerüste werden aber auch benötigt, um Muskelvorläuferzellen zu einer Muskelzelle zu verschmelzen – das ist dann schon eine größere zelluläre Baustelle. Schließlich werden auch Hormone genau über diesen Mechanismus ausgeschüttet.

„Die Proteingerüste erfüllen enorm wichtige Funktionen, werden aber noch kaum verstanden“, sagt Volker Haucke, Professor für Membranbiochemie und Molekulare Zellbiologie an der Freien Universität. Deshalb hat Haucke mit Kollegen erfolgreich einen Sonderforschungsbereich bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) beantragt, um interdisziplinär dem Rätsel der Gerüste auf die Spur zu kommen. Mit dabei sind Chemiker, Biochemiker, Biologen, Mathematiker, Physiker und Mediziner, vorrangig von der Freien Universität und der Charité, der gemeinsamen medizinischen Fakultät von Freier Universität und Humboldt-Universität. Beteiligt sind außerdem Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam. Die DFG empfahl den Antrag uneingeschränkt zur Förderung.

Zunächst vier Jahre lang können Volker Haucke und seine Kollegen nun mithilfe von rund zwei Millionen Euro pro Jahr forschen, eine Verlängerung auf bis zu zwölf Jahre ist möglich. Die Schwierigkeiten bei der Erforschung der Gerüste sind vor allem technischer Natur: Nur rund 100 Nanometer sind die Gerüststrukturen groß – ein Nanometer ist gerade einmal ein milliardstel Meter. Mit den bisherigen Mikroskopen geraten die Forscher in ein Dilemma: Es gibt solche, die einzelne Moleküle zeigen können und solche, in denen „live“ ein Prozess zwischen den Molekülen beobachtet werden kann, aber kein Gerät, das beides vermag. Solche Apparate aus kommerziellen Komponenten zu bauen, ist Teil des Sonderforschungsbereichs.

Die Beobachtung der Abläufe ist für das Verständnis der Vorgänge zentral: Manche Gerüste werden in Millisekunden auf- oder abgebaut, etwa bei den Nervenzellen. Bei den Muskelvorläuferzellen dauert der Gerüstbau hingegen mehrere Minuten bis zu einer Stunde. Von der ersten Fördertranche werden die Wissenschaftler deshalb ein Mikroskop bestellen, das einen guten Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Auflösung bietet. Solch ein Gerät gibt es bislang nur ein Mal in Deutschland.

Die Forschungsergebnisse fließen direkt zurück in die Lehre, sagt Volker Haucke. Biochemie-Studierende etwa werden an den neuen Geräten forschen und dort die fortgeschrittenen Mikroskopie-Techniken erlernen. Außerdem umfasst der Sonderforschungsbereich ein Graduiertenkolleg, an dem im ersten Förderabschnitt 25 Doktoranden forschen werden. Volker Haucke verspricht sich vom Sonderforschungsbereich wichtige Ergebnisse, vor allem für die Medizin. Denn gerade in der Krebsforschung, aber auch beim Verständnis von Autismus und Epilepsie sind die molekularen Gerüste von großer Bedeutung.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Volker Haucke, Institut für Chemie und Biochemie - Biochemie der Freien Universität Berlin, Tel.: (030) 838 - 56922, E-Mail: volker.haucke@fu-berlin.de