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„Der Faschismus wollte die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg verändern“

Hannah Malone ist Alexander-von-Humboldt-Forschungsstipendiatin am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin

05.03.2018

Das Ossarium auf dem Berg Monte Grappa im Norden Italiens hat gigantische Ausmaße.

Das Ossarium auf dem Berg Monte Grappa im Norden Italiens hat gigantische Ausmaße.
Bildquelle: Hannah Malone

Hannah Malone in ihrem Büro im Kunsthistorischen Institut der Freien Universität.

Hannah Malone in ihrem Büro im Kunsthistorischen Institut der Freien Universität.
Bildquelle: Leonie Schlick

„Politisch Mächtige haben von jeher den Tod auf bemerkenswerte Weise instrumentalisiert“, sagt Hannah Malone. Die irische Wissenschaftlerin, die zuvor in Cambridge geforscht hat, sitzt in ihrem Büro im Kunsthistorischen Institut der Freien Universität in der Dahlemer Koserstraße. Von dort taucht sie täglich in das Italien der 1930er Jahre ein. „Ich beschäftige mich mit den Denkmälern, die während des italienischen Faschismus für gefallene Soldaten des Ersten Weltkriegs errichtet worden sind“, erläutert Hannah Malone. Dadurch hätten die Faschisten die Erinnerung an diesen Krieg im Nachhinein positiv konnotieren wollen.

Malones Forschungsarbeit verbindet Kunst- und Architekturgeschichte

Zwei Jahre lang wird sich die Kunsthistorikerin dem Forschungsprojekt „Death, architecture and propaganda: Italy’s Fascist ossuaries of the First World War” widmen – die Ergebnisse will sie in einer Monografie versammeln.

Weil ihr Forschungsthema interdisziplinär angelegt ist, wird Malone an der Freien Universität von zwei Professoren des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften betreut: von dem Kunsthistoriker Christian Freigang, der sich mit Architekturgeschichte beschäftigt, und von dem Historiker Oliver Janz.

Malones Forschung schließt an die ihrer Betreuer an

Christian Freigang zählt den Zusammenhang von autoritären Staatskonzeptionen und moderner Architektur, vor allem in Frankreich und Deutschland, zu seinen Forschungsfeldern. Seine Mitarbeiterin, die promovierte Kunsthistorikerin Christine Beese, hat zudem eine gewichtige Studie zum Städtebau im italienischen Faschismus veröffentlicht. „Hannah Malone passt perfekt in einen Schwerpunkt am Arbeitsbereich des Kunsthistorischen Instituts“, hebt Freigang hervor.

Oliver Janz, der selbst zur Geschichte des Ersten Weltkriegs forscht und einer von drei Gründungsherausgebern der an der Freien Universität koordinierten Internationalen Online-Enzyklopädie „1914-1918-online“ ist, hatte Hannah Malone 2015 auf einer Konferenz in Oxford auf die Möglichkeit des Humboldt Research Fellowships für Postdoktoranden aufmerksam gemacht. „Mich hat ihre Forschung sehr interessiert, weil sie an meine anschließt“, sagt Janz.

Die faschistischen Denkmäler in Italien seien praktisch nicht erforscht, sagt Janz. Während beispielsweise in Frankreich „La Grande Guerre“ schon immer positiv wahrgenommen worden sei, sei der Erste Weltkrieg in Italien zunächst „wenig populär“ gewesen, nicht zuletzt, weil er nicht als Verteidigungskrieg dargestellt werden konnte. „Die Gebeine der Soldaten wurden dort beerdigt, wo sie gefallen sind.“ Unter Mussolini seien diese lokalen Soldatenfriedhöfe aufgelöst und die Überreste der Toten exhumiert worden. An sieben bis acht Orten in Italien wurden stattdessen gigantische Denkmäler für die Gefallenen errichtet.

Sieben bis acht Ossarien gibt es in Italien

Ein besonders monumentales Beispiel hierfür ist das Ossarium auf dem Berg Monte Grappa im Norden des Landes. An dieser Stelle waren während des Ersten Weltkrieges Tausende Soldaten ums Leben gekommen. Mit dem in den 1930er Jahren geschaffenen Denkmal heroisierte der Faschismus nicht nur die Soldaten, sondern auch die Rolle Italiens im Krieg. „Der Faschismus wollte die Erinnerung an den Krieg im Nachhinein ‚positiv färben‘“, so Malone.

Das ist Janz zufolge auch gelungen: „Heute ist der Erste Weltkrieg in Italien mehrheitlich positiv konnotiert.“ Dass in dem Kultus um den Krieg dabei im Faschismus entstandene Denkmäler genutzt werden, werde nicht problematisiert.

Malone ist in Irland und Italien aufgewachsen

Die Geschichte der faschistischen Denkmäler will Hannah Malone anhand von Fotos, Briefen und Skizzen rekonstruieren. In Rom hat sie dafür regelmäßig im Archiv des Verteidigungsministeriums gearbeitet.

Ihr Interesse für die italienische Geschichte kommt nicht von ungefähr: Hannah Malone ist in Italien aufgewachsen, ihre Eltern zogen dorthin, als sie sieben Jahre alt war. Auch als Wissenschaftlerin verbringt sie viel Zeit in dem südeuropäischen Land.

An der Freien Universität fühlt sich Malone sehr wohl, auch wegen der guten wissenschaftlichen Betreuung. Jetzt müsse es nur noch mit dem Deutschlernen klappen, sagt die Wissenschaftlerin. In ihrem nächsten Forschungsprojekt will sie sich nämlich mit dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland befassen – und wird hierfür auch deutschsprachige Quellen auswerten müssen.

Weitere Informationen

Dr. Hannah Malone, Freie Universität Berlin and University of Cambridge, E-Mail: hannaholiviamalone@gmail.com