Springe direkt zu Inhalt

Die Dosis macht das Gift ...

.. ist das nicht die ganze Wahrheit. Ein Gespräch mit Monika Schäfer-Korting

Fingerhut – Digitalis. Digitalisglykoside bewirken am Herzen eine Steigerung der Kontraktionskraft und eine Verlangsamung der Frequenz.

Fingerhut – Digitalis. Digitalisglykoside bewirken am Herzen eine Steigerung der Kontraktionskraft und eine Verlangsamung der Frequenz.

Fingerhut – Digitalis.

Fingerhut – Digitalis.

Nicht allein die Dosis macht das Gift. Auch die Resorbierbarkeit eines Stoffes im Körper spielt eine große Rolle bei der Frage: Arznei oder Gift? Die genetische Disposition des Patienten kann bei der Gabe eines Medikamentes über Leben und Tod entscheiden, über Heilung oder völlige Unwirksamkeit.

Bisweilen macht einfach auch nur die Größe einer Substanz das Gift, und ein hysterischer Jugendwahn zeigt, wie umgekehrt eines der tödlichsten Gifte plötzlich zum Wundermittel wird: Botox. Einhundert Prozent beträgt die Resorptionsrate des Digitoxins. Das Herzglycosid aus dem Fingerhut, botanisch „Digitalis“, wird vollständig vom Körper aufgenommen.

Man ist auf der sicheren Seite und weiß, wie man dosieren muss. Dann kann man entscheiden, ob der Fingerhut heilen oder töten soll, ob die Dosis die Arznei oder das Gift macht. Digitoxin gehört zu den starken Giften. Richtig dosiert, hat es eine kräftigende Wirkung auf das Herz. Bei einer Insuffienz der „Pumpe“ war es lange das Mittel der Wahl. Heute verabreicht man eher Substanzen, die die Blutgefäße erweitern und so den Herzmuskel entlasten, anstatt das Herz zu mehr Leistung anzuspornen. „Für den Körper ist diese Art der Behandlung „ökonomischer“.

Bei einem anderen Herzglycosid hingegen, dem Strophantin, das aus einem afrikanischen Hundsgiftgewächs gewonnen wird, kann man sich nicht so sicher sein. Seine Resorptionsquote ist sehr niedrig, sie liegt bei gerade einmal 10 bis 20 Prozent. Damit schwanken die Mengen dieser Substanz im Körper selbst bei gleicher Dosierung ganz erheblich. Sicherer Tod oder völlige Unwirksamkeit können die Folge sein – je nach der Disposition des Patienten.

Morphin-Methylether Codein - schmerzstillendes Mittel

Unwirksam wird auch der Morphin-Methylether Codein als schmerzstillendes Mittel, wenn der Patient es nicht in Morphin, das Hauptalkaloid des Opiums, verwandeln kann. Zuständig für diese Spaltung ist das Enzym CYP2D6. Doch bei circa zehn Prozent der Bevölkerungen weißer Hautfarbe ist das Gen, das CYP kodiert, inaktiv. Mittelstarke bis starke Schmerzen müssen in diesen Fällen anders behandelt werden. Alternativen braucht man auch, wenn die übliche Behandlung von äußerst schmerzhaften rheumatischen Erkrankungen mit Aspirin oder Ibuprofen nicht angezeigt ist, weil die Patienten Magenprobleme haben. Hier wiederum können die Opioide, „Opiumähnliche“, das Mittel der Wahl sein. „Opioide haben ein großes Potenzial bei der Linderung vieler Arten von Schmerzen. Doch es gibt einen Unternutzen dieser Medikamente in Deutschland, weil die öffentliche Debatte oft hysterisch ist, und weil es auch häufig noch an den richtigen Kenntnissen in der Pharmakologie fehlt“. Wenn die Dosis kontrolliert und der Spiegel gleichmäßig gehalten wird, ist das – häufig befürchtete – Suchtrisiko äußerst gering. Manch einer wird den Schmerz über die verlorene Jugend wohl auch mit Opiaten stillen. Doch auch eine andere Art von Stoff fügt man sich neuerdings zu diesem Zwecke zu, einen Stoff, der zu den stärksten aller Gifte gezählt wurde und vor allem in verdorbenen Fleisch- und Fischkonserven zu Hause ist. Er geht in die Nervenenden hinein und zerstört sie, der Neurotransmitter Acetylcholin kann seine Arbeit nicht mehr tun. „Vor zwanzig Jahren hat sich noch kein Mensch vorstellen können, Botulinustoxine als Medikament zu nutzen, heute ist ein solches sogar für die ‚subkutane Kosmetik’ im Verkehr.“ Als „Botox“ lähmt das Gift der „Büchsenbakterien“ auch dort die Nervenenden, so dass sich die Haut nicht mehr in die Falte legen kann, die längst da ist – übrigens ein Effekt, der vorübergehend ist. So wird seit neuestem sogar eine Art Botox-Gicht festgestellt – bei Menschen, die noch während der Wirkdauer der ersten Behandlung die nächste Injektion verlangen.

Vielleicht macht aber nicht die chemische Struktur einer Substanz das Gift, sondern einfach die Größe der Partikel. Die Vergiftungsfälle mit „Magic- Nano-Spray“ im Frühjahr 2006 sind zwar offenbar nicht auf die Nanoskaligkeit von Substanzen zurückzuführen. Doch immerhin ist man vorsichtiger geworden und stellt heute mehr als früher in Rechnung, dass der Mensch ein komplexes Gebilde ist.
Monika Schäfer-Korting: „Wir nähern uns ihm mit größerer Vorsicht.“
SW

 

Schlafmohn – Papaver somniferum - Morphin ist das Haupt- Alkaloid des Opiums. Das Opioid wird in der Medizin als eines der stärksten bekannten natürlichen Schmerzmittel (Analgetikum) eingesetzt. Es war das erste in Reinform isolierte Alkaloid und stand damit am Anfang einer damals neuen wissenschaftlichen Disziplin, der Pharmakologie. Morphin wurde erstmals 1804 vom deutschen Apotheker Friedrich Sertürner isoliert. Er benannte den Stoff nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume. 1846 bekam die auch deutlich sedierende, d. h. überwiegend schlaffördernde Droge den Namen „Morphium”, der heute nur noch umgangssprachlich gebraucht wird