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Lichtblicke

Physiker der Freien Universität forschen und arbeiten mit Lasern

Laser sind energiestarke Alleskönner. In der Forschung der Physiker der Freien Universität sind sie allgegenwärtig. Abendhimmel über Berlin. Vom Dach der Charité aus sieht man den Sonnen-untergang über dem Lehrter Stadtbahnhof.

In dem Kasten, der die großen Lettern mit dem Namen des Universitätsklinikums trägt, blitzt ein Laser 20 Mal in der Sekunde. Der Laserstrahl ist auf den Himmel über Berlin gerichtet. In höheren Luftschichten wird er von Aerosolen – Staub, in Wassertröpfchen gelösten Schmutzpartikeln oder Ruß – gestreut. Anhand der reflektierten Strahlung messen Physiker der Freien Universität den Verschmutzungsgrad der Berliner Luft.

Laser sind in der Physik heute allgegenwärtig. Sie werden immer präziser, stärker und schneller. Mit Lasern dringen Forscher in kleinste Dimension vor, sie können sogar schon die Bewegung einzelner Atome beobachten. Auch aus dem Alltag ist der Laser nicht mehr wegzudenken. Weder CD-Player noch Computer würden ohne ihn funktionieren. Er ist das moderne Skalpell in der Medizin und ein Wunderwerkzeug bei der industriellen Materialbearbeitung. Der Blindenstock mit Laser-Ortungssystem ist bereits auf dem Markt, und ein FU-Physiker sieht sogar Möglichkeiten, mithilfe des Lasers die Wahrscheinlichkeit von Regen vorherzusagen.

Die theoretische Grundlage für den Laser legte Albert Einstein. 1917 beschrieb er das Phänomen der „stimulierten Emission von Strahlung“, bei der Atome eine genau definierte Portion Energie abgeben. Bis zum Bau des ersten Lasers („Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation“) vergingen allerdings noch 43 Jahre.

Wie entsteht Laserlicht?

„Wollen Sie sich Ihren Laser selbst bauen?“, fragt Ludger Wöste, Physikprofessor an der FU, den verdutzten Besucher. Er nimmt sich einen Bausatz, legt eine Metallplatte auf seinen Schreibtisch und bedeckt sie mit Isolierfolie. Darauf ordnet er zwei längliche Metallplatten so an, dass zwischen ihnen ein enger, paralleler Spalt frei bleibt. Dann schließt Wöste den Strom an und legt den Schalter um. Ein rhythmisches Krachen ertönt, Licht blitzt im Viertelsekundentakt. Auf dem Papier, das der Physiker ans Ende des Spalts hält, erscheint ein blauer Fleck: Laserlicht. „Ich bevorzuge immer die billigen Lösungen“, sagt Wöste.

Doch wie entsteht Laserlicht? „Der Strom, der zwischen den Platten durch die Luft saust, regt die Elektronen der Luft-Moleküle dazu an, höhere Energieniveaus einzunehmen“, erklärt der Physiker. „Wenn die Elektronen wieder in ihren Ruhezustand zurückspringen, geben sie eine genau definierte Portion Energie ab. Dieses Lichtquantum regt andere energiegeladene Moleküle dazu an, ebenfalls ihre Energieportion abzugeben.“ Es folgt eine Kettenreaktion, bei der Laserlicht entsteht.

Um Haaresbreite

Einer, der bei der Entwicklung moderner Lasertechnik an forderster Front forscht, ist Ingolf Hertel. Der Physiker ist Professor an der FU, arbeitet aber am Max-Born-Institut in Berlin-Adlershof. Sein Institut bildet einen Verbund mit sechs europäischen Instituten, die die Lasertechnologie von Morgen erfinden. „Wir versuchen, Laser mit immer kürzeren Impulsen zu entwickeln“, sagt Hertel. Anstelle eines kontinuierlichen Strahls wird die Strahlung von solchen Lasern in kleinen Bündeln abgegeben. Diese Impulse können heute wenige Femtosekunden (Femto = 10–15) betragen, eine unvorstellbar kurze Zeit. Für den Weg zum Mond braucht das Licht etwa eine Sekunde. In einer Femtosekunde legt es eine Strecke zurück, die gerade mal der Dicke eines Haares entspricht. Femtosekundenlaser erreichen eine Zeitauflösung, die es erlaubt, die Bewegungen von Atomen und Molekülen in Echtzeit zu beobachten. Das nächste Ziel in der Zukunft ist der Attosekundenlaser (Atto = 10–18).


In den Metallkammern der Laserforscher herrscht nahezu Weltraumvakuum.

Zurück in Dahlem: Prof. Nikolaus Schwentner geht voran ins Labor seiner Arbeitsgruppe im FU-Physikgebäude in der Arnimallee. Zwischen kleinen Spiegeln und lupenartigen Gläsern steht sein Doktorand Markus Gühr. Er lenkt das rote Licht eines Femtosekundenlasers auf kompliziertem Wege durch das Spiegellabyrinth, um einzelne Wellenlängen herauszufiltern. Kurz vor dem Bullaugen-Fenster einer massiven Metallkammer, in der nahezu Weltraumvakuum herrscht, teilt sich der Laser in zwei Strahlen. Ein Strahl trifft direkt auf das Material, das untersucht werden soll, der andere wird über einen Umweg ins Ziel geleitet. „Durch die Zeitversetzung, mit der die Lichtbündel auf das Material treffen, können wir die Atome in den Molekülen in kontrollierte Schwingungen versetzen“, erklärt Schwentner. Die Forscher wollen besser verstehen, was vor sich geht, wenn Lichtenergie auf Materie trifft.

Das ist ein Prozess, der überall in der Natur vorkommt: Zum Beispiel bei der Photosynthese. In der Arbeitsgruppe von Prof. Dietmar Stehlik werden solche elementaren Reaktionen in Pflanzen untersucht. Die Forscher feuern ihre Laser auf die Licht-Antennen der Pflanzen – Chlorophyllmoleküle. „Uns interessiert, wie die Lichtenergie vom Photosystem aufgenommen und weitergeleitet wird.“ sagt Misha Antonkine, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forscherteam.

Mit dem Laserlicht will man die Reaktionen zwischen Molekülen nicht nur messen und analysieren, man will sie auch auszulösen und steuern. „Von einer maßgeschneiderten Chemie träumen Wissenschaftler seit der Erfindung des Lasers in den 60-er Jahren“, sagt Prof. Martin Wolf vom Institut für Experimentalphysik der FU. Die Zukunftsvision ist der Laser als Lötkolben, mit dem man Moleküle nach Belieben auseinander nehmen und zusammenschweißen kann. In Dahlem ist man diesem Ziel schon ziemlich nahe gekommen. Wolf und seine Mitarbeiter können bereits den Verlauf einfacher Reaktionen an Materialoberflächen mit Laserlicht beeinflussen. Mit einem Femtosekundenlaser bestrahlen sie Metalloberflächen, die mit Kohlenmonoxid und Sauerstoff besetzt sind. Aufgrund der hohen Energie, die in kurzer Zeit auf die Moleküle übertragen wird, verbinden sie sich zu Kohlendioxid. „Die Leistung, also die Energie pro Zeit, ist bei einem Femtosekundenlaser höher als bei einem Atomkraftwerk“, erklärt Wolf, „allerdings nur für sehr kurze Zeit.“


Laserlicht bildet einen Ionenkanal in der Luft: Es entsteht ein drahtloser Blitzableiter. Bild: AG Wöste

Blitz und Regen

Während Nikolaus Schwentner und Martin Wolf die notwendige Grundlagenforschung betreiben, gehen aus Ludger Wöstes Forschungsarbeiten immer wieder praktische Anwendungen für den Laser hervor: So hat er zum Beispiel einen drahtlosen Blitzableiter entwickelt. Strahlt man einen starken Laser mit Leistungen im Terawatt-Bereich in die Atmosphäre, bildet sich in der Luft ein Kanal aus Plasma. Weil die geladenen Plasmateilchen leitfähig sind, können Blitze sich über einem solchen Plasmakanal entladen.

Eine andere Idee kam Wöste, als er mit einem Laser in einer Nebelkammer experimentierte. Er stellte fest, dass sich in der mit Wasserdampf gesättigten Luft entlang des Laserstrahls kleine Tröpfchen bildeten: der erste Schritt der Wolkenbildung. Für dieses Verfahren wurde dem Forscher Anfang 2003 ein Patent erteilt. Erste Gespräche über mögliche Anwendungen seiner Entdeckung führte Ludger Wöste mit chilenischen Forschern. Denn die Chilenen haben ein Problem: In der Atacama-Wüste regnet es fast nie, obwohl große Mengen sehr feuchter Luft über diesen Landstrich ziehen. Doch die Wolken regnen sich immer erst an den Anden ab. Um künstlich Regen auszulösen, schießen sie Raketen mit Silberiodid in die Luft - allzu oft jedoch ohne Erfolg. „Mit dem Laser könnte man messen, wie stark die Luft in höheren Schichten mit Wasser gesättigt ist“, sagt Wöste. So könnten die chilenischen Regenmacher vorhersagen, wann sich der Abschuss einer Rakete wirklich lohnt.

Auch eine Firma ist aus Wöstes Arbeitsgruppe hervor gegangen: Bei der „Vistac GmbH“ werden die patentierten Blindenstöcke fabriziert. Mit den Lichtstrahlen wird der Raum vor Oberkörper und Kopf des Blinden abgetastet. Das Prinzip ist ähnlich wie das eines Radars: Steht ein Hindernis im Weg, werden die ausgesandten Signale reflektiert. Ein Sensor nimmt diese Strahlung wahr und schlägt Alarm.

Von Dietrich von Richthofen