Gut behandelt
Die Klinik für kleine Haustiere hilft bei Katzenjammer und Hundeleid
Um 8 Uhr früh trifft man sich zur ersten Besprechung, um die Fälle des Vortages und der Nacht zu diskutieren. Ein fünf Monate alter Doggenrüde hatte Lähmungen, die gebrochenen Knochen einer zweijährigen Katze mussten genagelt werden. Einem Hund war ein Tumor entfernt worden, die Ärzte betrachten das Röntgenbild. „Das sieht gut aus“, sagt der Chef.
Der Chef ist Prof. Leo Brunnberg, Leiter der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere und Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin. Etwa 30000 Tiere werden jährlich im Düppeler Oertzenweg behandelt, Hund und Katz’ sind es zumeist, aber auch Python und Schneeleopard finden sich gelegentlich zur Behandlung ein.
Die Einsatzbesprechung findet vor einer großen Tafel statt. Hier werden Operationen geplant und Entlassungen vorbereitet – wie immer freitags. Dann geht es weiter zum Katzenstall. An manchen Käfigen hängt ein Schild mit der Aufschrift „bissig“, bei einigen Patienten sind Infusionen gelegt. An einer Box im Hundestall hängt neben dem Krankenblatt der Hinweis „Kein Futter“. Das heißt: Morgen wird operiert. Einer der Patienten randaliert ein wenig, weil er eine Tüte auf dem Kopf hat. Ein anderer liegt apathisch in seinem Stall. Er hat Fieber unbekannter Ursache.
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Im Intensivstall liegt ein Hund, der wegen einer Milzruptur operiert werden musste. „Die Besitzerin wollte die Operation zuerst nicht“, erzählt Brunnberg, „aber es bestand die Gefahr, dass das Tier innerlich verblutete.“ Manchmal ist es schwierig, vom Besitzer die Einwilligung zu einer Operation zu bekommen – sei es aus Angst vor dem Risiko oder weil so manches Herrchen oder Frauchen die fertige Diagnose schon mit in die Tierklinik gebracht hat. In Fällen, in denen Vernachlässigung oder Verwahrlosung offenkundig sind, werden Patienten vom Tierfänger der Polizei gebracht.
Bei Hunden sind Milztumore relativ häufig, sagt Leo Brunnberg, besonders Schäferhunde sind dafür anfällig. Ein aktuelles Forschungsprojekt dazu wird mit den Angiogenesespezialisten der Tieranatomie unter der Leitung von Prof. Johanna Plendl durchgeführt. Von der Hemmung der Angiogenese, der Bildung von Blutzellen in Tumoren, erhofft man sich neue Strategien in der Krebsbehandlung.
Ein paar Bandscheibenvorfälle liegen noch an, weitere Tumorerkrankungen, ein Mops hat ein zu langes Gaumensegel und kann nicht richtig atmen. Danach muss ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden, 150 dieser Eingriffe nimmt Brunnberg im Jahr vor. Und manchmal, wenn es zu Ende geht mit einem Tier, können auch die Tierärzte nichts mehr tun. Wie bei dem 16 Jahre alten todkranken Hund, der müde in seinem Stall hockt. In solchen Fällen sind es dann eher die Besitzer, die Hilfe brauchen.
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Dr. Kerstin Müller ist Spezialistin für Wildtiere. Zu ihren Patienten gehören Igel, Dachse, Füchse und Eichhörnchen, aber auch Sperber, Bussarde und Turmfalken. Greifvögel gibt es in Berlin in großer Zahl, besonders Habichte begehen Landflucht, denn in der Stadt gibt es jede Menge Tauben, die sie jagen können, auf dem Land sind sie selbst die Gejagten.
Wild und Gefährdet
Die Seeadler kommen zumeist aus Mecklenburg-Vorpommern, wo es die größte Population in Deutschland gibt. Das Vorbild des Bundesadlers leidet häufig an einer Bleivergiftung, denn in mageren Zeiten fressen die Tiere auch Aas. Das sind zumeist mit Bleischrot geschossene Wasservögel, die von Jäger und Hund nicht gefunden wurden. Zudem halten die Vögel verstreutes Schrot für Steinchen, die sie üblicherweise zum Zermahlen der Nahrung im Magen aufnehmen. Die Vergiftung nimmt ihren Lauf, denn Blei kann nicht ausgeschieden werden und lagert sich im Körper an. „Wir geben ihnen ein Medikament, das Blei bindet“, erklärt Kerstin Müller. „So kann das Gift durch die Nieren ausgeschieden werden“. Doch vor der Entlassung wird Krankengymnastik verordnet, denn Blei macht schwach. Die Vögel und andere Wildtiere sitzen hinter verhängten Käfigtüren am Ende der Klinik, wo es am ruhigsten ist. „Der Mensch ist der Hauptfeind dieser Tiere“, erklärt die Vetrinärmedizinerin die Schutzmaßnahme. „Der entstehende Stress würde die Heilung verlangsamen.“ Zu Müllers Patienten gehören aber auch nicht ganz so wilde Tiere: Kaninchen, Meerschweinchen, neulich auch einmal ein Chinchilla. Einer der lustigsten Patienten ist sicher ein großer Graupapagei mit einer Pilzerkrankung, der keck auf seiner Stange sitzt und fortwährend laut lacht.
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Innenansichten
„Man muss sich den Patienten in etwa so vorstellen wie eine spiralförmig aufgeschnittene Gurke“, erklärt Dr. Guido Fritsch lachend, als er beginnt, die außergewöhnlichen Möglichkeiten des Mehrschicht-Computer-Tomographen zu erklären. Röntgenröhre und Röntgendetektor fahren um den Patienten herum und erfassen ihn so Schicht für Schicht. Aufnahmen können in allen Körperachsen gemacht werden, und die Darstellung kann man dem jeweiligen Erfordernis anpassen: Entweder sieht man nur die inneren Organe oder nur das Skelett. Was man für die Diagnose nicht braucht, wird herausgerechnet. Man kann einen Körper längs, quer oder schräg in allen nur denkbaren Ebenen darstellen. Das modernste Gerät dieser Art in einer europäischen Tierklinik kann aber noch mehr: Es kann mehrere Aufnahmen zu dreidimensionalen Bildern zusammenfügen. „Das ist längst noch kein Standard, und wir sind die einzigen, die solche Darstellungen machen können “, sagt Fritsch nicht ohne Stolz auf „sein“ CT, das man sich mit dem Institut für Zoo- und Wildtierforschung teilt. Bei Fehlbildungen im Kreislaufsystem, einem Kurzschluss im Blutfluss zum Beispiel, versagen alle anderen bildgebenden Verfahren. Die forschenden Tiermediziner der engeren und weiteren Umgebung sind begeistert von solchen Möglichkeiten. Denn bislang konnte man viele Untersuchungen nur im Zuge von Operationen oder Obduktionen vornehmen. Doch dabei wird Gewebe zerstört, der Untersuchungsgegenstand also verändert. Die Möglichkeit, eine dreidimensionale Darstellung der inneren Angelegenheiten der Patienten machen zu können, spart darüber hinaus Zeit, Geld und unnötige Qualen durch unnötige Operationen.
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Sprechstunde
Dr. Claudia Kellermeier hat Sprechstunde. Ihre erste Patientin ist eine Katze mit Durchfall. Sie tastet das Tier ab und fragt die Besitzerin nach Einzelheiten. Die Tierärztin diagnostiziert eine Dickdarmentzündung und verordnet ein Antibiotikum. Nach der Kontrolle in drei Tagen wird man sehen, ob noch weitere Untersuchungen nötig sind. 100 bis 150 Tiere kommen jeden Tag in die tierärztliche Ambulanz, 6 Euro kostet die einfache Untersuchung einer Katze, bei einem Hund sind es 12,50. Untersuchung und Behandlung können aber auch mit 300 bis 400 Euro zu Buche schlagen. Dann zeigt sich gelegentlich, dass so mancher Besitzer mehr Tierliebe als Geld hat und hier und da ein Kompromiss gefunden werden muss.
Eigentlich sind Tierärzte Allgemeinmediziner, aber in Unikliniken gibt es immer auch Spezialisten und immer auch eine Kardiologie, denn 10 % der Fälle der inneren Medizin sind kardiologische Fälle. Dr. Alan Kovacevic ist der Herzspezialist in der Tierklinik. Seine Patienten sind vorwiegend Hunde und Katzen. Degenerative Erkrankungen der Herzklappen, Herzmuskelschwäche und Virusinfektionen sind die häufigsten Diagnosen. Von zehn Tieren, die er am Tag sieht, sind acht krank, ungefähr 1500 therapiebedürftige Fälle hat er im Jahr zu behandeln. Oft sind die Erkrankungen schon weit vorangeschritten. „Wir sehen die Patienten in einem viel späteren Stadium als Menschen“, erklärt Kovacevic. „Die Tiere können ja nichts sagen.“
In der Ambulanz werden gleichzeitig mit der Katze drei stattliche Hunde untersucht. Die Besitzer halten „Händchen“, aber auch so ist es erstaunlich ruhig in der Ambulanz. Selbst den großen Tieren hat es vor Aufregung und Anspannung die Sprache verschlagen, erklärt die Tierärztin. Doch Ärzte wie Tierpfleger haben ein ganz besonderes Einfühlungsvermögen für ihre nervösen Patienten. Schließlich müssen sie für sie mitdenken. Und so hat der Hochbetrieb trotz Hektik fast ein bisschen Kuratmosphäre. Nur im Wartezimmer wird ein bisschen gebellt.
Von Susanne Weiss