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„Der mannigfaltigste Lärm umrauscht mich hier von allen Seiten“

Warmes Wasser verlockt zur Geselligkeit, und so wurde das öffentliche Bad in der Antike vor allem auch ein Kommunikationsort. Monika Trümper, Professorin für Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin, erforscht seine Geschichte.

13.10.2016

In einem berühmten Brief an seinen Freund Lucilius klagt der Philosoph Seneca über den Lärm des Bades, über dem er wohnt: „Nun stelle dir alle die verschiedenen Töne vor, die einen dazu bringen können, dass man seinen eigenen Ohren grollt.“ Seneca malt das akustische Panorama der Thermen in allen Facetten aus: Selbst Menschen, die still sind, weil sie gerade Ball spielen oder massiert werden, verursachen noch Geräusche, die die empfindlichen Ohren Senecas stören: Sie zählen ihre Abschläge und die Hand des Masseurs klatscht auf nackte Rücken. Und dann erst der „Singsang der Badenden, die sich mit ihrer Stimme gefallen!“ Der Philosoph stellt fest: „Noch störender finde ich die Stimmen Redender als einen bloßen Lärm.“

Noch heute lassen sich Pracht und Glanz der Stabianer Thermen in Pompeji erahnen.

Noch heute lassen sich Pracht und Glanz der Stabianer Thermen in Pompeji erahnen.
Bildquelle: iStockphoto.com, StrongArm

Die Bäder in der Antike dienten der Reinigung und Entspannung, es wurde dort Sport getrieben und an der Schönheit gearbeitet – die „feine und schrille Stimme“ des „Haarzupfers“ fällt Seneca offenbar besonders auf die Nerven. Vor allem aber waren sie auch Kommunikationsorte. „Wenn man sich die Geschichte der Bäder vom Alten Griechenland bis zur römischen Kaiserzeit anschaut, dann kann man sehen, dass die Bereiche, die dem gemeinschaftlichen Baden dienten, immer weiter ausgebaut wurden. Individuelle Badeformen traten zunehmend in den Hintergrund“, sagt Monika Trümper. Die Geschichte des antiken Bades ist ein Forschungsschwerpunkt der Professorin für Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin.

Im Unterschied zum kulturkritischen Seneca genossen seine Zeitgenossen den Gang in ein öffentliches Bad – trotz oder gerade wegen all des Trubels. Geselligkeit und aufwendige Körperpflege in öffentlichen Thermen oder einer „Badesuite“ in einem Privathaus hätten für Römer und Römerinnen zu einem guten Leben gehört, sagt sie. Zu Senecas Zeit – im ersten Jahrhundert n. Chr. – waren die Thermen bereits perfektioniert worden zu einer Art „Erlebnisbädern“, die immer raffiniertere „Wellness-Programme“ ermöglichten.

Sie waren zudem ein sozialer Ort, den man in Begleitung der Freunde aufsuchte und an dem sich Angehörige unterschiedlicher sozialer Schichten – wahrscheinlich gelegentlich auch Männer und Frauen – trafen. Selbst der Kaiser ging von Zeit zu Zeit ins öffentliche Bad. Gerade im westlichen Mittelmeerraum – die antike Stadt Baiae, in der Seneca lebte, lag im heutigen Golf von Neapel – blühte eine besonders innovative Badekultur.

Schon Odysseus genoss die wohltuende Wirkung des Wassers 

Ihren Ursprung hat die Badekultur jedoch im antiken Griechenland. Bereits in Homers Odyssee findet sich eine Passage, die die wohltuende Wirkung des Wassers auf Odysseus schildert, der „lange keine Pflege genossen“ hatte: „Ein herzerfreuender Anblick war ihm das warme Bad.“ Archäologische Belege von öffentlichen Bädern finden sich allerdings erst von der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts an in Athen. Wie etwa am Zeus-Heiligtum in Olympia entstanden balaneion genannte öffentliche Bäder, die über einen Raum mit nebeneinander stehenden Sitzbadewannen verfügten. „Hier überwogen noch die individuellen Badeformen“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Badenden hätten sich mit warmem Wasser übergossen, sie „duschten“ sich in gewisser Weise eher, als dass sie badeten, und schöpften das auf dem Wannenboden aufgefangene Wasser zur erneuten Verwendung.

Eine erste Neuerung war der Einbau einer Fußbodenheizung, eines sogenannten Hypokausten-Systems, das dafür sorgte, dass nicht nur das warme Wasser zum Wohlbefinden beitrug, sondern der ganze Raum. Die Bäder wurden auch immer üppiger ausgestaltet: mit Gewölben, Säulen und Stuck – und das, obwohl die Räume bis in die frühe römische Kaiserzeit hinein allein schon aus wärmetechnischen Gründen eher fensterlos und dunkel gewesen sein müssten, wie Monika Trümper sagt. Es seien Orte entstanden, die zum gemeinsamen Verweilen einluden. Dafür habe auch ein warmes Tauchbecken gesorgt, das von unten geheizt wurde und über eine gewölbte Rückenlehne verfügte, sagt die Wissenschaftlerin. Außerdem seien Schwitzbäder hinzugekommen: „Hier konnte man Zeit miteinander verbringen.“ So etwa in der antiken Stadt Morgantina auf Sizilien – wo Monika Trümper mit ihrem Team auch in diesem Sommer gegraben hat.

So stellte sich der Maler Sir Lawrence Alma- Tadema 1909 einen Besuch in den Stabianer Thermen in Pompeji vor. Für seine Bilder nutzte er Fotografien von Ausgrabungen der durch einen Ausbruch des Vesuvs verschütteten Stadt.

So stellte sich der Maler Sir Lawrence Alma- Tadema 1909 einen Besuch in den Stabianer Thermen in Pompeji vor. Für seine Bilder nutzte er Fotografien von Ausgrabungen der durch einen Ausbruch des Vesuvs verschütteten Stadt.
Bildquelle: AKG Images

Die Grabungen im sogenannten Süd-Bad, das von etwa 250 bis 211 v. Chr. genutzt wurde, zeigten, dass dieses über ein für seine Zeit „hochmodernes Badeprogramm“ verfügte. Es habe individuelle reinigende und kollektive entspannende Badeformen miteinander verbunden. Dafür sprächen 14 Räume, ein möglicherweise schon komplexes Wasserverteilersystem sowie ein außergewöhnlicher Fund: ein vollständig erhaltener großer Badeofen.

Wie das System funktioniert hat und vor allem woher das Wasser für die großen Tauchbecken kam, wissen die Archäologen allerdings noch nicht. Im Rahmen eines Forschungsprojekts für den Exzellenzcluster Topoi – einem altertumswissenschaftlichen Forschungsverbund von Freier Universität und Humboldt- Universität – hat Monika Trümper in den vergangenen Jahren Grabungen in zwei römischen Bädern in Pompeji durchgeführt. Hier werde deutlich, wie Heiztechnik und Wasserversorgung in den folgenden Jahrhunderten perfektioniert worden seien, sagt die Archäologin.

Die sogenannten Republikanischen Thermen entstanden im zweiten Jahrhundert v. Chr., noch bevor Pompeji römische Kolonie wurde, und wurden Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. aufgeben und mit einem Privathaus überbaut. Ein stillgelegtes Bad ist für Archäologen ein besonderer Fund: „Die Thermen entsprachen offenbar nicht mehr dem neuesten Stand“, sagt Monika Trümper, „der Betrieb lohnte sich für den vermutlich privaten Besitzer nicht mehr, da andere Bäder über mehr Attraktionen verfügten.“ Pompeji hatte um Christi Geburt zwei bis drei große öffentliche Bäder für vermutlich 10.000 Einwohner; dazu kamen kleinere Bäder sowie Badeanlagen in Sportstätten und Privathäusern.

Ein weiteres Bad war bei der Zerstörung der Stadt 79 n. Chr. noch im Bau. Bei den Stabianer Thermen – benannt nach der Via Stabiana, an der sie sich befanden – machen es die erhaltenen Räume mit Tonnengewölben, Bemalungen und der Stuckatur den Besuchern noch heute möglich, sich einen Besuch in einem römischen Bad vor dem verheerenden Vulkanausbruch des Vesuvs vorzustellen. In den Thermen, die bereits Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. errichtet worden waren, wurden nicht nur Fußböden, sondern in den unterschiedlich heißen Räumen – etwa dem tepidarium und dem caldarium, dem zentralen Raum jedes Bades mit einem warmen Tauchbecken – auch die Wände bis unter die Gewölbedecke beheizt.

Neue Möglichkeiten durch städtische Wasserleitungen

Im frühen ersten Jahrhundert n. Chr. ermöglichte der Anschluss an die städtische Wasserleitung den Bau ganz neuer Badevorrichtungen wie zunächst eines frigidarium, eines Raumes mit Kaltwasserbecken, und dann einer natatio, eines Kaltwasserschwimmbeckens am Rande der palästra, des Sportplatzes. Dass diese Leitungen auch noch nach dem Erdbeben des Jahres 62 n. Chr., das dem Vulkanausbruch voranging, funktioniert haben müssen, als die Thermen noch einmal modernisiert und erweitert wurden, konnten Grabungen im Frühjahr 2016 bestätigen. Diese zeigten, dass es auch in einer Badeanalage, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ausgegraben und die seitdem umfassend erforscht wurde, immer noch neue Entdeckungen möglich sind: In den frühen römischen Bäder experimentierte man noch mit Technologien und Badeprogrammen, sagt Monika Trümper. So wiesen die Stabianer Thermen eine einzigartige Reihe kleiner Zellen auf, die sich in keiner anderen antiken Thermenanlage finden und die bislang als alte Badezellen mit Wannen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. galten.

Durch neue Grabungen wird versucht, die Geschichte der Thermen zu erforschen und Fragen nach all deren unterschiedlichen Funktionen zu beantworten.

Durch neue Grabungen wird versucht, die Geschichte der Thermen zu erforschen und Fragen nach all deren unterschiedlichen Funktionen zu beantworten.
Bildquelle: Christoph Rummel

Die Thermen waren laut und voller Dampf

Die Grabungen 2016 haben allerdings gezeigt, dass diese Räume erst im späten 2. Jahrhundert v. Chr. entstanden sind und dass sich darin niemals Wannen befanden, sondern vermutlich nur einfache gemauerte Bänke – für Massagen, Schwitzanwendungen oder vielleicht auch Vergnügungen mit Prostituierten. Auch wenn Seneca für seine moralischen Briefe den Lärm eines Bades besonders suggestiv aufschrieb – die Thermen müssen lebendige, laute Orte gewesen sein. Ob man sich dort unterhalten konnte und welcher Art Gespräche dort waren, das ist für die Wissenschaftler nicht rekonstruierbar. „Die Akkustik der überwölbten Räume verstärkte den Schall, außerdem war überall Dampf“, gibt Monika Trümper zu bedenken. Ob einige der Räume Stille boten, darüber könne man aber nur spekulieren. Einige größere Bäder verfügten auch über Bibliotheken oder Gärten. Otium und negotium – Muse und Geschäft, ließen sich vielleicht eher in den privaten Badesuiten verbinden, mit denen manche Häuser ausgestattet waren. Fest steht jedoch: Baden war ein soziales Ereignis, man ging ins Bad, um andere zu treffen, denn Waschen konnte man sich auch zu Hause. Auch ob Männer und Frauen zusammen badeten, gehört zu den umstrittenen Fragen, auf die gesicherte Antwort zu finden schwierig, vielleicht sogar unmöglich sei, sagt Monika Trümper. Sie geht zudem von großen regionalen Unterschieden aus, die sich nicht für die gesamte antike Welt verallgemeinern ließen. Sowohl die Republikanischen Thermen als auch die Stabianer Thermen verfügten jedenfalls getrennte Trakte für Männer und Frauen. Die Bereiche für Frauen waren kleiner, weniger gut ausgestattet und schlechter zugänglich.

In den griechischen Bädern seien die aufwendig gestalteten Räume mit entspannenden Luxusbadeformen vielleicht sogar Männern vorbehalten gewesen, vermutet Monika Trümper. Möglicherweise hätten Frauen und Männer auch zu unterschiedlichen Zeiten gebadet. In der Antike sei grundsätzlich nackt gebadet worden, obwohl es leichte Formen der Badekleidung gegeben haben könnte. Das Verhältnis zur Nacktheit sei allerdings bei den Römern nicht mehr ganz so entspannt gewesen wie bei den Griechen. Auch wenn sich Menschen nur in hölzernen Badeschuhen und eventuell mit einem Tuch um die Hüften begegnet seien, gleich seien sie deshalb nicht unbedingt gewesen, sagt die Archäologin: „Wie gesund und wohlgenährt ein Körper war, sagte ebenso etwas über den Stand eines Menschen aus wie seine Frisur.“ Auch Schmuck sei wohl im Bad getragen worden: Zumindest habe man in Abwasserleitungen häufiger Schmuckstücke gefunden. Wie sauber und hygienisch aber waren Bäder in einer Zeit, in der es keine Seife gab? „Heutige Hygienestandards darf man da sicher nicht anlegen“, meint die Wissenschaftlerin.

Dennoch geht sie davon aus, dass es vergleichsweise reinlich zuging, da sich die Badegäste vermutlich waschen mussten, bevor sie ins Wasserbecken stiegen oder ins Schwitzbad gingen: „Schon in griechischen Bädern wurden viele kleine Becken gefunden, die man für eine Vorreinigung nutzen konnte, bevor man in eine kollektive Badewanne stieg.“ Auch Öl spielte eine wichtige Rolle im Reinigungsritual: Es wurde sowohl vorher benutzt, um Schmutz zu entfernen, als auch nach dem Bad. Allerdings müssen die Bäder „Hotspots für die Übertragung von Infektionskrankheiten“ gewesen sein, vermutet Monika Trümper, gerade, weil sie von Ärzten oftmals als Therapie verordnet worden seien. Dennoch: „Sich beinahe jeden Tag Zeit für diese Form der Körperpflege zu nehmen, zeigt, welche Bedeutung das Thema in der Antike hatte.“

Die Wissenschaftlerin

Prof. Dr. Monika Trümper

Monika Trümper ist seit Juli 2013 Professorin am Institut für Klassische Archäologie. In ihrer Forschung beschäftigt sich die Sprecherin der Berlin Graduate School of Ancient Studies (für die Freie Universität Berlin) vor allem mit griechischer und römischer Architektur, Urbanistik und Topographie, wobei ein besonderer Fokus auf der Entwicklung antiker Städte, der Bade- und Wohnkultur sowie kommerzieller Architektur liegt. Ihre Forschungen basieren auf Feldforschungen in Delos/Griechenland, Morgantina/Sizilien und Pompeji sowie kulturvergleichenden Perspektiven.

Kontakt

Freie Universität Berlin
Institut für Klassische Archäologie
E-Mail: monika.truemper@fu-berlin.de