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Bewegte Geschichte

Das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (IfPuK) blickt auf seine 70-jährige Vergangenheit zurück

03.12.2018

Das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften wechselte in seiner Geschichte mehrfach den Standort, bevor es wieder in Dahlem angesiedelt wurde.

Das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften wechselte in seiner Geschichte mehrfach den Standort, bevor es wieder in Dahlem angesiedelt wurde.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mit der Freien Universität feiern in diesem Jahr auch mehrere ihrer Gründungsinstitute 70-jähriges Bestehen: unter ihnen das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (IfPuK), dessen Geschichte eng mit der 68er-Bewegung verknüpft war. Die Studierenden rangen um Mitbestimmung und Deutungshoheit – an ihrer Universität, mit der Politik und in der Öffentlichkeit.

Berlin, April 1968: Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, Soziologie-, Ethnologie-, Philosophie- und Geschichtswissenschaftsstudent an der Freien Universität und Führungsfigur der Studentenproteste in West-Berlin, versuchen aufgebrachte Studierende die Gebäude des Springer- Verlags in Berlin-Kreuzberg zu stürmen. Steine fliegen, Autos werden in Brand gesetzt. Ihrer Meinung nach ist die Berichterstattung des Boulevard-Blattes „BILD“ für den Mordversuch verantwortlich.

Auch Studierende des Instituts für Publizistik der Freien Universität engagieren sich gegen den Springer- Verlag. „Die im November 1967 gegründete ‚Kritische Universität‘, an der auch Studierende der Publizistik beteiligt sind, ruft im Februar 1968 zum „Springertribunal“ auf, einer studentischen Protestaktion an der Technischen Universität Berlin. „Wie viele Publizistikstudierende an den Protesten teilnahmen, lässt sich aufgrund mangelnder Quellen heute nur noch schwer feststellen“, sagt Maria Löblich, Professorin am heutigen IfPuK.

Fest stehe aber, dass auch Fritz Teufel, eine prominente Figur in der Bewegung, am Institut studiert habe. Die Studierenden hätten auf unterschiedliche Weise versucht, Einfluss auf die Lehre zu nehmen und eine „kritisch-emanzipative Sozialwissenschaft“ zu etablieren, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin. Damit seien sie zunächst erfolgreich gewesen: 1968 wurde Harry Pross, Chefredakteur von Radio Bremen, auch auf Druck der Studentenschaft auf eine Professur am Institut berufen.

Lehrauftrag für Ulrike Meinhof

Zuvor hatte es nur eine Honorarprofessur gegeben, die der ehemalige Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard, innehatte. Eberhard, der aus der Praxis kam, kannte sich im Universitätsalltag anfangs kaum aus und war eigentlich schon im Rentenalter. Pross hingegen galt als links-intellektuell, kritisierte die vernachlässigte Aufarbeitung der NS-Zeit und war auch deshalb Wunschkandidat der Studierenden.

Pross unterstützte die Wünsche der Studierenden nach mehr Praxisbezug im Publizistikstudium, trat aber auch für eine theoretische Fundierung ein. Er erteilte im Wintersemester 1969/70 der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, aus seiner Sicht einer guten Journalistin, einen Lehrauftrag an der Freien Universität. Ihre Veranstaltung lief unter dem Titel „Funklabor – Möglichkeiten von Agitation und Aufklärung in Hörfunk- Features“. Der Lehrauftrag löste Entrüstung in der Öffentlichkeit aus. Wenige Zeit später tauchte Ulrike Meinhof mit Andreas Baader in den Untergrund ab.

Neuer Studienplan fürs Studium

Pross hingegen entwickelte mit seinen Studierenden Studienpläne, um die Publizistik an der Freien Universität neu auszurichten. Vorgesehen im Lehrangebot waren unter anderem zwei Semester Politische Ökonomie. Die Studierenden wollten sich mit Karl Marx auseinandersetzen und die ökonomischen Rahmenbedingungen der bundesdeutschen Medien hinterfragen. Und natürlich ging es immer wieder um die Machtkonzentration des Springer-Verlags. Das behagte Teilen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keineswegs. Dem Institut für Publizistik wurde damals von einigen Intendanten erklärt, dass man für dessen Studierende solange keine Praktikumsplätze mehr im Sender anbieten würde, wie sich das Institut nicht zur „freiheitlich- demokratischen Grundordnung“ bekenne und den linken Umtrieben Einhalt gebiete.

Ruf nach mehr Mitbestimmung

Pross‘ Lehrplan sei weder vom Akademischen Senat der Freien Universität noch vom Wissenschaftssenator offiziell genehmigt, aber trotzdem umgesetzt worden, erläutert Maria Löblich. Es war ein Konflikt von vielen zwischen den Studierenden und der Universitätsleitung sowie der Hochschulpolitik. 1969 war ein neues Universitätsgesetz in Kraft getreten, das zur Neustrukturierung der Universität führte und für mehr Mitbestimmung sorgte.

Damals wurde der Diplom-Physiker und Soziologe Rolf Kreibich zum Präsidenten gewählt; zum ersten Mal leitete damit ein wissenschaftlicher Assistent eine deutsche Universität. Ziel der Studierenden und der jungen Akademiker war die sogenannte Viertelparität: Professoren, Studierende, akademische Mitarbeiter und Beschäftigte in der Universitätsverwaltung sollten jeweils ein Viertel der Stimmen in den Hochschulgremien haben. Im gesamten Fachbereich Philosophie- und Sozialwissenschaften, dem das Institut für Publizistik damals angehörte, wurde dieses Konzept schließlich umgesetzt.

Novellierung des Universitätsgesetzes 1974

Das Bundesverfassungsgericht urteilte aber bald, dass die Professoren in zentralen Fragen und so auch in der Lehre die Oberhand behalten müssten. Zudem gab es Vorbehalte gegenüber als radikal links geltenden Anwärtern und Kämpfe um die Besetzung von Professuren. 1974 wurde schließlich eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die die Entscheidungsrechte über Forschung und Lehre mehrheitlich in die Hände der Professorinnen und Professoren legte und das zum Teil mit Politikern besetzte Kuratorium stärkte.

Dem CDU-regierten West-Berliner Senat der 1980er Jahre gingen die gesetzlichen Neufassungen jedoch noch nicht weit genug: Er setzte ein konservatives Beratungsgremium für das Institut ein, das sich aus CDU-nahen Fachvertretern und Praktikern zusammensetzte. „Das Institut für Publizistik dürfte dem konservativen Senat als zu links und vielleicht auch zu unproduktiv gegolten haben“, sagt Maria Löblich. Das sei aber noch näher zu erforschen.

Ende der achtziger Jahre entspann sich zudem ein Streit um den Gründer des Instituts: Emil Dovifat. Dovifat, der zu den Begründern seines Fachs gezählt wird, hatte 1928 eine Professur für Zeitungswissenschaft an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin angetreten, die er auch während des Nationalsozialismus weiter inne hatte. Seine Schriften passte er an die NS-Terminologie an. Bis heute ist unklar, wie eng er mit dem nationalsozialistischen Regime verflochten war.

Das Hauptproblem in den 80ern: Platzmangel

Die Publizistikstudierenden der späten siebziger und der achtziger Jahre beschäftigte aber vor allem ein anderes Problem: Sie litten unter dem Platzmangel und den unzulänglichen Räumlichkeiten: Allein von 1970 bis 1978 war die Zahl der Studierenden in Haupt- und Nebenfach von rund 450 auf mehr als 1200 angestiegen.

Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits drei Umzüge hinter dem Institut, das bis in die achtziger Jahre mit der Raumproblematik kämpfte. In den siebziger Jahren war es sogar auf zwei Gebäude aufgeteilt worden. Die Mängel in Infrastruktur und Ausstattung belasteten auch die Forschung am Institut. 1982 erfolgte der Umzug von Dahlem auf den Campus Lankwitz. 2007 konnte das Institut zurück nach Dahlem ziehen und fand in der Garystraße 55 eine neue Bleibe.

Den gläsernen Büros der heute sechs Professorinnen und vier Professoren sieht man die bewegte Geschichte des Instituts allerdings nicht an.

Die Wissenschaftlerin

Maria Löblich ist Professorin für Kommunikationsgeschichte und Medienkulturen.

Maria Löblich ist Professorin für Kommunikationsgeschichte und Medienkulturen.

Prof. Dr. Maria Löblich

Seit Januar 2016 ist Maria Löblich Professorin für Kommunikationsgeschichte und Medienkulturen an der Freien Universität. Davor hatte sie unter anderem von 2013 bis 2014 die Vertretung einer Professur am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden inne, sie war 2012/13 Fellow am Berkman Center for Internet & Society, Harvard University (2012 – 2013), und von 2012 bis 2016 Sprecherin der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der Deutschen Gesellschaft für Publizistikund Kommunikationswissenschaft (DGPuK). In ihrer Forschung beschäftigt sie sich vor allem mit Kommunikationsgeschichte, Fach- und Theoriegeschichte der Kommunikationswissenschaft, Medienpolitik und Qualitativen Methoden.

Kontakt

Freie Universität Berlin

Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

Arbeitsstelle Kommunikationsgeschichte und Medienkulturen

E-Mail: maria.loeblich@fu-berlin.de