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Barierren für den Ausbau erneubarer Energien

31.05.2007

Windenergie

Windenergie

Mehr als 80 Prozent des Energieverbrauchs der OECD-Länder werden durch fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle gedeckt. Die Vorteile erneuerbarer Energien sind zwar offenkundig, ihr Anteil am Energiemix ist in den OECD-Ländern jedoch relativ gering. Vor allem die höheren Produktionskosten werden für ihren geringen Marktanteil angeführt. Aufgrund massiver Kostensenkung in den letzten Jahren sind einzelne erneuerbare Energieträger heute aber mit konventionellen durchaus wettbewerbsfähig. Trotzdem haben alternative Energien mit zwei großen Problemen zu kämpfen: Der Anbindung an das Stromnetz und den Zugang zu Kapital.


Windenergie hat großes Potenzial beim Einsatz von erneuerbarer Energie.
Foto: Pixelio

Zu den erneuerbaren Energien gehören nach einer Definition der Internationalen Energieagentur (IEA) Energieträger, die aus natürlichen Prozessen gewonnen werden und die ständig nachwachsen: Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft, Windenergie, Erdwärme sowie Meeres- und Wellenenergie. Das größte Potenzial für den zukünftigen Einsatz wird dabei den so genannten „neuen“ erneuerbaren Energien beigemessen – vor allem der Windenergie zu Land und zu Wasser, der Photovoltaik und der Erdwärme. Der Anteil erneuerbarer Energien am primären Energieverbrauch lag in den OECD-Ländern 2005 bei 6 Prozent und hat sich in den 1990er Jahren nicht wesentlich verändert. In Ländern außerhalb der OECD lag der Anteil mit rund 20 Prozent deutlich höher, allerdings entfielen davon fast 87 Prozent auf die traditionelle Verwendung von  Biomasse, vor allem Holz, und der Einsatz von Wind- und Sonnenenergie liegt bei nicht mal einem Prozent. Einen höheren Anteil beim Strom erzielen erneuerbare Energien in den OECD-Ländern, in denen sie in drei verschiedenen Märkten mit konventionellen Brennstoffen konkurrieren müssen: bei der Stromerzeugung, dem Wärmemarkt und dem Transportsektor. 2004 machten erneuerbare Energien 15 Prozent der Stromerzeugung aus und blieben damit unter dem Höchstwert des Jahres 2003 (17,9 Prozent) und auch unter dem durchschnittlichen Anteil von rund 17 Prozent im Zeitraum von 1990 bis 2004. Dies liegt – trotz der hohen Wachstumsraten erneuerbarer Energien während der 1990er Jahre – vor allem daran, dass auch der Anteil anderer Energieträger stark gewachsen ist. Bei den „neuen“ erneuerbaren Energien ist die Stromerzeugung aus Windkraft in den OECD-Ländern seit 1990 durchschnittlich um knapp 25 Prozent pro Jahr gestiegen, Photovoltaik hat durchschnittlich sogar um 33 Prozent jährlich zugelegt. Je nach Land waren die Entwicklungen sehr unterschiedlich: In Deutschland hat die Stromerzeugung aus Photovoltaik und Windkraft um 72,6 Prozent beziehungsweise 55,4 Prozent pro Jahr im Durchschnitt zugenommen, während in den USA die Entwicklung mit 12,2 Prozent für Photovoltaik und 12,9 Prozent für Windenergie weniger rasant war.

Drei Vorteile

Erneuerbare Energien haben im Wesentlichen drei Vorteile: Sie leisten einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, zur Sicherung der Energieversorgung und zur Erhöhung der wirtschaftlichen Planungssicherheit. Die wirtschaftliche Planungssicherheit steht hierbei im Mittelpunkt, da ein höherer Anteil an erneuerbaren Energien dabei helfen kann, sich gegen die Risiken von Investitions- oder Finanzierungsmöglichkeiten auf den Öl- und Gasmärkten abzusichern – denn vor allem deren Schwankungen und Unsicherheit bei der Preisentwicklung wirken sich negativ auf Investitionen und Wirtschaftswachstum aus.


Ölpreis (Brent, US-Dollar/Barrel), 1992 bis 2006, Quartalswerte (blau) und Veränderung gegenüber der Vorperiode (lila).

Die Abbildungen links zeigen die Entwicklung der Erdöl- und der Erdgaspreise in den 1990er Jahren. Bei beiden Energieträgern haben die Investitionsrisiken seit der Jahrtausendwende zugenommen und für Veränderungen im Vergleich zu den relativ ruhigen 1990er Jahren gesorgt. Gerade die Entwicklung der Erdgaspreise ist für den Stromsektor von größerer Bedeutung, da Gas der wichtigere Energieträger bei der Stromgewinnung ist, während Öl hier nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ein höherer Anteil an erneuerbarer Energie verbessert durch die Preisstabilität die wirtschaftliche Planungssicherheit, da bei der Nutzung von Wind- und Sonnenkraft keine Brennstoffkosten anfallen, die Preisschwankungen unterliegen. Etwa 70 Prozent der weltweit bestätigten Erdöl- und auch ein wesentlicher Teil der Erdgasreserven befinden sich im Nahen Osten. Die politische Instabilität dieser Region erhöht das Risiko starker Preisschwankungen. Bei der wirtschaftlichen Beurteilung von erneuerbarer Energie findet dieser„Risiko-Reduzierungsvorteil“ bislang wenig Beachtung. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass diese Vorteile sehr schwer quantifizierbar sind.


Durchschnittliche Erdgasimportpreise der USA (US-Dollar/British thermal unit), 1992 bis 2006, Quartalswerte (blau) und Veränderung gegenüber der Vorperiode (lila).

Da sich die verbleibenden Energieressourcen auf wenige instabile Regionen konzentrieren, sehen in den USA mittlerweile auch konservative Kreise eine Ausweitung von erneuerbarer Energie als Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Im US-amerikanischen Kongress koalierten sogar liberale Abgeordnete mit Konservativen: Beide Gruppen wollen den amerikanischen Ölverbrauch drastisch reduzieren und sehen in der Ausweitung von erneuerbarer Energie ein Mittel dafür. Allerdings handeln beide Seiten aus unterschiedlichen Motiven: Konservative Politiker wollen die Energie-Exportabhängigkeit der USA reduzieren, Liberale handeln aus ökologischem Antrieb. Insgesamt ist der Anteil erneuerbarer Energie am Energiemix aber weiterhin relativ gering – trotz der umweltpolitischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Vorteile, die beide politische Lager sehen.

Stromerzeugungskosten

Noch vor wenigen Jahren lagen die Kosten für „grünen“ Strom deutlich über denen für konventionellen Strom. Zwar sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Technologien enorm, Windenergie und Wasserkraft sind heute jedoch unter günstigen Bedingungen mit den Kosten für die konventionelle Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern und Kernenergie zu vergleichen. Nach Angaben der IEA liegen sie zwischen 3 und 10 beziehungsweise 2 und 10 US-Cent je Kilowattstunde. Insgesamt konnten die Produktionskosten für erneuerbare Energien in den letzten zehn Jahren aber stark reduziert werden. Die Stromerzeugungskosten für Wind- und auch Solarstrom etwa sind heute um die Hälfte geringer als noch vor 10 bis 15 Jahren – vor allem durch die stetige technische Weiterentwicklung. Langfristig und unter günstigen Bedingungen wird erwartet, dass sich die Kosten weiter massiv reduzieren und bis 2020 bei 0, 01 bis 0, 02 für Geothermie, 0, 03 für Wind- und Wasserkraft, 0, 04 für moderne Biomasse und 0, 05 bis 0, 06 US-Dollar je Kilowattstunde für Photovoltaik liegen. Kurzfristig können die Produktionskosten für einzelne Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien aber auch steigen: Vor allem Betreiber aus der Windenergiebranche müssen oft lange aufErsatzteile warten, da die Hersteller momentan die Nachfragen nach Windturbinen nicht bedienen können – was wiederum zu Preissteigerungen geführt hat.


Stromerzeugungskosten (US-Cents pro Kilowattstunde)

Die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energie muss immer auch im Vergleich zu den Kosten für fossile Energie oder Nuklearenergie gesehen werden. Das bedeutet, dass die weitere Entwicklung erneuerbarer Energie von der Preisentwicklung anderer Brennstoffe, insbesondere Erdgas und Kohle, abhängen wird. In den OECD-Ländern etwa macht Öl mit einem Anteil von knapp über 5 Prozent nur einen geringen Anteil an der Stromerzeugung aus, aus Erdgas werden 19 Prozent des Stroms produziert, aus Kohle 38, aus Nuklearenergie 23 und aus erneuerbarer Energie 15 Prozent. Ebenso wichtig ist, dass die zu vergleichende Kostenstruktur erneuerbarer Energie auch davon abhängt, inwieweit externe Kosten, die bei Energienutzung anfallen, in die Energiepreise einberechnet werden: also die Kosten für die Gesellschaft, die nicht vom Verursacher der Kosten getragen werden, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Die tatsächlichen Kosten der Stromerzeugung beinhalten zum Beispiel auch die Kosten, die durch die Umweltbelastung entstehen. Die exakte Quantifizierung externer Kosten in der Stromerzeugung ist schwierig, einen guten Überblick gibt aber der Bericht des 2003 von der Europäischen Kommission finanzierten „ExternE-Projekts“, in dem externe Kosten für den Elektrizitäts- und Transportsektor bestimmt werden.

Anbindung an das Stromnetz

Eines der wichtigsten Hindernisse für einen größeren Marktanteil erneuerbarer Energien ist die Anbindung an das Stromnetz. Sie hängt sehr von den Unterschieden und Gegebenheiten in einzelnen Regionen und Ländern ab. In einem Großteil der OECD-Länder finden sich die optimalen Bedingungen für den Einsatz von Anlagen erneuerbarer Energie in entlegenen Gebieten, etwa entlang von Bergketten für Windkraftanlagen (siehe Foto ganz unten), in Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung für Photovoltaik-Anlagen oder entlang von Flüssen für große und kleine Wasserkraftanlagen. Diese und andere besonders günstige Gebiete befinden sich aber oft in Naturschutzparks, in denen nach dem Prinzip des sogenannten NIMBY (not in my backyard) keine Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen. In letzter Zeit wird sogar von einem BANANA-Problem (build absolutely nothing anywhere near anything) berichtet. Meist sind diese Orte auch weit entfernt von Stromnetzen oder von Ballungszentren, in denen die Elektrizität benötigt wird. Die Abbildung unten zeigt die Gebiete in den USA mit den höchsten Windpotenzialen, die vor allem in den Rocky Mountains und oberhalb der großen Seen liegen – also relativ weit entfernt von den Ballungszentren an der Ost- und Westküste. In den USA existiert ein weiteres Problem: Die Stromnetze sind stark veraltet und bereits heute überlastet. Exemplarisch zeigte sich das an den Stromausfällen in Kalifornien im Jahr 2003 und den wiederkehrenden Stromausfällen entlang der amerikanischen Ostküste. Verantwortlich dafür waren vor allem die zu geringen Investitionen in die Energie-Infrastruktur in den 1990er Jahren, die wiederum auf die sehr hohen Kosten für die Verbesserung von Überlandleitungen und die relativ geringen Energiepreise in den 1990er Jahren zurückzuführen waren.


Windenergiepotenzial in den Vereinigten Staaten.

Die Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energie befinden sich sowohl bei der Auswahl eines geeigneten Standortes als auch bei der notwendigen Anbindung an eine vorhandene Infrastruktur, etwa beim Zugang zum Stromnetz, in einer Zwickmühle: Haben die Anlagen keinen Zugang zum Stromnetz, können sie nicht ausreichend produzieren und kaum wirtschaftlich arbeiten. Solange aber die Produktionskapazität nicht ausreicht, lohnen sich die Investitionen in den Ausbau der Stromnetze nicht, um die Anlagen anzuschließen. Nicht verwunderlich also, dass die kalifornische Energiekommission im vergangenen Jahr in ihrem Energiebericht lange Verzögerungen beim Bau von Überlandleitungen für neue Solar- und Windkraftanlagen als eines der größten Hindernisse beim schnelleren Ausbau dieser Anlagen erkannte. So steht etwa der Anschluss eines großen geplanten Solarkraftwerkes des Betreibers Stirling Energy Systems weiter in Frage, das mehr als 300 Megawatt Strom an eines der größeren kalifornischen Versorger, die San Diego Gas & Electric, liefern soll. Ähnliche Schwierigkeiten hat auch Texas, der größte amerikanische Produzent von Windenergie: Die rasante Ausbreitung von Windkraftanlagen vor allem in entlegenen Gebieten stellte das teils veraltete texanische Stromnetz in den letzten zehn Jahren vor große Herausforderungen. Das Stromnetz befindet sich zwar in einem besseren Zustand als in Kalifornien, entspricht aber nicht den neuen Anforderungen.

Zugang zu Kapital

Der Zugang zu Kapital ist laut IEA eine weitere Markteintrittsbarriere für Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energie. Die Produktionskosten für „grünen“ Strom beinhalten im Wesentlichen drei Komponenten:

  • die Kapitalkosten für den Aufbau der Anlage und die Anbindung an das Stromnetz,
  • die laufenden Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung der Anlage und zumindest im Falle von Biomasseanlagen die Kosten für die Brennträger
  • sowie die Finanzierungskosten der geleisteten Investitionen.

Investitionen in eE-Anlagen weisen einige Besonderheiten auf: Da die Produzenten erneuerbarer Energie oft kleine oder mittlere Unternehmen sind, können Banken deren Kreditwürdigkeit meist nur mit Mehraufwand überprüfen – gerade im Vergleich zu großen Ölraffinerien. Das bedeutet, dass die Transaktionskosten bei „grünen“ Anlagen höher sind als bei konventionellen Anlagen, was wiederum die Finanzierungskosten für die Betreiber in die Höhe treibt. Zweitens ist gerade bei der „grünen“ Technik die Unsicherheit über die Rentabilität der Anlagen hoch, da sie sich noch am Anfang ihrer Entwicklung befinden – etwa bei der Wellen- und Meeresenergie. Viele Banken integrieren diese Unsicherheit in die Kreditvergabe, sodass Betreiber einen Risikozuschlag zahlen müssen. Drittens haben erneuerbare Energie- Projekte deutlich höhere Kosten bei den Anfangsinvestitionen. Dafür verursacht erneuerbare Energie aber nur relativ niedrige Betriebskosten. Für Windkraftanlagen an Land etwa belaufen sich die anfänglichen Kapitalkosten laut der British Wind Energy Association auf 75 bis 90 Prozent der gesamten Kosten. Die Folge sind lange Kreditlaufzeiten – ein Grund, warum sich die Risikokapitalbranche bislang kaum bei erneuerbaren Energien engagiert. Das scheint sich jetzt, zumindest für die Windenergiebranche in den USA, zu ändern: Die Investitionen von Risikokapital in Windenergie beliefen sich im vergangenen Jahr auf 1,6 Milliarden US-Dollar.

Ausblick

Dennoch bleiben fossile Energieträger auch in den nächsten Jahrzenten die dominierenden Energiequellen. Der Anteil erneuerbarer Energien aber wird in Zukunft steigen: Das deuten die rasanten Wachstumsraten von Windkraft und Sonnenenergie an. Sinkende Produktionskosten werden erneuerbare Energie immer konkurrenzfähiger machen, und auch das neue Interesse von Risikokapital an der „grünen“ Branche ist ein klarer Hinweis darauf, dass erneuerbare Energien im Mainstream angekommen sind. Eines der Hauptprobleme für deren weiteren Ausbau – die Anbindung an das Stromnetz – wird in den kommenden Jahren bestehen bleiben. Auch von staatlicher Seite sind weiterhin Maßnahmen zur Unterstützung bei der Entwicklung von erneuerbarer Energie nötig, um noch nicht ausgereifte Technologien weiterzuentwickeln und die Sicherheit für Investoren aufrechtzuerhalten. Externe Einflüsse, Marktbarrieren aufgrund asymmetrischer Informationsflüsse, und die Marktmacht der bestehenden Energiekonzerne müssen dafür abgebaut werden. Die staatlichen Maßnahmen sollten vor allem als Anschubund nicht als dauerhafte Unterstützung angelegt werden und sich darauf konzentrieren, Barrieren und Fehler abzubauen, um die Marktkräfte wirken zu lassen.