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Mexiko

Schutzmauer oder Grenzraum?

04.12.2007

Für den mexikanischen Schriftsteller Carlos Fuentes ist die heutige Grenze zu den USA eine offene Wunde.

Für den mexikanischen Schriftsteller Carlos Fuentes ist die heutige Grenze zu den USA eine offene Wunde.
Bildquelle: University of California, IRVINE

Wer die Frage nach den politischen Grenzen des mexikanischen Staatsgebietes stellt, begibt sich auf heikles Terrain: Welche politische Heimat hat ein mexikanischer Migrant in Chicago, der auf beiden Seiten des Rio Grande an Wahlen teilnehmen und seine politischen Rechte wahrnehmen möchte? Die Antwort der Soziologin Stephanie Schütze: „La nación mexicana llega hasta donde estamos los mexicanos.“ Dass die mexikanische Nation sich auf jenes historisch zu Mexiko gehörende Territorium erstrecke, ist für den US-amerikanischen Politologen Samuel Huntington hingegen der Grund, von einer „Hispanic Challenge“ zu sprechen. Er warnt vor dem „historical claim to U.S. territory” oder der „Reconquista“, die rechte Gruppen in den USA schon lange anhand der Ausbreitung der „Latinos“ und der spanischen Sprache glauben belegen zu können.

Für viele Mexikaner, so auch für den mexikanischen Schriftsteller Carlos Fuentes, ist die heutige Grenze zu den USA eine „offene Wunde“: Sie steht für den Verlust eines Drittels des mexikanischen Staatsgebietes. Einige Chicanos, wie die in den USA lebenden Mexikaner bezeichnet werden, teilen wiederum den Traum von Charles Truxillo, Professor für Chicano Studies an der University of New Mexico. Truxillo sieht in der dauerhaften Anwesenheit der spanisch-mexikanischen Sprache und Kultur sowie der verstärkten Präsenz von „Latinos“ in den USA gar einen dritten Staat zwischen den USA und Mexiko entstehen. Seine Vision einer „República del Norte“ ist die einer souveränen hispanischen Nation, die sich vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko erstreckt, und von US-amerikanischer Seite die Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, New Mexico, Texas und Colorado umfasst, von mexikanischer Seite die Bundesstaaten Baja California, Sonora, Chihuahua, Coahuila, Nuevo Leon und Tamaulipas. Regiert werde von der neuen Hauptstadt Los Angeles – ein Szenario, mit dem man etwa im Jahr 2080 rechnen könne.

Keine eindeutige geografische Verortung

Wer auf die Frage, wo genau Mexiko liegt, in der Geografie sucht, findet auch hier keine eindeutige Antwort. Die einen definieren Mexiko als einen Staat in Nordamerika, der im Norden an die Vereinigten Staaten, im Süden an Belize und Guatemala grenzt – umgeben vom Pazifik im Westen und vom Golf von Mexiko im Osten.
Andere behaupten mit Verweis auf die spanischen Sprach- und Kulturräume, dass Mexiko ein Staat in Mittelamerika sei. Nimmt man weitere Sprachgruppen und deren kulturelle Praktiken hinzu, werden vielsprachige und multi ethnische Räume sichtbar, in denen vor, neben und mit den Europäern Azteken, Chichimeken, Huaxteken, Maya, Mixteken, Olmeken, Purépecha, Tolteken, Totonaken oder Zapoteken lebten und leben. Klassifiziert man deren vielschichtige kulturelle Dynamiken nach ethnografischen Phänomenen, entsteht ein Raum, den der deutsche Anthropologe und Philosoph Paul Kirchhoff 1943 als „Mesoamerika“ bezeichnete. Offensichtlich überlagern und verschränken sich hier unterschiedliche sprachliche und kulturelle Ausdrucksformen. Ihre Mischformen werden von Kulturwissenschaftlern wie dem argentinischen Soziologen Néstor García- Canclini als Ausdrucksformen von Hybridität und transnationalen Kulturen erfasst.

Der elfte Präsident James K. Polk setzte sich erfolgreich gegen die vollständige Besetzung Mexikos durch
Quelle: wikipedia

Indianische und mesoamerikanische Kulturräume

Trotzdem setzten sich auch räumliche Vorstellungen mit der Konstruktion des Nationalstaates oder Lateinamerikas als Kulturraum durch. In Mexiko geht damit die Verdrängung anderer, indianischer und mesoamerikanischer Kulturräume einher – die Verdrängung ins Museum. Außerhalb der Museen überleben diese Kulturräume in der Vorstellung eines „México profundo“, einer „verleugneten Zivilisation“, wie der mexikanische Anthropologe Guillermo Bonfi l schreibt.
In der nationalstaatlichen Konstruktion des mexikanischen, spanisch sprechenden „Mischlings“ haben die „Amerind“ die „American Indians“ keinen Platz – auch nicht in der von Intellektuellen des Subkontinents bevorzugten Konstruktion „Lateinamerikas“ als eigenen Kulturkreis.
Für die Vorstellung von einer mexikanischen Nation sind es jedoch weniger die „Indios“, von denen es sich abzusetzen gilt. Indios könnten – so glaubten es nach der mexikanischen Revolution der Bildungsminister José Vasconcelos und seine Lehrer – durch Kulturmissionen zu Mexikanern erzogen, wenn nicht gar bekehrt werden. Gravierender schien die Differenz zur angelsächsischen Welt des nördlichen Nachbarn, die auf handfesten Erfahrungen von Verlust und Gewalt basierte. Bereits 1811 legalisierte der US-Kongress nachträglich die Besetzung spanischen Territoriums durch anglo-amerikanische Siedler. 1845 annektierten die USA Texas, und im Krieg gegen Mexiko verschoben sie zwischen 1846 und 1848 ihre Staatsgrenze im Süden bis zum Rio Grande.

Der Damm zwischen den Amerikas

Auch nördlich des Grenzflusses betonte der damalige US-Präsident James K. Polk die kulturellen Differenzen und warnte nach der erfolgreichen Aneignung großer Teile des mexikanischen Territoriums entschieden vor einem weiteren Vordringen in das „Herz Mexikos“.Er setzte sich erfolgreich gegen diejenigen Stimmen durch, die ganz Mexiko besetzen wollten, indem er neben den finanziellen Risiken auch vor den kulturellen Unterschieden warnte – und damit den Rio Bravo, beziehungsweise den Rio Grande, als geokulturelle und territoriale Grenze der USA markierte. Auch der französische Aristokrat Alexis de Tocqueville beobachtete vor mehr als 160 Jahren zwei sehr unterschiedliche Amerikas. In seinem Werk „Über die Demokratie in Amerika“ schreibt er über die Unterschiede: „Im Süden stößt man auf eine Zauberwelt, für die Bedürfnisse des Menschen bereitet oder zu seiner Lust bestimmt, um die Zukunft brauchte man sich keine Sorgen zu machen, und die tödlichen Gefahren bemerkte man nicht“. Ein ganz anderes Bild bot Nordamerika: „Hier war alles streng, ernst, feierlich; es schien, als sei es zum Wohnsitz des Geistes bestimmt, wie das andere zur Heimat der Sinne erkoren war.“ Alexis de Tocqueville ist es auch, der zusammen mit dem französischen Ökonom Michel Chevalier die Idee eines lateinischen, über Europa hinausgreifenden Kulturkreises unterstützte, und von einer „racelatine“ spricht, die auch in außereuropäischen Regionen, insbesondere in Amerika, zu verorten sei. Zugleich warnte er vor einer Expansion der USA und vor der Gefahr eines Konflikts entlang der Grenze zwischen dem lateinischen und dem angelsächsischen Amerika. Mit der Annexion Texas’ durch die USA 1845 sah man in Frankreich diese Befürchtungen bestätigt.
Frankreichs Außenminister François Pierre Guillaume Guizot formulierte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, die „race latine“ nicht allein in Europa, sondern auch in Amerika zu schützen. Sie sollte nicht unter das Joch der Angelsachsen kommen: „Qu’elle ne tombe pas sous le joug, et ne soit pas dévorée par la race anglo-américaine.“ Doch erst unter der Herrschaft Louis Bonapartes, im „Seconde Empire“, wurde „Latinität“ in Frankreich zunehmend politisiert und mit geostrategischen Überlegungen verbunden. Die Konstruktion einer transatlantischen „race latine“ erlebte mit der französischen Intervention in Mexiko (Januar 1862 bis März 1867) ihr geostrategisches Fiasko: Sie endete am 19. Juni 1867 mit der Hinrichtung des österreichischen Erzherzogs Maximilian, dem jüngeren Bruder des Kaisers von Österreich. Der Anlass für das koloniale Abenteuer waren kommerzielle Interessen Frankreichs, etwa die Eintreibung von Schulden.

Schneller sein als die Vereinigten Staaten

Die weiteren geopolitischen Motive Frankreichs zielten jedoch eindeutig darauf, im Wettlauf mit den USA schneller zu sein und den Einfl uss Frankreichs in Mexiko zu verankern, bevor die USA die Vorherrschaft über den ganzen Kontinent erlangen konnten. Die Gelegenheit schien günstig: Die USA waren während ihres Bürgerkrieges seit 1861 weitgehend handlungsunfähig und konnten, selbst wenn sie gewollt hätten, ihre 1823 gegen die europäischen Kolonialmächte formulierte Monroe- Doktrin nicht militärisch durchsetzen. Die USA warnten das monarchistische Frankreich davor, sich in Mexiko einzurichten – eine Warnung, die von Napoleon III. öffentlich gering geschätzt werden konnte. In seinem Schreiben an den französischen General Federico Forey vom 3. Juli 1862 heißt es: „Beim gegenwärtigen Stand der Weltzivilisation ist der Reichtum Amerikas für Europa nicht gleichgültig, denn davon ernährt sich unsere Industrie und lebt unser Handel. Wir sind daran interessiert, dass die Republik der Vereinigten Staaten mächtig und wohlhabend ist, doch haben wir kein Interesse, dass sie sich des ganzen Golfs von Mexiko bemächtigt, um von dort aus die Antillen und Südamerika zu beherrschen und die einzige Ausgabestelle für Produkte aus der Neuen Welt wird. Wenn sie einmal Mexiko und damit Zentralamerika und damit den Durchgang zwischen zwei Meeren beherrscht, wird es in Amerika keine andere Macht mehr als die Vereinigten Staaten geben. Wenn es uns im Gegenteil gelingt, eine stabile Regierung mit den Waffen Frankreichs zu konstituieren, werden wir einen Damm gegen die Überflutung aus den Vereinigten Staaten besitzen.“

Militärische Abenteuer Napoleons

Legitimiert wurde das militärische Abenteuer Napoleons III. mit der Behauptung, einen gemeinsamen lateinischen Kulturkreis beschützen zu müssen. Zugleich bemühte man sich auch mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen um eine stärkere Integration. Die Zoll-Union der lateinischen Länder und die Gründung einer „Union monétaire latine“ 1865 in Paris waren jedoch ebenso wenig erfolgreich wie die militärische Intervention in Mexiko. Ende des 19. Jahrhunderts war das mit der französischen Außenpolitik eng verbundene Projekt der „Latinität“ gescheitert. Allerdings bedeutete dies in keiner Weise das Ende des Begriffs „Latinität“. Im Gegenteil: Durch die Aneignung im Diskurs lateinamerikanischer Intellektueller erhielt der Begriff „Lateinamerika“ eine neue Bedeutung. Dieser erfährt eine bis heute andauernde Karriere und Ausweitung und reicht mit der Zuschreibung „latino“ weit in den Norden Amerikas hinein.

Der mexikanische Diktator Porfirio Díaz sah das Schicksal seines katholischen Landes stärker von den USA als von Gott geprägt: "Pobre México, tan lejos de Dios y tan cerca de los Estados Unidos."
Quelle: wikipedia

Vom Sprecher der „Dritten Welt“ zum Schleusenraum

Ganz gleich, wie und wo man Mexiko verortet, stets wird auf den Nachbarn im Norden verwiesen. Fast niemand kommt ohne das bekannteste Zitat des mexikanischen Diktators Porfirio Díaz aus, der das Schicksal des katholischen Landes stärker von den USA als von Gott geprägt sah: „Pobre México, tan lejos de Dios y tan cerca de los Estados Unidos“. Damit wird zugleich die Differenz und Abhängigkeit erfasst, in der sich mexikanische Politik und Gesellschaft bewegen. Die mexikanische Republik hat sich seit ihrer Gründung stets als souveräner Staat und nicht als Damm zwischen Nord- und Südamerika gesehen, um lange Zeit die Abhängigkeit zu überspielen. Nach der Vertreibung der napoleonischen Truppen, und erst recht nach der Revolution (1910 bis 1917) beruhte das außenpolitische Verständnis der Republik auf der „Doctrina Juárez“, die das Selbstbestimmungsrecht der Nationen einfordert. In den 1970er Jahren verstärkten sich die Bemühungen, nicht als Vorhof der USA zu gelten und eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben. So positionierte sich Mexiko in dieser Zeit nicht nur als Teil Lateinamerikas, sondern ganz bewusst auch als Teil der „Dritten Welt“ – und versuchte sich als Sprecher der „Blockfreien“ für die damit verbundenen Interessen zu profilieren.

Viele Jahre distanziert und beinahe irritiert

Umgekehrt sahen die USA viele Jahre distanziert und beinahe irritiert auf den südlichen Nachbarn, der sich aus amerikanischer Warte undankbar, fast feindlich verhielt – und das trotz der schon lange vor dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) bestehenden engen wirtschaftlichen Verflechtungen und der wachsenden Migration. Der damalige US-amerikanische Botschafter in Mexiko, John D. Negroponte, hoffte schon zu Beginn der NAFTA-Verhandlungen auf eine proamerikanische Neuorientierung der mexikanischen Außenpolitik.

Frankreichs Außenminister Francois Pierre Guillaume Guizot formulierte die Notwendigkeit, die "race latine" auch in Amerika zu schützen, damit sie nicht unter das Joch der Angelsachsen käme.
Quelle: University of Texas Libraries

 Lautstark beklagte er: „Obwohl auch früher schon 60 bis 70 Prozent des mexikanischen Außenhandels mit den Vereinigten Staaten abgewickelt wurden, musste man bei Debatten in den Vereinten Nationen oder in Gesprächen über die Zukunft Mittelamerikas den Eindruck gewinnen, beide Staaten seien ‚Erzfeinde‘. Jetzt hingegen ist die übliche ‚demagogische Rhetorik der Dritten Welt‘ einer ‚in internationalen Fragen verantwortungsbewussteren Position‘ gewichen.“ Tatsächlich ist es den USA gelungen, Mexiko ökonomisch nicht nur über die nordamerikanische Freihandelszone, sondern auch geostrategisch in die hemisphärische Konstruktion eines neuen „North America“ einzubeziehen. Dieses neue „North America“ ist Teil einer veränderten Perspektive auf die Amerikas, ein Blick, der den Kontinent aufteilt und Mexiko die Funktion eines Schleusenund Grenzraumes gegenüber Südamerika zuweist.

Freie Beweglichkeit von Waren – nicht von Menschen

Das mexikanische Territorium wird auf verschiedene Weisen eingebunden: Seit 1994 ermöglicht die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA eine ökonomisch selektive Öffnung, die der freien Beweglichkeit von Waren und Dienstleistungen verpflichtet ist, aber gleichzeitig die freie Beweglichkeit der Menschen einschränkt.
Aus Sicht des USamerikanischen Verteidigungsministeriums gehörtMexiko seit 2002 zum „Northern Command“ und bildetdamit einen Teil der „homefront“. Ins Visier geratenvor allem Individuen: Es geht um die Kontrolle illegalerBewegungen von Menschen und Waren, von Migranten,Terroristen und Drogen.Legitimiert durch verschiedene Sicherheitsdiskurse inden 1990er Jahren wurden riesige Ressourcen für Programmewie „Operation Gatekeeper“ in Kalifornien, „Operation Hold-the-Line“ in Texas und „OperationSafeguard“ in Arizona mobilisiert, und im Rahmen des„Plan Sur“ der mexikanische Süden in einen befestigtenGrenzraum verwandelt.

Der Rio Bravo beziehungsweise der Rio Grande wirkt als geokulturelle und territoriale Grenze zwischen Mexiko und den USA
Quelle: iStockphoto

Der Erfolg des „Rebordering“einer lange Zeit relativ offenen Grenze zwischen denUSA und Mexiko ist gering und empirisch kaum festzustellen.Trotz deutlich verstärkter Grenzkontrollen,technischer Aufrüstung und Mauerbau steigt die Zahlder spanisch sprechenden Bevölkerung in den USA –und das, obwohl immer mehr Grenzgänger aufgegriffen und zurückgeschickt werden.
Zwischen 1990 und 2000 ist die „Hispanic Population“ in den USA um 60 Prozent gewachsen, viermal mehr im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Als Hispanic Population erfasst das „US Census Bureau“ spanisch sprechende Personen, egal, ob sie in Lateinamerika geboren sind oder aus früheren spanischen Kolonien stammen, die seit dem 19. Jahrhundert zu den USA gehören. Diese nach ihrer Sprache zusammengefasste Gruppe wird seit der Veröffentlichung der Bevölkerungsdaten im Jahr 1980 in der Öffentlichkeit als die größte und am schnellsten wachsende Minderheit diskutiert. In einigen Kreisen wird sie sogar als Gefahr für die anglo-amerikanische Kultur gesehen. Im öffentlichen Diskurs werden die Differenzen innerhalb der äußerst heterogenen Hispanic Population allerdings eingeebnet. Die sprachlichen, religiösen, ethnischen und sozialen Differenzen der Arbeitsmigranten, ob legal oder „indocumentados“, werden bei dieser Debatte ebenso verdrängt wie die historischen Unterschiede – nämlich das Wissen darüber, dass große Teile des Südens der USA zunächst zum spanischen Kolonialreich oder zum unabhängigen Mexiko gehörten. Ausgeblendet wird auch die Geschichte der Puertoricaner, die seit 1917 US-Bürger sind. Das Gleiche gilt für die im Zuge der kubanischen Revolution nach Florida migrierten Kubaner.

Der damalige US-amarikanische Botschafter in Mexiko, John D. Negroponte, hoffte schon zu Beginn der NAFTA-Verhandlungen auf eine proamerikanische Neuorientierung der mexikanischen Außenpolitik.
Quelle: www.state.gov

Konstruktion der Hispanics-Latinos

Sie alle gehen in der Konstruktion der „Hispanics-Latinos“ auf. Die verschiedenen Zuwanderer-Gruppen haben ganz unterschiedliche Formen entwickelt, sich ihre Rechte in einem transnationalen Raum zu erstreiten, und damit die Gestaltung dieses Raums selbst zur Diskussion zu stellen. Aus einer „Perspektive von unten“ wird nicht allein eine räumliche Trennung oder Abspaltung wahrgenommen, sondern die Herausbildung transnationaler und transkultureller Netzwerke. Transmigrationsprozesse ziehen demnach nicht allein Verbindungslinien zwischen indianischen Dörfern im Süden und ländlichen Regionen oder städtischen Slums weit im Norden, sondern verändern die Räume an den Staatsgrenzen; am deutlichsten zu erkennen an den wachsenden „twin cities“ entlang der US-mexikanischen Grenze, in denen Unterschiedliches koexistiert und sich verbindet. Doch sogenannte „zonas de negociación transnacional“ oder „terrenos disputados“ entstehen auch weit darüber hinaus in den Kernregionen des Nordens – nicht nur in Miami, sondern auch in Chicago und New York. Sie verändern die politischen Räume und schaffen neue mentale Landkarten weit jenseits nationalstaatlicher Grenzziehungen.