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Globalisierung von unten

Familienkasse und Finanzkrisen

04.12.2007

Auch für große Wirtschaftsländer wie Mexiko sind die Rücküberweisungen der Emigranten neben Erdöl und der Macquila-Industrie ein zentraler Devisenbringer.

Auch für große Wirtschaftsländer wie Mexiko sind die Rücküberweisungen der Emigranten neben Erdöl und der Macquila-Industrie ein zentraler Devisenbringer.
Bildquelle: iStockphoto

Die millionenschweren Rücküberweisungen lateinamerikanischer Emigranten, die das Geld aus den USA in die Heimatländer transferieren, sind wichtige Überlebenshilfen für deren Familien vor Ort. Für die Herkunftsländer selbst können diese Geldmengen auch einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Zahlungsbilanz und zur Abwendung von Finanzkrisen leisten. Floss Anfang der 1970er Jahre noch fast kein Geld, stieg die Summe der offiziell registrierten Rücküberweisungen in Entwicklungsländer nach Schätzungen der Weltbank 2005 auf 167 Milliarden US-Dollar – das ist weit mehr als die internationalen Entwicklungshilfegelder.

Die weltweite Migration entlang des Wohlstandsgefälles zwischen Nord und Süd hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur zugenommen, sondern sich auch qualitativ verändert. Die Migration aus lateinamerikanischen Ländern in die USA ist ein prominentes Beispiel: Das klassische Assimilationsmodell („Melting Pot“), mit dem der Nationalstaat auf die Herausforderung durch grenzüberschreitende Migration antwortete, greift nicht mehr so leicht wie früher: Die rund 45 Millionen Latinos in den USA behaupten nicht nur Sprache und Kultur, sie unterhalten auch vielfältige soziale, ökonomische und politische Beziehungen zu ihren Herkunftsländern. Migration ist nicht mehr ein klares „Von-hier-nach-dort“, sondern wird, wie die Migrationsforschung es nennt, „transnational“: eingebunden in grenzüberschreitende soziale Netzwerke und mit Aktivitäten und Identitäten, die sowohl Herkunfts- als auch Residenzland einbeziehen.

Wo Kosten und Zeitaufwand für Transport und Kommunikation radikal gesunken sind, ist auch für Migranten der „Entfernungszoll“ geschrumpft. Soziale Beziehungen sind auch bei räumlicher Trennung vergleichsweise leicht aufrechtzuerhalten.

Materielles Rückgrat transnationaler Migrationsnetzwerke

Das materielle Rückgrat dieser transnationalen Migrationsnetzwerke sind die Rücküberweisungen der Emigranten („Remittances“). Was nach Kleingeld klingt, hat sich zu einer finanziellen „Globalisierung von unten“ entwickelt. Von nahezu Null Anfang der 1970er Jahre stiegen allein die offiziell registrierten Remittances in Entwicklungsländer nach Schätzungen der Weltbank im Jahr 2005 auf 167 Milliarden US-Dollar – und übersteigen damit das Volumen internationaler Entwicklungshilfegelder bei Weitem. Hinzu kommen die über informelle Wege gesandten Gelder, die den Umfang schätzungsweise um weitere 50 Prozent erhöhen können.

Das Wachstum der Remittances erfolgt dabei nicht proportional zur Migration, sondern exponentiell. Rund ein Drittel der weltweiten Remittances fließt nach Lateinamerika (fast 80 Prozent stammen dabei aus den USA). Die Wachstumsdynamik ist ungebrochen: Verzeichneten Lateinamerika und die Karibik 2002 noch 32 Milliarden US-Dollar, gehen Schätzungen aus dem Jahr 2005 von 53 bis 55 Milliarden US-Dollar aus – ein Wachstum von 70 Prozent in nur drei Jahren. Innerhalb Lateinamerikas verteilen sich die Remittances sehr ungleich. Insbesondere für die Staaten Zentralamerikas und der Karibik mit hohen Migrationsraten stellen sie teilweise mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes dar. Aber auch für eine so große Ökonomie wie die Mexikos sind die Rücküberweisungen der Emigranten neben Erdöl und der Maquila-Industrie ein zentraler Devisenbringer.

Die Rücküberweisungen haben aber nicht nur in absoluten Zahlen zugenommen, auch ihre relative Bedeutung für die externe Finanzsituation Lateinamerikas hat zugenommen. Seit Ende der 1990er Jahre sind Kapitalflüsse, Bankkredite und ausländische Direktinvestitionen drastisch zurückgegangen, was in vielen Ländern zu großen Problemen der Zahlungsbilanz geführt hat. Auch dadurch haben die Gelder der Migranten die Region davor bewahrt, sich noch stärker als bisher an die Widrigkeiten der internationalen Finanzmärkte anpassen zu müssen – etwa durch eine Verminderung der Binnennachfrage. Stand bislang der Beitrag der Remittances zur Armutsminderung im Zentrum des Forschungsinteresses, so muss man angesichts des enormen Zuwachses von Umfang und Bedeutung der Rücküberweisungen auch nach ihrem Potenzial zur Stabilisierung der Zahlungsbilanz und zur Abwehr von Finanzkrisen fragen.

Zur Ökonomie transnationaler Familienbeziehungen

In Zeiten sinkender Kommunikationskosten sind auch für Migranten soziale Beziehungen  bei räumlicher Trennung vergleichsweise leicht aufrechtzuerhalten.
Quelle: photocase

Die Mehrzahl der Studien über ökonomische Ursachen und Konsequenzen der Remittances gehen von mikroökonomischen Ansätzen aus, die die Rücküberweisungen als Teil von Familienbeziehungen und transnational erweiterten „Haushalten“ verstehen. Das Konzept der New Economics of Labour Migration geht von rationalem, gewinnmaximierendem Verhalten der an den Remittances-Flüssen beteiligten Familienmitglieder aus und erklärt sie mit der Idee „impliziter Verträge“ innerhalb der Familie. Diese umfassen nicht nur ökonomische Faktoren, sondern stellen auch emotionale Beziehungen „in Rechnung“ Verschiedene Modelle können dies erklären: Das Modell eines impliziten Kontrakts wechselseitiger Versicherung zwischen Migranten und „Bleibern“ zur besseren Verteilung des ökonomischen Erwerbsrisikos: Da die Wahrscheinlichkeit einer simultanen Krise in verschiedenen Ländern vergleichsweise gering ist, hat die „transnationale Familie“ eine erhöhte Sicherheit, um auch in Krisenzeiten über wenigstens eine gesicherte Einkommensquelle zu verfügen.

Das Modell der Arbeitsmigration als impliziter innerfamiliärer Kreditvertrag: Hier fungiert die Familie gleichsam als Bank, die die Migration eines Mitglieds vorfinanziert (etwa durch Investitionen in die Ausbildung der Töchter oder Söhne) und bei der die Remittances der erfolgreichen Migranten als Rückzahlung des Kredits verstanden werden können.

Ein anderes Motiv, das in Rechnung gestellt wird, ist altruistischer Natur: die selbstlose „Liebe zur Familie“. Diese Remittances steigen in wirtschaftlichen Krisenzeiten in den Herkunftsländern an, da dann die Hilfe der emigrierten Verwandten am dringendsten benötigt wird. Andere Modelle beziehen sich auf die Dauer der Migration als zentralem Faktor zur Erklärung der Remittances-Flüsse. Je kürzer die geplante Aufenthaltszeit des Migranten ist, desto höhere Rücküberweisungen sind zu erwarten, da wegen des vorübergehenden Aufenthalts im Zielland dort nur die nötigsten Investitionen geleistet werden. Wenn die Migration dauerhaft ist, sind im Zeitverlauf sinkende Remittances zu erwarten, die schließlich sogar vollständig ausbleiben können. Ein idealtypisches Modell geht von einem Verlauf der Migration in Wellen aus: Der Zeitpunkt der Emigration liegt im jungen Erwachsenenalter, wenn die Reproduktionskosten gering und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt günstig sind; Emigranten unterstützen dann aus der Ferne die zurückbleibende Familie mit Remittances; wenn der Emigrant dann im Rentenalter in die Heimat zurückkehrt (während Mitglieder der jüngeren Generation inzwischen Migranten geworden sind), schließt sich das System intergenerationeller Transfers via Migration und Remittances.

Diese Modelle schließen sich keineswegs gegenseitig aus. Im Gegenteil: Um das komplexe Phänomen von Migration und Remittances zu erklären, scheinen Ansätze, die verschiedene Modelle und Erklärungsversuche kombinieren, am ertragreichsten. Neben weiteren Aspekten wie Alter, Familienstand, Bildungsniveau und sozioökonomischen Bedingungen des Zielorts der Migration ist auch das Geschlecht – insbesondere im Zusammenspiel mit Familien- und Sozialstruktur im Herkunftsland – ein wesentlicher Faktor für Umfang und Rhythmus der Rücküberweisungen.

Remittances: makroökonomische Ansätze

Jenseits der mikroökonomischen Studien, die Ursachen und Verlauf der Remittances auf der Ebene der Familiennetzwerke erklären, werden auch makroökonomische Ansätze immer wichtiger, die nach den gesamtwirtschaftlichen Implikationen fragen. Der erste Bezugspunkt ist die Zahlungsbilanz. Da die Überweisungen weder exportierte Produkte oder Dienstleistungen sind, die in der Handelsbilanz registriert werden, noch Kapitalzuflüsse wie Direktinvestitionen, die in der Kapitalbilanz verbucht werden, firmieren sie in der Regel unter Transferleistungen in der Dienstleistungsbilanz. Die reine Höhe dieser Daten gibt jedoch noch keine Auskunft darüber, ob diese Geldsendungen über ihre direkten Empfänger hinaus einen positiven Effekt für die Entwicklung und makroökonomische Stabilisierung des Empfängerlandes leisten. Hierzu bedarf es empirischer Studien über die Verwendung der Überweisungen. Dabei geht es zunächst um die Frage, inwieweit Remittances die Netto-Deviseneinkünfte erhöhen, und um die Frage, inwieweit sich aus der Verwendung der Überweisungen Multiplikator-Effekte für den Binnenmarkt ergeben.

Verschiedene Studien auf der Basis von Umfragen unterscheiden bei der Verwendung der Remittances zwischen Konsum und Investition. Empirische Untersuchungen über Remittances-Empfänger in Mexiko zeigen, dass 78 Prozent für laufende Ausgaben wie Miete, Lebensmittel und Gesundheit ausgegeben werden, 10 Prozent werden investiert oder gespart. Gleichzeitig steigt der Anteil der Investitionszwecke auf bis zu 40 Prozent für jene Fälle, in denen die Remittances von einem Sparkonto US-amerikanischer Emigranten kommen. Solche pauschalen Angaben sind aus ökonomischer Sicht mit großer Vorsicht zu genießen. Was in den Umfragen als Investition benannt wird, kann sich im Hinblick auf die Zahlungsbilanz als Devisenverbrauch darstellen – etwa wenn in einer Region Investitionen in Bauvorhaben zu einer Blase der Immobilienpreise führen und weniger zur rentablen Nutzung. Andererseits kann, was in den Umfragen als Konsum erscheint, durchaus als Investition verstanden werden – beispielsweise bei Ausgaben für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen. Sie stellen nicht selten die Basis für deren künftige Migration dar – und damit für die „Produktion“ künftiger Remittances.

Bildung von Klein- und Mikrounternehmen

Auch die Analyse der sekundären Effekte der Ausgaben ist bedeutend. Wenn diese Ausgaben eine Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen generieren, die in der Binnenwirtschaft hergestellt werden, kann dies zu weiteren produktiven Investitionen im Land führen. Remittances können zudem die Bildung von Klein- und Mikrounternehmen fördern, die in aller Regel nicht leicht auf den regulären Kreditmarkt gelangen. Studien zufolge wurden etwa 20 Prozent der städtischen Mikrounternehmen in Mexiko maßgeblich durch Überweisungen von Emigranten finanziert.

Für den Beitrag der Remittances zur makroökonomischen Stabilisierung der Zahlungsbilanz ist es zudem wichtig, dass die zeitlichen Schwankungen der Remittances nicht parallel zu anderen internationalen Kapitalströmen verlaufen. Die bisherige Forschung zeigt, dass die Rücküberweisungen der Migranten deutlich geringer schwanken – verglichen mit den stark schwankenden internationalen Portfolio-Investitionen und anderer privater Kapitalströme wie Bankkrediten und Direktinvestitionen.

Wechselkurse und unterschiedliche Zinsen haben einen erheblichen Einfluss auf Remittances.
Quelle: Istockphoto

Weitere Faktoren, die sich auf Umfang und Rhythmus der Remittances auswirken, sind das Wechselkursregime und das Zinsdifferenzial zwischen Sender- und Empfängerland. Die Existenz eines informellen Wechselkurses, der vom offiziellen abweicht, erhöht aus naheliegenden Gründen den Anteil der Überweisungen, die über informelle Wege geschickt werden. Auch ein substanziell höheres Zinsniveau im Empfängerland kann den Zustrom von Überweisungen begünstigen. Eine weitere makroökonomische Korrelation von erheblicher Bedeutung ist die konjunkturelle Entwicklung im Senderland: In dem Maße, in dem sich wirtschaftliches Wachstum in erhöhte Einkommen der Migranten übersetzt, wächst das Potenzial der Remittances. Allerdings kann, wenn die Migranten ausreichend in das Sozialsystem des Ziellandes integriert sind, auch bei einem wirtschaftlichen Abschwung der Umfang der Überweisungen bemerkenswert stabil bleiben.

Der Bedeutungszuwachs der Remittances hat zu einer breiten Diskussion über die adäquaten Politikansätze geführt, inwieweit der Beitrag der Migrantengelder die Zahlungsbilanz stabilisiert und eine dynamische Entwicklung der nationalen Ökonomie maximiert. Hierfür müssen die mikroökonomisch fundierten Studien über Motivation und Verlauf der Remittances gemeinsam mit den makroökonomischen Verknüpfungen analysiert werden. Wenn Migration als implizites innerfamiliäres Versicherungsarrangement verstanden wird, hilft dies, den erheblich antizyklischen Charakter der Remittances-Flüsse zu erklären, da sie sich als Versicherung vor allem in Krisenmomenten bewähren müssen. Wenn die persönliche Krise der Empfängerfamilien auf eine Zahlungsbilanzkrise des Empfängerlandes trifft, wirkt dieser antizyklische Charakter der Remittances auch makroökonomisch stabilisierend.

Das vielleicht deutlichste Beispiel ist Kuba: Als in der tiefen Krise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre die Lebensbedingungen der Bevölkerung auf der Insel überaus schwer wurden, begannen viele emigrierte Kubaner, Remittances an ihre Verwandten auf der Insel zu schicken. Diese Devisenflüsse waren für die einzelnen Empfängerfamilien sehr wichtig, um im täglichen Leben über die Runden zu kommen. Gleichzeitig aber wurden sie auch für den sozialistischen Staat zu einem ökonomischen Rettungsanker, der durch die Zahlungsbilanz immerhin so weit stabilisiert wurde, dass ein Minimum an Importen aufrechterhalten werden konnte.

Schlussfolgerungen für eine klügere Migrationspolitik

Die Modellierung von Migration und Remittances als implizite Versicherungs- oder Kreditbeziehung führt dazu, einen erheblichen Teil ihrer Verwendung als Investition in die „Produktion künftiger Migranten“ – und damit künftiger Remittances – zu verstehen. Dies betrifft nicht nur formale Ausbildungskosten, sondern auch „normale“ Konsumausgaben: zum Beispiel Lebenshaltungskosten der Großeltern, wenn diese, wie vielfach üblich, in den Herkunftsorten die Enkelkinder betreuen, die die potenziellen Migranten der nächsten Generation darstellen.

Für die Wirtschaftspolitik der Empfängerländer ergibt sich aus diesen Modellen, dass die makroökonomischen Variablen, wie die Stabilität des Wechselkurses, von großer Bedeutung sind – denn starke Kursschwankungen wirken wenig motivierend, wenn Remittances über formale Kanäle fließen. Als „Generationenvertrag“ sind diese innerfamiliären Vereinbarungen auch in der letzten Phase des Migrationsprozesses, der oft angestrebten Rück-Migration im Rentenalter, von Bedeutung. Diese Phase kann internationale Kapitalflüsse längerfristig stabilisieren; deshalb sind gerade für Länder mit einem hohen Anteil der Remittances am Bruttoinlandsprodukt alle Initiativen von Bedeutung, die den Empfang von Sozialleistungen und Rentenzahlungen nach einer Rück-Migration in das Herkunftsland ermöglichen oder erleichtern. Ähnliches gilt auch generell für die Modalitäten des Transfers von Remittances, bei denen die Empfängerstaaten alle Möglichkeiten zur Senkung der Transaktionskosten nutzen sollten – seien es Tarife und Konditionen der Geldtransfer-Unternehmen bis hin zu Abgaben und Gebühren beim Geldtausch. Dabei geht es auch darum, den Anteil der formell ins Land kommenden Überweisungen zu erhöhen. Für die Empfänger bietet dies in der Regel eine größere Sicherheit als informelle Wege.

Auch für die nationale Wirtschaft ist die Formalisierung wichtig: Sie ermöglicht eine transparentere Einbindung der Remittances in Zahlungsbilanz und Statistik und kann das Vertrauen in die Institutionen der formalen Ökonomie erhöhen. Schließlich kann eine „Verbankung“ der Remittances auch dazu dienen, gerade jenen Gesellschaftsschichten, die bislang kaum Zugang zu Konto und Kredit hatten, an das formale Bankwesen heranzuführen und unter Umständen mit Kleinkreditprogrammen zu verbinden, die sich vor allem an Menschen mit einem Einkommen richten – eine Strategie, die im internationalen Entwicklungsdiskurs unter dem Stichwort „Banking the Poor“ zur Zeit große Aufmerksamkeit erfährt.

Innerfamiliäre Kontrakte als Formen eines Generationenvertrags

Unter bestimmten Bedingungen können Rücküberweisungen die Entwicklung und Makroökonomie der Empfängerländer stabilisieren. Lateinamerika ist eine Region, an der sich dies beispielhaft untersuchen lässt. Für die Migrations- und Wirtschaftspolitik dieser Länder ist es eine wesentliche Herausforderung, diese Finanzflüsse für eine nachhaltige Entwicklungsdynamik zu nutzen. Gleichwohl sollte bei solchen makroökonomischen Erwägungen nie vergessen werden, dass es sich bei den Remittances um private Gelder meist einfacher bis armer Bevölkerungsgruppen handelt – und dass es die erste Pflicht des Staates ist zu gewährleisten, dass die Empfänger das ihnen gesandte Geld sicher und mit möglichst geringen Abschlägen erhalten.

Überweisungen sind kein Ersatz für öffentliche Wirtschafts- oder Sozialpolitik. Wenn die Remittances in einem gerne gebrauchten Bild als „Sozialstaat von unten“ bezeichnet werden, dann darf dies den Staat nicht aus seiner sozialen Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwesen entlassen, das er repräsentiert. Auch wenn hier von den Möglichkeiten und dem Potenzial der Remittances die Rede ist, sind Idealisierungen fehl am Platz: Die Arbeitsmigration ist nach wie vor Ausdruck des enormen Einkommensgefälles zwischen Nord und Süd und der unzureichenden Erwerbsmöglichkeiten in den Herkunftsländern.