Vorwort
02.12.2008
fundiert: Freiheit
Bildquelle: fotolia, fotomaximini
60 Jahre ist die Freie Universität Berlin in diesem Jahr geworden, und in zwei Jahren wird sie 200 Jahre alt sein. Diese erstaunliche Tatsache verdankt die Freie Universität Berlin ihrer einzigartigen Geschichte – einer Geschichte, die untrennbar mit Freiheit verbunden ist. Die Gründung der Freien Universität war die Antwort auf die Verfolgung von freiheitlich denkenden Studierenden und Lehrenden an der Universität Unter den Linden – der früheren Friedrich-Wilhelms-Universität – nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Feier zur Gründung der Freien Universität fand formell am 4. Dezember 1948 im Titania-Palast Steglitz statt. Das Datum wurde mit Bedacht gewählt – es war auch der Gründungstag der alten Berliner Universität aus dem Jahre 1810 gewesen. Damit stellte sich die Gründung der Freien Universität in die Tradition der Berliner Universität und in eine intellektuelle Kontinuität aus einem freiheitlichen Impuls heraus.
2010 jährt sich der 200. Geburtstag einer Universitätsidee, der sich neben vielen anderen Hochschulen in der Welt auch die Freie Universität – aus unmittelbar historischen Gründen – verpflichtet weiß. Der Grundgedanke dieser Idee bestand in einer damals revolutionären Überlegung: Humboldt und seine gelehrten Kollegen gingen davon aus, dass es Aufgabe der Universität sein müsse, Menschen nicht nur für einen Beruf auszubilden, sondern Menschen zu Menschen zu bilden.
Sind es nicht schon Menschen, wenn sie in die Universität kommen? Johann Wolfgang von Goethe hatte auf diese staunende Frage eine erstaunliche Antwort in einem einfachen Satz gefunden, der Menschenbildung in einer bis heute einzigartigen Weise beschrieben hat: „Werde, der du bist.“ Das bedeutete, dass es die Aufgabe von Bildung sei, den Menschen allererst die Möglichkeit zu schaffen, das zu werden, was als Anlage des Menschseins in ihm vorhanden ist. Gemeint war die Ausbildung einer Fähigkeit, verantwortlich das Ganze der Menschheit zu entwickeln. Die Gründer der Berliner Universität gingen davon aus, dass dieser Bildungsprozess am besten durch Wissenschaft vermittelt werden könne. Zur Entfaltung dieser Fähigkeiten werde es aber nur kommen, so war die Überzeugung, wenn Gelehrte wie Studierende Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit betreiben könnten.
Anlässlich des 60-jährigen Bestehens einer freien Universität thematisiert diese Ausgabe des Wissenschaftsmagazins fundiert die Freiheit unter unterschiedlichen Blickwinkeln und als Gegenstand verschiedener Disziplinen. Viel Freude bei der Lektüre und Erkenntnisgewinn wünscht Ihnen.
Ihr
Univ.-Prof. Dr. Dieter Lenzen
Präsident der Freien Universität Berlin