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Freiheit durch Mauern

Vom Stein geworden Schutz der antiken Messenier

02.12.2008

Vom Stein gewordenen Schutz der antiken Messenier.

Vom Stein gewordenen Schutz der antiken Messenier.
Bildquelle: Silke Müth

Der Berg Ithome mit dem Stadtgebiet Messenes von Südwesten gesehen.

Der Berg Ithome mit dem Stadtgebiet Messenes von Südwesten gesehen.
Bildquelle: Silke Müth

Der Gesamtplan von Messene mit Stadtmauerverlauf.

Der Gesamtplan von Messene mit Stadtmauerverlauf.
Bildquelle: Themelis/S. Müth/J. Giese

Das Arkadische Tor kann als Schmuckstück der griechischen Festungsarchitektur bezeichnet werden.

Das Arkadische Tor kann als Schmuckstück der griechischen Festungsarchitektur bezeichnet werden.
Bildquelle: Silke Müth

Westliche Stadtmauer von Norden gesehen.

Westliche Stadtmauer von Norden gesehen.
Bildquelle: Silke Müth

Stadtseite des Arkadischen Tores mit zur Seite gekipptem Mittelpfeiler.

Stadtseite des Arkadischen Tores mit zur Seite gekipptem Mittelpfeiler.
Bildquelle: Silke Müth

„Messenien, gut zu bestellen, gut zu bepflanzen[…],um dieses kämpften sie neunzehn Jahre,unablässig, mit duldsamem Mute,lanzenbewehrt, unserer Väter Väter.Im zwanzigsten Jahr aber, die üppigen Fluren verlassend,flohen die Einen aus dem hohen Gebirge Ithomes[…].Wie Esel durch schwere Lasten aufgerieben,der Herrschaft unter unseligem Zwangedie Hälfte bringend von all dem, was an Frucht der Acker trägt.[…]die Herren beklagend, zugleich die Frauen und sie selbst,sooft einen das verhängnisvolle Schicksal des Todes ereilt hat.“
(Übersetzung: M. Meier, 1998)

Diese Verse verfasste der griechische Elegiker Tyrtaios wohl in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts vor Christus. Er schilderte damit lebhaft das Unglück, das die Messenier im ersten messenisch-spartanischen Krieg befiel, der Ende des achten Jahrhunderts (oder einer anderen Meinung zufolge auch Anfang des siebten Jahrhunderts vor Christus) angesetzt wird: Nach zwei Jahrzehnten tapferen und zähen Kampfs um ihr Land, auf der südwestlichen Peloponnes gelegen und eine der fruchtbarsten Gegenden Griechenlands, konnten sie auch ihre starke Rückzugsfestung auf dem Berg Ithome nicht mehr halten und mussten Messenien entweder verlassen oder sich dem spartanischen Joch beugen. Ihr Grund und Boden wurde unter den Spartanern und ihren Verbündeten aufgeteilt, sie mussten ihn jedoch bearbeiten, die Hälfte ihrer Erträge abgeben und auch noch die Herrschaft, wenn diese verstarb, in Klagegesängen betrauern. Das Volk der Messenier war damit in seiner politischen und selbstbestimmten Existenz aufgelöst.

Diese Situation ließ die Messenier auf eine Gelegenheit zur Revolte lauern und die Spartaner in ständiger Furcht vor einer solchen leben. Und die Erhebung kam, wenn auch viele Jahrzehnte später, 669 vor Christus mit einer Niederlage Spartas gegen Argos. Der Aufstand der Messenier mündete in den zweiten messenisch-spartanischen Krieg, der wohl bis zum Ende des siebten Jahrhunderts vor Christus andauerte. Tyrtaios selbst war an ihm auf spartanischer Seite beteiligt und ermutigte die Spartaner mit seinen Versen zum Durchhalten. Der lange Kampf erschütterte Sparta bis ins Mark und erforderte dort schließlich sogar eine neue politische Ordnung (die sogenannten Eunomia) und die Erfindung einer neuen Kampftechnik, der später so berühmten Hoplitenphalanx, bevor die Messenier schließlich erneut niedergeschlagen werden konnten. Ihre Situation verbesserte sich in keinster Weise. Ihr Leben in Knechtschaft als rechtlose und abgabepflichtige Heloten, eine Art an das Land gebundene Staatssklaven, wurde besiegelt.

Messenien und Sparta: ein uralter Konflikt

Darüber, wer am messenisch-spartanischen Konflikt ursächlich die Schuld trug, herrschte schon in der Antike Uneinigkeit. Schon bei der Verteilung des Landes nach er „Rückkehr der Herakliden“ auf die Peloponnes war mit dem sogenannten Losbetrug des Kresphontes, der das fruchtbare Messenien durch einen Trick gewann, Konfliktpotenzial geschaffen. In der sechsten Generation nach Kresphontes, unter dem König Phintas, soll sich dann eine schwere Auseinandersetzung zwischen den Spartanern und Messeniern am gemeinsamen Heiligtum der Artemis Limnatis in der Dentheliatis, einer gebirgigen Landschaft am Rand des Taygetos zwischen Lakonien und Messenien, abgespielt haben, bei welcher auch der spartanische König Teleklos den Tod fand. Solchermaßen in Feindschaft geraten, genügten den Spartanern und Messeniern eine Generation später offenbar private Streitigkeiten zwischen Land- und Viehherdenbesitzern aus ihren Reihen, um einen großen Krieg zu beginnen.

Nach dem zweiten messenisch-spartanischen Krieg scheint sich den unterjochten Messeniern das ganze sechste Jahrhundert vor Christus hindurch keine Gelegenheit zum Aufbegehren geboten zu haben. In der Forschung umstritten, aufgrund von einigen Indizien aber dennoch historisch belegbar, ist ein Aufstand der Messenier gegen Sparta erst wieder im ersten Jahrzehnt des fünften Jahrhunderts vor Christus. Schon von 469/468 vor Christus an entstanden dann offenbar neue Unruhen. 464 vor Christus kam ihnen ein verheerendes Erdbeben zu Hilfe, das Sparta in Schutt und Asche legte.

Aufstände gegen die Herrschaft

Die Heloten nutzten das allgemeine Chaos zu einer geschlossenen Erhebung, doch da Sparta viele Verbündete mobilisieren konnte, mussten die Aufständischen sich erneut, wie schon im ersten messenischspartanischen Krieg, auf den Berg Ithome zurückziehen. Dieser ragt inmitten des Landes zwischen der nördlichen und der südlichen messenischen Ebene als natürliche Festung bis zu 802 Meter steil empor. Der mächtige Felsen hatte nicht nur historische Bedeutung für die Messenier, auch ihr uraltes und mythenreiches Heiligtum des Zeus Ithomatas befand sich auf seinem Gipfel. Hier konnten die Heloten sich mehrere Jahre verschanzen – doch gelang ihnen kein Vorstoß gegen die Belagerer, und so mussten sie schließlich im Jahre 461/460 gegen die Zusicherung freien Abzugs kapitulieren. Mit Hilfe der Athener siedelten sie sich in der Stadt Naupaktos an.

Während des Peloponnesischen Krieges keimte dann zwar von Zeit zu Zeit neue Hoffnung auf, zum Beispiel als es den Athenern zusammen mit den Messeniern aus Naupaktos 425 vor Christus gelang, die Spartaner beim messenischen Pylos zu schlagen und für kurze Zeit dort einen Zipfel Land zu besetzen. Doch währte diese Hoffnung nur kurze Zeit und wurde Ende des fünften Jahrhunderts durch Spartas Sieg über Athen und den dadurch bedingten immensen Machtzuwachs Spartas zunächst wieder vollkommen zunichte gemacht.

Die Befreiung durch Theben

Das Glück der Messenier war, dass Sparta auf dem Höhepunkt seiner Macht nicht in der Lage war, diese auf Dauer auszufüllen und die Herrschaft über so weite Teile Griechenlands im Griff zu behalten. Nach Kämpfen an verschiedenen Fronten während der ersten Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts vor Christus, die mehr Rückschläge als Fortschritte mit sich brachten, geriet Sparta schließlich 371 in einen ernsthaften Konflikt mit Theben, der zur Schlacht von Leuktra in Böotien führte. Hier fanden die Spartaner ihre militärischen Meister und der jahrhundertealte Mythos ihrer Unbesiegbarkeit ein Ende: Der thebanische Feldherr Epaminondas versetzte der Vormacht einen vernichtenden Schlag. Doch er beließ es nicht dabei, er war darauf bedacht, Spartas Macht auf Dauer zu brechen.

Was hätte die Lakonier da empfindlicher treffen können als die Abspaltung des fruchtbarsten Teils des von ihnen okkupierten Landes? Mit der Befreiung Messeniens von spartanischer Unterdrückung und der Gründung eines unabhängigen messenischen Staates 369 vor Christus gelang es Epaminondas gleichzeitig, einem in Sklaverei gehaltenen und ausgebeuteten griechischen Volk seine selbstbestimmte Existenz zurückzugeben.

Ein eigener Staat

Jedoch war mit dieser Befreiung allein nicht alles getan. Erstens war es nur zu offensichtlich, dass die Spartaner die nächstmögliche Gelegenheit am Schopfe packen würden, das ihnen ihrer Meinung nach zu Unrecht weggenommene Land mit seinen Bewohnern zurückzuerobern. Zweitens waren längst nicht alle griechischen Poleis (Stadtstaaten) der Meinung, dass den Messeniern ein eigener Staat zustünde. Es entbrannte eine heftige Debatte um die Rechtmäßigkeit dieses neuen Staates, in der die Argumentation der Spartaner, Messenien sei von Rechts wegen ihr Eigentum und den messenischen Heloten dürfe es als Sklaven nicht erlaubt sein, einen eigenen Staat zu besitzen, nicht wenige Anhänger fand.

Freiheit durch Mauern

Daher mussten die Thebaner breit gefächerte Maßnahmen ergreifen, um das „junge Pflänzlein“ zu schützen und gegen diese mannigfachen Bedrohungen zu stärken. Zunächst musste dem Staat durch Bevölkerungsstärke Kraft und durch eine Hauptstadt Zentralität verliehen werden. In den Jahrhunderten der spartanischen Herrschaft und der Kriege waren viele Messenier nicht nur nach Arkadien, Naupaktos und Sizilien, sondern beispielsweise auch in die Kyrenaika ausgewandert.

Diese Exilanten wurden nun in einer groß angelegten Aktion zurückgerufen, auch willige Nichtmessenier wurden gerne mit aufgenommen. Für das Gelände der neuen Hauptstadt, das sowohl zentral als auch günstig zu besiedeln und zu verteidigen sein musste, hätte man keine bessere Wahl als den südlichen, sanft abfallenden Fuß des Ithome treffen können. Hier wurde durch Epaminondas die Stadt Messene gegründet und ihr Bau durch den argivischen Strategen Epiteles in die Praxis umgesetzt. Wiederum ist es Pausanias, der uns von dieser Gründung durch Epaminondas berichtet:
„[…] da bereitete er alles für die Gründung vor, ließ Steine heranbringen und Männer holen, deren Beruf es war, Wege anzulegen und Häuser und Heiligtümer zu bauen und Stadtmauern zu errichten. […] Den damaligen Tag brachten sie mit Opfern und Gebeten zu, an den folgenden richteten sie den Mauerring auf und bauten drinnen Häuser und die Heiligtümer. Sie arbeiteten aber zur Begleitung nur von böotischen und argivischen Flöten und keiner anderen Musik […].“

Zwar ist in den Details nicht zu überprüfen, wie realitätsnah Pausanias’ Schilderung ist, und mutet in seinen Worten der Stadtaufbau doch ein wenig zu zügig an, doch verwundert es nicht, dass der erste und elementare Bestandteil der Bauten und Einrichtungen in der neuen Großstadt – denn als solche wurde sie schon von Beginn an angelegt – ein mächtiger Mauerring gewesen ist. Nur so war gewährleistet, dass die Stadt nicht umgehend wieder vom weiterhin dräuenden östlichen Nachbarn eingenommen und dem Erdboden gleichgemacht werden konnte. Pausanias beschreibt diesen Mauerring folgendermaßen: „Um Messene ist ein Mauerring gebaut ganz aus Stein, und es sind Türme und Brustwehren daran gebaut. Die Mauern von Babylon oder die memnonischen Mauern von Susa in Persien habe ich weder selbst gesehen noch sonst einen Augenzeugen von ihnen sprechen hören, aber im Vergleich mit den Mauern in Ambrosos in Phokis und in Byzanz und Rhodos, diese Orte sind nämlich am besten ummauert, ist die von Messene stärker.“

Die Thebaner und Exilmessenier ließen es sich offenbar einiges kosten, die neue Hauptstadt auf so monumentale Weise zu schützen. Und die heutigen Überreste dieser immensen Befestigung bestätigen voll und ganz die Aussage der antiken Schriftquellen: Weithin sichtbar und kilometerlang erstrecken sich immer noch bestens erhaltene Abschnitte des einst neun Kilometer langen Befestigungsrings, der sich über die Kämme und Gipfel der umliegenden Hügel zog und den hohen Berg Ithome mit einschloss. Dieser selbst war noch einmal eigens durch eine Ringfestung geschützt.

Neuester Stand der Technik

Die vier bis sieben Meter hohen und teilweise über drei Meter breiten Kurtinen wurden nach oben fast auf allen Abschnitten durch einen mit großen Platten gepflasterten Wehrgang abgeschlossen, auf dem man noch heute abschnittweise entlanggehen kann. Geschützt wurde er durch eine etwa zwei Meter hohe Zinnenbrüstung. Von rund 40 Türmen haben sich noch Reste erhalten, ursprünglich müssen es ungefähr doppelt so viele gewesen sein. Einige der Türme sind noch bis zu den Zinnen oder Giebelansätzen erhalten und zeugen vom neuesten Stand der Fortifikationstechnik, auf dem das Werk damals errichtet wurde. Mit einigen Details wie Fensterverschlüssen oder Schießschartenformen wurde hier sogar erstmals experimentiert. Auch von einer hohen wirtschaftlichen Effizienz kündet das Bauwerk: In der Ebene, wo die Angriffsgefahr am höchsten war, wurden die Kurtinen mächtiger und stabiler gebaut. Die Türme waren hier höher und traten in größerer Dichte auf als in steilerem Gelände, wo der Feind ohnehin keine Chance hatte, mit Belagerungsmaschinerie anzurücken. Sechs zum Teil sehr große Tore gewährten aus den verschiedenen Richtungen Zugang zur Stadt. Das berühmteste ist das Arkadische Tor im Norden, durch welches die Straße Richtung Arkadien führte und das als Schmuckstück der griechischen Festungsarchitektur bezeichnet werden kann. Sein großer runder Torhof mit einem Durchmesser von 19 Metern zeigt eine für den Befestigungsbau der Spätklassik ungewöhnliche, äußerst schmuckvolle Steinbearbeitungsqualität, die auf einen hohen repräsentativen Anspruch schließen lässt.

Nach außen war das Tor durch zwei annähernd quadratische Türme geschützt, zur Stadt hin öffnete sich der Hof mittels eines doppelten Durchgangs, dessen Mittelpfeiler noch heute, zur Seite gekippt, die charakteristische Südansicht des Tores ziert. Noch größer war der rechteckige Torhof des Südtores, das die Verbindung zur südlichen messenischen Ebene und zum Meer gewährleistete und erst kürzlich wiederentdeckt und durch Ausgrabungen untersucht wurde. Auch hier schützten zwei Türme das Tor zur Feldseite hin, auf der Stadtseite befand sich wiederum eine durch einen mächtigen Mittelpfeiler zweigeteilte Durchfahrt.

Verschiedene Konstruktionsformen

Dieser Stadtmauerring wurde noch zusätzlich durch außen liegende Befestigungsanlagen geschützt, die umgebende Hügel besetzen. Auf diese Weise wurde auch der Nachbarberg Eua (heute Agios Vasilios) und das zwischen ihm und der Stadtmauer liegende Gelände integriert und feindlicher Annäherung über dieses Gebiet vorgebeugt, die einen Beschuss des tiefer liegenden südöstlichen Mauerabschnitts ermöglicht hätte. Ein besonderes Charakteristikum der Stadtmauer Messenes ist die Vielfalt ihrer Konstruktionsformen, die die verschiedenen Abschnitte kennzeichnen.

Dieses Phänomen hat in der Vergangenheit viele Forscher dazu veranlasst, hierin unterschiedliche Konstruktionsepochen wiederzuerkennen. Doch bei näherem Hinsehen fällt auf, dass alles in einem Zuge erbaut worden sein muss. Vergleiche mit anderen griechischen Befestigungswerken jener Zeit zeigen, dass sämtliche Elemente bei aller Unterschiedlichkeit in dieselbe Epoche gehören, nämlich in die Jahre direkt nach der Stadtgründung 369 vor Christus. Doch finden sich Hinweise darauf, dass der Bau in einzelnen Abschnitten errichtet und diese dann miteinander verbunden wurden, und daher offenbar viele verschiedene Bauhütten und Arbeitsgruppen gleichzeitig am Werk waren. So lässt sich die Mannigfaltigkeit der Formen und Techniken erklären.

Hierin wiederum finden wir eine Bestätigung der Aussage des Pausanias, dass die Mauer sehr schnell gebaut wurde: Durch die gleichzeitige Arbeit vieler Bauleute an verschiedenen Stellen, die nur durch die tatkräftige Unterstützung der Thebaner, Argiver und Arkader überhaupt möglich war, konnte man selbst einen neun Kilometer langen Befestigungsring zeitlich effizient errichten. Und Eile war bei der Errichtung der schützenden Mauern geboten: Direkt nach der Gründung war die Existenz der Stadt, von der die neue Freiheit und Unabhängigkeit des messenischen Volkes unmittelbar abhing, noch am meisten gefährdet, diese Gefahr nahm mit jedem Jahr, das verging und zur Etablierung des neuen Gemeinwesens beitrug, exponentiell ab. So ließen auch die Thebaner bei ihrem Abzug aus Messene zunächst noch eine starke Garnison zum Schutz der noch nicht aus eigener Kraft verteidigungsfähigen Stadt zurück. Es ist nicht zu bezweifeln, dass ohne diese Maßnahme und ohne eine zügig errichtete, wirkungsvolle Befestigungsanlage die messenische Freiheit und Unabhängigkeit wohl gleich im Keim wieder erstickt worden wäre.

Zeichen nach außen wie nach innen

Dabei ist nicht zu vergessen, welche Symbolkraft dieses Monument auf verschiedenen Ebenen hatte. Dem traditionell stadtmauerlosen Sparta wurde hier von seinen ehemaligen Untertanen als bewusster Kontrapunkt eine wehrhafteste Befestigungsanlage entgegengesetzt – wie ein Hohn musste dies den Spartiaten erscheinen. Auch darüber hinaus signalisierten die starken Mauern nach außen hin Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, hier wurden als Antwort auf die Diskussionen um die Rechtmäßigkeit des messenischen Staates steinerne Tatsachen geschaffen, die niemand mehr leugnen konnte.

Aber auch nach innen war die Symbolik dieser repräsentativen Befestigung notwendig. Man muss sich vergegenwärtigen, dass viele der zusammengetrommelten Bewohner der neuen Hauptstadt in Wirklichkeit alles andere als Messenier waren. Die Bevölkerung Messenes war aus weit verstreuten Gegenden nach jahrhundertelangem Exil zurückgekehrt und hatte den Bezug zu ihrer ursprünglichen Abstammung möglicherweise zum großen Teil verloren. Wieder andere stammten sogar aus ganz anderen Völkern. Zudem war es den im Lande verbliebenen und unter spartanischer Herrschaft helotisierten Bevölkerungsteilen in der Zeit der Unterdrückung kaum möglich gewesen, ihrer Identität als Messenier praktischen Ausdruck zu verleihen und sie aktiv zu tradieren. Daher musste eine ethnische Identität sozusagen neu geschaffen werden, und es bedurfte starker Symbole zur Identifikation mit dem neuen Gemeinwesen. Was eignete sich besser dazu, die Bevölkerung einer neuen Stadt zu vereinen, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Identität zu erzeugen als eine repräsentative Stadtmauer? Mit der Stadtmauer Messenes wurden sozusagen Freiheit, Unabhängigkeit und Identität des Volkes der Messenier in Stein gemeißelt.

Bewährung

Erst 362 vor Christus wurde die Anerkennung des neuen Staates durch die selbstständige Beteiligung am Friedensvertrag nach der Schlacht von Mantineia, die die Spartaner erneut gegen Theben verloren hatten, erreicht und von allen Beteiligten akzeptiert – bis auf Sparta, was keineswegs verwundert. Das erste und oberste Ziel war erreicht, nun musste sich Messenien in seiner Eigenständigkeit und damit auch die Verteidigungsfähigkeit der Hauptstadt mit ihrem Mauerring auf Dauer bewähren. Doch nicht nur den nach einiger Zeit einsetzenden Angriffe Spartas hielt Messene stand, sondern es konnte sich auch in den Wirren der Diadochenkriege mancher Angriffe erwehren. Sogar Demetrios Poliorketes, der berühmte Städtebelagerer, konnte die Stadt 295 vor Christus nicht einnehmen, sondern wurde bei seinem Angriff auf die Mauern durch einen Geschützpfeil im Gesicht verletzt.

Nach sozialen Unruhen im Jahr 215/214 vor Christus, die sich Philipp V. von Makedonien zunutze machen wollte, konnte man zunächst einen Angriff seines Feldherrn Demetrios von Pharos abwehren, der dabei den Tod fand, und danach einen weiteren durch Philipp selbst. Allein 201 vor Christus gelang es Nabis von Sparta an einer abgelegenen Stelle heimlich über die Mauern zu gelangen und sich für einen kurzen Moment der Stadt zu bemächtigen, er wurde jedoch schon am darauffolgenden Tag vom zu Hilfe eilenden Heer aus Megalopolis vertrieben. Selbst im Krieg gegen den Achäischen Bund 183/182 vor Christus, den Messene verlor, haben wir keine Nachricht von einer Überwindung der Stadtmauer durch die feindlichen Truppen. Die Stadt scheint allein durch die Verwüstung des umliegenden Landes zu Waffenstillstandsverhandlungen veranlasst worden zu sein. Zwar wurde Messene danach gezwungen, dem Achäischen Bund beizutreten, doch war diese bedingte Abhängigkeit nur von kurzer Dauer: Von 146 vor Christus an erhielt die Stadt unter Römischer Oberhoheit ihre Souveränität zurück. Die Geschichte der Befreiung Messeniens und der Sicherung dieser Freiheit durch Mauern ist also durchaus eine Erfolgsgeschichte. Sparta konnte sich nie wieder Messeniens bemächtigen und seine vormalige Machtstellung innerhalb Griechenlands zurückgewinnen.