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Abhängig vom anderen Ende der Welt

Eine kurze Geschichte der Standorttheorie

10.06.2009

Gewürze waren im Europa des Mittelalters von immenser Bedeutung, da sie auch dazu dienten, Nahrungsmittel zu konservieren und Arzneimittel herzustellen. Pfeffer war so wertvoll, dass er in Gold aufgewogen wurde.

Gewürze waren im Europa des Mittelalters von immenser Bedeutung, da sie auch dazu dienten, Nahrungsmittel zu konservieren und Arzneimittel herzustellen. Pfeffer war so wertvoll, dass er in Gold aufgewogen wurde.
Bildquelle: fotolia, Jeremy Richards

Transportkosten sind Teil der Transaktionskosten, zu denen unter anderem auch Zölle und die Aufwendungen für Kommunikation gehören. Die Transaktionskosten sind im Zuge der Globalisierung und mit der Entwicklung neuer Technik gesunken.

Transportkosten sind Teil der Transaktionskosten, zu denen unter anderem auch Zölle und die Aufwendungen für Kommunikation gehören. Die Transaktionskosten sind im Zuge der Globalisierung und mit der Entwicklung neuer Technik gesunken.
Bildquelle: fotolia, Günter Menzl

Der schottische Moralphilosoph Adam Smith (1723–1790) gilt als Begründer der Volkswirtschaftslehre. Hier eine neue britische 20-Pfund-Note mit dem Porträt von Adam Smith.

Der schottische Moralphilosoph Adam Smith (1723–1790) gilt als Begründer der Volkswirtschaftslehre. Hier eine neue britische 20-Pfund-Note mit dem Porträt von Adam Smith.
Bildquelle: fotolia, Kevin Jarratt

Der Agrarökonom und Wirtschaftswissenschaftler Johann Heinrich von Thünen hatte die Gegend des heutigen Mecklenburg-Vorpommern vor Augen, als er seine Gedanken zur Flächennutzung in der Landwirtschaft entwickelte.

Der Agrarökonom und Wirtschaftswissenschaftler Johann Heinrich von Thünen hatte die Gegend des heutigen Mecklenburg-Vorpommern vor Augen, als er seine Gedanken zur Flächennutzung in der Landwirtschaft entwickelte.
Bildquelle: fotolia, Uwe Kantz

Der US-Ökonom Paul Robin Krugman, Jahrgang 1953, ist über Fachkreise hinaus vor allem durch seine wöchentlichen Kolumnen in der New York Times bekannt geworden.

Der US-Ökonom Paul Robin Krugman, Jahrgang 1953, ist über Fachkreise hinaus vor allem durch seine wöchentlichen Kolumnen in der New York Times bekannt geworden.
Bildquelle: Ulrich Dahl

Handel findet nicht vor allem zwischen unterschiedlichen Volkswirtschaften statt, sondern zwischen ähnlichen Ländern mit ähnlichen Gütern, wie der Automarkt zeigt.

Handel findet nicht vor allem zwischen unterschiedlichen Volkswirtschaften statt, sondern zwischen ähnlichen Ländern mit ähnlichen Gütern, wie der Automarkt zeigt.
Bildquelle: fotolia, Manfred Steinbach

Wirtschaftliche Aktivität lässt sich zeitlich und räumlich verorten; sie überbrückt häufig die wohldefinierten Grenzen sozialer und politischer Räume. Es bedarf keiner besonderen Anstrengung, die zentrale Bedeutung des geographischen Raumes im Kontext ökonomischen Handelns anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen: Ein Immobilienmakler verkauft den begehrten Grund und Boden; ein Kurierdienst übernimmt die Zustellung einer Sendung vom Auftraggeber zum Empfänger; die Altersvorsorge eines Rentners speist sich aus der Verzinsung einer im Ausland begebenen Staatsanleihe. Doch im Denken über den Standort von wirtschaftlichem Handeln und das Zusammenspiel von Orten hat sich über die Jahrhunderte einiges getan.

Entfernungen immer weniger wichtig

Das Prinzip der Globalisierung ist das moderne Manifest der zunehmenden räumlichen Durchdringungskraft wirtschaftlicher Aktivität, der Expansion von Märkten sowie der stärkeren Interaktion zwischen Konsumenten und Produzenten über große Entfernungen hinweg. Ermöglicht wird dies durch sich ergänzende technologische Innovationen, die die Kosten für den Informationsaustausch und den Transport kontinuierlich senken.

Unsere Gesellschaft erlebt die Ambivalenz dieser Entwicklung immer stärker: Als Konsumenten profitieren wir von stetig steigenden Konsummöglichkeiten. Mit den Einkünften aus unserer Arbeit können wir vielfältiger und mehr konsumieren. Als Wertschöpfende und Produzenten hingegen sind wir aufgrund der Internationalisierung und räumlichen Integration der Märkte in zunehmendem Maße dem Wettbewerbsdruck geographisch weit entfernter Marktteilnehmer ausgesetzt. Unser wirtschaftliches und soziales Wohlergehen hängt somit immer stärker von den Entwicklungen in anderen Regionen der Erde ab.

Zweifelsohne spielt geographische Nähe für die Organisation wirtschaftlicher Prozesse nach wie vor eine wichtige Rolle. Allerdings ist es kein Zufall, dass der enorme ökonomische Fortschritt der letzen 250 Jahre maßgeblich mit der Entwicklung zuverlässiger und kostengünstiger Transport- und Informationssysteme einher gegangen ist: Die räumliche Distanz zwischen Märkten ist für die Intensität des wirtschaftlichen Austauschs immer weniger maßgeblich. Die Metapher einer kleiner werdenden Welt beschreibt die Entwicklung der globalen wirtschaftlichen Interaktion sehr treffend.

Wie wird der Marktzugang begrenzt?

Bereits in Adam Smiths Reflexionen zur Entwicklung der Produktivität des Faktors Arbeit spielte das Konzept der ökonomischen Entfernung als Kostenäquivalent für den Transport von Gütern zum gewünschten Marktplatz eine zentrale Rolle. In seinem 1776 erschienenen Klassiker Wealth of Nations formulierte er einen zweigeteilten Ansatz zur Erklärung der steigenden Arbeitsproduktivität. Die Arbeitsteilung, also das Aufspalten eines Produktionsprozesses in von spezialisierten und speziell ausgerüsteten Arbeitern ausgeführte Einzelschritte, erhöht die Ausbringungsmenge gegenüber dem bisherigen Verfahren der generalisierten Produktion, bei der jeder Arbeiter alle notwendigen Einzelschritte vollzieht. Smith nahm an, dass der Anreiz zur arbeitsteiligen und effizienzsteigernden Organisation des Produktionsprozesses mit der potenziellen Größe des Marktes wächst. Der Marktzugang wird dabei, so Smith, von der Höhe der anfallenden Transportkosten sowie dem Umfang staatlicher Zugangsbeschränkungen begrenzt, etwa in Form von Zöllen und Quoten. Äußerst treffend fasste Smith seine Ausführungen in einem der bekanntesten Sätze aus Wealth of Nations zusammen, nämlich „dass die Verteilung der Arbeit durch die Größe und Ausdehnung des Marktes ihre Schranken erhält“. Entsprechend dieser Erkenntnis postulierte Smith seine liberalen Vorschläge zur Abschaffung der im merkantilen System üblichen Handelsschranken. Zudem trat er, um Transportkosten zu senken und so den Umsatz heimischer Märkte zu erhöhen, für einen staatlich geförderten Ausbau des Kanalschifffahrts- und Straßennetzes ein.

Aufwand für Mobilität

Der ökonomische „Mainstream“ folgte indes dem Ansatz des britischen Ökonomen David Ricardo, in dem Transportkosten stark simplifiziert als Null-eins-Zustand modelliert wurden, also entweder als unbezahlbar hoch oder nicht existent. Ricardo etablierte die Tradition der formal-theoretischen Simplifizierung. Die starke Vereinfachung der zugrundegelegten Annahmen ermöglichte die Erklärung und Beschreibung wirtschaftlicher Zusammenhänge, die zuvor aufgrund der komplexen ökonomischen Realität verborgen geblieben waren. So unterstellte Ricardo vollständige und aufwandsfreie Mobilität für Güter und Produktionsfaktoren innerhalb eines Landes, während er im internationalen Kontext zwar ebenfalls von einem Güteraustausch ohne Transportkosten ausging, die Mobilität der Faktoren Arbeit und Kapital aber durch die Annahme abschreckend hoher Mobilitätskosten ausschloss.

Theorie des komparativen Vorteils

Ironischerweise war es nun gerade diese drastische Vereinfachung, die Ricardo 1817 die Entwicklung seiner Theorie des komparativen Vorteils ermöglichte und der Ökonomie ein überzeugendes Modell zur Erklärung der bestehenden Handelsmuster lieferte. Welche Güter werden zwischen welchen Ländern gehandelt? Die Theorie des komparativen Kostenvorteils besagt, dass die Vorteilhaftigkeit des Handels zwischen zwei Ländern nicht von den absoluten Produktionskosten abhängt, sondern von den relativen Kosten der produzierten Güter zueinander. Noch wichtiger war die aus Ricardos Modell abzuleitende Erkenntnis, dass die nach dem Muster des komparativen Vorteils folgende Spezialisierung und der damit verbundene internationale Handel gegenüber einer Situation vollständiger Autarkie erhebliche Wohlfahrtsgewinne generiert. Ricardo entwickelte damit die Antithese zur merkantilen Doktrin, die die Außenhandelspolitik der meisten Länder in dieser Zeit maßgeblich bestimmte. Sie verstand Handel als Nullsummenspiel, dessen Verlierer und Gewinner nach den herrschenden machtpolitischen Verhältnissen bestimmt wurden. Ricardos Theorie des komparativen Vorteils sollte für die folgenden 200 Jahre als eines der Hauptargumente für die Liberalisierung des Handels zwischen den Nationen dienen.

Die wegweisenden Beiträge von Smith und Ricardo fanden sehr schnell Eingang in den Kanon der Politischen Ökonomie, einer zu dieser Zeit noch jungen Wissenschaft. Mit Ausnahme der Außenhandelstheorie, in der die wirtschaftliche Austauschbeziehung zwischen souveränen Staaten von originärem Interesse ist (mehr dazu später), schenkte der ökonomische Mainstream den Fragen des räumlichen Wettbewerbs in den folgenden 100 Jahren allerdings wenig Beachtung.

Fragen des räumlichen Wettbewerbs

Selbstverständlich beeinflussten die Faktoren Entfernung, Standort und räumliches Umfeld über Jahrhunderte maßgeblich die real existierenden volkswirtschaftlichen Verhältnisse und blieben aus diesem Grund Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses. Es war vor allem eine Gruppe deutscher Wissenschaftler, die sich mit Fragen des räumlichen Wettbewerbs intensiver auseinandersetzte. In ihrem Zentrum stand ein Zeitgenosse Ricardos, der Agrarökonom und Wirtschaftswissenschaftler Johann Heinrich von Thünen (1783–1850), dessen Arbeiten und Forschungsbeiträge erst viel später in angemessener Form beachtet und wertgeschätzt wurden.

Ländliche Region als Modell

Während der wirtschaftliche Standort in der ökonomischen Analyse bis dahin nur als Datum und Ausgangspunkt der Analyse galt, machte von Thünen in seinem 1826 erschienen Werk Der Isolierte Staat die Standortentscheidung zum Erklärungsgegenstand. Ähnlich wie Ricardo legte er seiner Theorie zum Zwecke der analytischen Klarheit stark vereinfachende Annahmen zugrunde. In seiner Arbeit betrachtete von Thünen ein Gebiet uniformen Nutzlandes ( ja, er dachte in der Tat an die Gegend des heutigen Mecklenburg- Vorpommern!), für welches mehrere landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten denkbar sind und dessen geographisches Zentrum durch eine Siedlung oder Stadt markiert wird. Sowohl die Kosten für den Transport zur Stadt als auch die dort für das Erzeugnis erzielten Preise variieren mit der Form der gewählten landwirtschaftlichen Nutzung.

Im Rahmen dieses Modellierungsansatzes lässt sich die ökonomisch optimale Nutzung der einzelnen Parzelle durch die Gegenüberstellung von Aufwand (anfallenden Transportkosten) und Ertrag (erzielt bei Verkauf der Erzeugnisse auf dem Markt) bestimmen. Die optimale geographische Anordnung der einzelnen landwirtschaftlichen Aktivitäten erfolgt dann in sogenannten Thünen’schen Ringen, die sich in Form konzentrischer Kreise von der Siedlung über das Nutzland ausbreiten. Von Thünen gelang es, den „offensichtlichen“ Sachverhalt einer mit der geographischen Entfernung zum Stadtzentrum variierenden Pacht modelltheoretisch zu erklären, weil er eben diese Entfernung als ökonomisch relevanten Faktor begriff. Von Thünen beschrieb auch, in welcher Weise sich der den Eigentümern zufließende Pachtzins bei einer Änderung der Transportkosten oder der für Agrarerzeugnisse erzielbaren Marktpreise entwickelt. Im Mittelpunkt der Thünenschen Forschung stand somit weniger die Standortwahl für Höfe als vielmehr die Entscheidung über die vom Standort der Parzelle abhängige landwirtschaftliche Nutzung und die daraus resultierende Bodenrente.

Thünens Arbeit löste im deutschsprachigen Raum damals eine Reihe wichtiger Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet des räumlichen Wettbewerbs aus. Der deutsche Ingenieur Wilhelm Launhardt (1813– 1918) fasste Ende des 19. Jahrhunderts von Thünens Theorie der konzentrischen Organisationsstruktur (land-)wirtschaftlicher Aktivität in einen klaren und einfachen mathematischen Rahmen. Seine Darstellung kommt bis heute in den einschlägigen ökonomischen Lehrbüchern zur Anwendung. Auch ist Launhardt durch die von ihm entwickelte Lösung des Drei- Punkt-Problems aus der Standorttheorie bekannt. Er beantwortete die Frage der optimalen Standortwahl für ein Unternehmen, welches seine Erzeugnisse auf einem Markt (Punkt 1) anbietet und die benötigten Rohstoffe aus zwei Quellen (Punkt 2 und Punkt 3) bezieht. Die Optimierung der Standortentscheidung erfolgt dabei über die Minimierung der für den Transport von Rohstoffen und Enderzeugnissen anfallenden Kosten. In einer Modifizierung seines Modells zur optimalen Standortbestimmung ermittelte Launhardt die Determinanten zur Abgrenzung von Markträumen einzelner Anbieter, indem er ein Kontinuum räumlich gleichverteilter Konsumenten unterstellte, in dem die Unternehmen an einzelnen verschiedenen Punkten anbieten.

Markträume einer Region geordnet

Leider wurde den Erkenntnissen Wilhelm Launhardts nicht die angemessene Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen zuteil. Erst durch die wissenschaftliche Arbeit Alfred Webers (1868–1958; er war der Bruder des bedeutenden Soziologen Max Weber) gelang es, die Theorie des räumlichen Wettbewerbs als anerkannten und eigenständigen Forschungsbereich zu etablieren. Die deutsche Literatur zur Raumwirtschaft entwickelte sich so im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einer mikroökonomischen Theorie der industriellen Standortentscheidung. Im folgenden Schritt konzentrierte sich die Forschung auf räumliche Aggregate wie Regionen, Konglomerate und Städte. Walther Christaller (1893–1969) analysierte in Die zentralen Orte in Süddeutschland (1933) die Anzahl, Größe und Verteilung von Städten, indem er die verschieden großen Markträume der Region in einem konsistenten Muster kleinerer und größerer Agglomerationen unterschiedlicher Industrien mit spezifischen Standorten ordnete.

Beziehungen zwischen Produzenten

Die als wegweisend empfundene Synthese der Standorttheorie gelang August Lösch im Jahr 1939 in Die räumliche Ordnung der Wirtschaft. Vor Lösch galten die räumlichen Beziehungen zwischen Märkten, Konsumenten, Produzenten und Rohstoffen als gegeben. Die Wahl des Standortes wurde vom Unternehmen in Abhängigkeit dieser räumlichen Beziehungen getroffen. Löschs Beitrag lag in der Entwicklung eines Modells, in dem Wettbewerb zu einem Ansiedlungsmuster in Form von Produktionsagglomerationen oder wirtschaftlichen Knotenpunkten führt.

Der nächste wichtige Beitrag zu unserem heutigen Verständnis der Standorttheorie stammt von Paul Krugman, Professor für Volkswirtschaft an der Princeton- Universität, der 2008 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Bereits 1998 hatte Krugman vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin seinen ersten Ehrendoktor in Würdigung eben jener wegweisenden Leistungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeographie und Außenhandelstheorie erhalten.

In seiner Arbeit gelang es Krugman, eine der am längsten bestehenden empirischen Fragen auf dem Gebiet der internationalen Volkswirtschaft zu lösen. Er kombinierte Adam Smiths Konzept einer durch die Marktgröße beschränkten maximalen Arbeitsteilung mit dem Modell des unvollständigen Marktwettbewerbs. Die Modelle der Außenhandelstheorie, wie sie von Ricardo bis zu den schwedischen Ökonomen des 20. Jahrhunderts, Eli Heckscher und Bertil Ohlin, üblich waren, lieferten vor allem Erklärungsmuster für Handel zwischen grundlegend unterschiedlichen Volkswirtschaften. Die Realität ist jedoch eine völlig andere: Handel findet zu großen Teilen zwischen ähnlichen Volkswirtschaften und mit gleichartigen Gütern statt. So werden zum Beispiel sowohl in Schweden als auch in Frankreich und Deutschland Automobile hergestellt und in erheblichen Mengen in die jeweils anderen Länder exportiert.

Nachfrage sorgt für Marktmacht

Der Grund für einen solchen intra-industriellen Handel ist der Wunsch der Konsumenten nach einem vielfältigen Angebot. Dieses Nachfrageverhalten verschafft spezialisierten Herstellern die notwendige Marktmacht, um kostendeckende Preise für ihre Produkte zu erzielen. Krugmans Ansatz lieferte nicht nur eine in sich schlüssige, konsistente und ökonomisch fundierte Erklärung für die Ursachen intra-industriellen Handels; sein Beitrag enthält auch eine interessante politische Implikation: Bei dieser Art des Handels kommt es – anders als bei den bisherigen Modellen – in den beteiligten Ländern zu keiner Verschiebung der relativen Einkommen aus den Faktoren Arbeit und Kapital.

Entstehung von Ballungszentren

Zwar liefert das Krugman’sche Modell eine Erklärung für die zu beobachtende Produktvielfalt, allerdings kann es eine der wichtigsten Frage in der Außenhandelstheorie seit Ricardo nicht beantworten: Wie kommt es zu den existierenden internationalen Spezialisierungsmustern? Mit Spezialisierung gehen Kosteneinsparungen, niedrigere Preise und ein vielfältigeres Angebot einher, die bestehenden Spezialisierungsmuster sind jedoch das Ergebnis eines historisch bedingten Selektionsprozesses und nicht ausschließlich durch wirtschaftliche Ursachen erklärbar.

Eine weitere vom Nobelpreis-Komitee gewürdigte Leistung Krugmans besteht in seinem Beitrag zum Einfluss externer Effekte auf die Entstehung und die Dauerhaftigkeit räumlicher Ballungszentren. Externe Effekte entstehen immer dann, wenn positive Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf andere Marktteilnehmer aufgrund fehlender Zuordnungsmechanismen unkompensiert bleiben. Krugman argumentierte, dass durch die räumliche Konzentration ähnlich spezialisierter Wettbewerber externe Effekte in Form eines Angebots entsprechender auf die Bedürfnisse der Branche ausgerichteter Dienstleistungen entstehen. Demzufolge genießen bestehende Ballungszentren einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber potenziell neuen Standorten.

Die Entwicklung eines Ballungszentrums kann unterschiedliche Ursachen und Gründe haben, der Fortbestand der Standort- und Ansiedlungsstrukturen ergibt sich aber aus niedrigeren Standortkosten durch positive externe Effekte. Diese von Krugman 1991 in Geography and Trade entwickelte Theorie ging als „Neue ökonomische Geographie“ in die Volkswirtschaftslehre ein und führte zu einem Aufleben des Interesses an Fragen der Standorttheorie und Wirtschaftsgeographie.

Weitere Informationen

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Knoll, Diplom-Volkswirt am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin. Einen Mitschnitt des von Paul Krugman gehaltenen Festvortrages anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde ist zu finden unter: www.jfki.fu-berlin.de/faculty/economics/resources

Kontakt:

Prof. Irwin Collier, PhD

Freie Universität Berlin, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abteilung Wirtschaft, Lansstraße 7–9, 14195 Berlin

www.jfki.fu-berlin.de