Springe direkt zu Inhalt

In der Schlacht mit Malaparte

Daniela Kirschstein, 31, streift durch die Schützengräben der Weltkriegsliteratur

04.06.2010

Daniela Kirschstein erforscht die Literatur der Weltkriege

Daniela Kirschstein erforscht die Literatur der Weltkriege
Bildquelle: privat

Er marschierte 1922 mit Mussolini nach Rom, avancierte zu einem der wichtigsten Köpfe des italienischen Faschismus – und gehörte von Anfang an zu den entschiedensten Kritikern Hitlers: Kaum ein Autor des 20. Jahrhunderts ist so umstritten wie Curzio Malaparte, der eigentlich Kurt Erich Suckert hieß, geboren 1898, gestorben 1957. Nachdem er auch den „Duce“ allzu deutlich kritisiert hatte und verbannt worden war, kroch er als Frontberichterstatter durch die Schützengräben des Zweiten Weltkriegs und verarbeitete seine verstörenden Beobachtungen – gepaart mit drastischen Erfindungen – zum Skandalbuch „Kaputt“, das kurz vor Kriegsende erschien. „Malaparte thematisiert darin zum Beispiel das Sterben im Warschauer Ghetto und den Genozid an den Juden“, sagt Daniela Kirschstein, „das ist singulär in der Literatur dieser Zeit.“ Die 31-Jährige beschäftigt sich in ihrer Dissertation an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule mit der Literatur der Weltkriege, eines der untersuchten Werke ist „Kaputt“. Außerdem analysiert sie folgende Texte: „Voyage au bout de la nuit“ von Louis-Ferdinand Céline (1932), „Company K“ von William March (1933) und „Stalinorgel“ sowie „Vergeltung“ von Gert Ledig (1955 und 1956).

Kirschstein hat Nordamerikastudien und Literaturwissenschaft studiert. Sie geht davon aus, dass Kriegsliteratur als Ethnografie gelesen werden kann, dass also der Krieg als eine Art fremde Kultur beschrieben und dadurch konstituiert wird. „Der Krieg wird als das Fremde der Moderne und zugleich als Produkt der modernen Zivilisation beobachtbar“, sagt sie. Was sie zudem interessiert, ist die Rezeption der Texte: „Stärker als Kriegsliteratur wird andere Literatur als historische Rekonstruktion wahrgenommen, als etwas Authentisches.“ Das Unmittelbare, die bisweilen brutale Sprache, stieß häufig jedoch auch auf heftige Ablehnung. „Mit Kunst hat dieser Kitsch nichts zu tun“, schrieb etwa der Journalist Klaus Harprecht über Malapartes Werk. Aber lohnenswert sei es dennoch, sich mit der Lektüre zu quälen. Daniela Kirschstein wird es tun, mindestens noch zwei Jahre. Dann will sie fertig sein mit ihrer Dissertation, die vorläufig „Writing War“ heißt.