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„Tea in the Sahara“

Privatisierte Mobilität in Mali

09.12.2010

Typisches Verkehrsmittel in Malis Hauptstadt Bamako: die Sotramas.

Typisches Verkehrsmittel in Malis Hauptstadt Bamako: die Sotramas.
Bildquelle: Thomas Greven

Seit einem Vierteljahr lebt und forscht Thomas Greven in Bamako, der Hauptstadt von Mali. Von dort berichtet er, der sonst gern in den USA und Berlin weilt, wie die Mobilität des westafrikanischen Landes funktioniert, welche Folgen die Privatisierung bislang öffentlicher Aufgaben hat – und was die konservative Tea Party-Bewegung in den USA davon lernen kann.

Es geht oft nur langsam voran in der Innenstadt von Bamako: Rechts parken dichtgedrängt die grünen sogenannten Sotramas, also Kleinbusse, die feste Routen bedienen, aber wie Sammeltaxis funktionieren. Trotz des Namens, der auf die staatliche Societé de Transport du Mali zurückgeht, sind die Busse inzwischen privat organisiert, wie fast alles hier. Haben sie genug Fahrgäste, drängeln sie sich links auf die Fahrbahn, zwischen die fast auseinanderfallenden gelben Taxis, die wenigen großen Wagen der ausländischen Fachkräfte, und die gefühlt hunderttausenden Motocyclettes – Mopeds in Leichtbauweise meist chinesischer Herkunft, die sich überall durchwuseln, links, rechts, egal.

Es gibt auch Polizisten, manchmal regeln sie auch den Verkehr, meist aber sind sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, jemandem Geld abzuknöpfen. Ansonsten gilt die Regel: Den physischen Raum vor den anderen besetzen. Das geschieht nicht aggressiv, auch nicht hektisch, sondern in einer der Hitze angemessenen Ruhe. Beim Linksabbiegen wird beispielsweise jede Lücke im Gegenverkehr genutzt, den Wagen ein ganz kleines bisschen weiter nach links zu fahren, solange bis die entgegenkommenden Fahrzeuge nicht mehr um das Hindernis herumkurven können, sondern notgedrungen stehen bleiben müssen. Dann kann man weiter, nur um fünf Meter weiter selbst in einer ebenso zustande gekommenen Situation hängenzubleiben. Alles im Grunde dysfunktional, aber es funktioniert trotz allem irgendwie – Inschallah.

Wer sehen will, welche Folgen die Privatisierung staatlicher Aufgaben zeitigt, wenn vorher kein funktionierendes staatliches Gemeinwesen existierte, sollte auch die hiesige Müllabfuhr studieren. Wer es sich leisten kann, heuert einen der vielen Müllunternehmer an, der dann ein- oder zweimal die Woche mit dem Eselskarren vorbeikommt, um das abzutransportieren, was sich beim besten Willen nicht weiterverwenden lässt – die Mangelgesellschaft hat immerhin zur Folge, dass sich für vieles noch ein Zweck finden lässt. Wo der Müll landet, das möchte man lieber nicht wissen. Wem das zu teuer ist, der verbrennt den Müll eben gleich hinterm Haus, Plastik inklusive. Dem stinkenden Rauch kann man auch am Pool des teuersten Hotels und auf dem Golfplatz nicht entgehen, vielleicht ist es die Quittung für diejenigen, die sich der solidarischen Finanzierung öffentlicher Güter verweigern. In jedem Fall eine Lektion zum Beispiel für die Aktivisten der amerikanischen Tea-Party- Bewegung, die so vehement jegliche staatliche Lösung ablehnen. Und während wir über alle diese Dinge streiten, mit Argumenten und scharfer Ideologie, haben die Malier den Thé du Sahel aufgesetzt, den sie jetzt in aller Ruhe in seinen drei Formen trinken: bitter, bittersüß, zu süß. Wir sind eingeladen.