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Demokratie im Zeitalter des Internets

Die russische Journalistin und Humboldt-Stipendiatin Anna Litvinenko erforscht das Verhältnis von neuen Medien und Politik.

23.02.2012

Anna Litvinenko: Die Journalistin und Wissenschaftlerin forscht als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität.

Anna Litvinenko: Die Journalistin und Wissenschaftlerin forscht als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität.
Bildquelle: Pauline Tillmann

Als im Dezember 2011 der Wahlsieg von Putins Partei verkündet wurde, protestierten in Russland Tausende. Mit den Demonstrationen, die über Online-Plattformen und soziale Netzwerke wie Facebook organisiert wurden, prangerte die junge Generation die ihrer Meinung nach erwiesenen Wahlfälschungen und das repressive politische Klima an. Die Rolle des Internets bei diesen Protesten hat die russische Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin Anna Litvinenko mit besonderem Interesse verfolgt: Als Alexander von Humboldt-Stipendiatin forscht sie an der Freien Universität zum Verhältnis von Medien und Politik.

Das Faszinierende an ihrem Forschungsgegenstand liege in der Unberechenbarkeit der Aktionen, die aus den sozialen Netzwerken heraus gesteuert werden, sagt Anna Litvinenko: „Niemand wusste im Dezember in Russland, worauf diese Schwarmbewegung aus dem Internet hinausläuft – man hatte keine Ahnung, was auf der Straße passieren würde.“

Das World Wide Web verändert die politische Kommunikation, schafft neue Räume zwischen Öffentlichkeit und Privatem und hat Konsequenzen für herkömmliche Medien – das gilt für Russland ebenso wie für Deutschland: Was dort die webgesteuerten Proteste gegen Putins Wahlsieg waren, ist hier der Erfolg der Piratenpartei bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011 oder die Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg.

„Medien und Politik im modernen Deutschland: Mediendemokratie im Zeitalter des Internets“, heißt das Projekt, an dem Anna Litvinenko seit September 2011 als Stipendiatin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität forscht. Schon als Schülerin interessierte sich die heute 30-Jährige für Journalismus und hospitierte bei der Lokalzeitung ihres Heimatortes. Die Verbindung zu Deutschland ergab sich während ihres Studiums der Journalistik in St. Petersburg, als sie eine zweite Fremdsprache lernen wollte – und damals nur Deutsch zur Wahl stand.

Aus dieser „Not“ wurde ein Wegweiser: Anna Litvinenko absolvierte Praktika bei deutschen Zeitungen und Magazinen, arbeitete von 2004 bis 2005 als Redaktionsleiterin der deutschsprachigen „St. Petersburgischen Zeitung“ und schrieb ihre Promotion zu Überlebensstrategien deutscher Zeitungen im 21. Jahrhundert. Im Jahr 2010 gründete sie das Deutsch-Russische Zentrum für Journalistik an der Journalistischen Fakultät der staatlichen Universität St. Petersburg, wo sie auch als Dozentin tätig ist.

Dort werden Kooperationsprojekte mit deutschen Hochschulen, wie der Freien Universität Berlin, realisiert. Im Vordergrund steht der Austausch. „Es gibt unglaublich viele Kontakte zwischen Russland und Deutschland“, sagt die Journalistin. „Beide Völker haben eine große Affinität zueinander, und sie ergänzen sich: die spontanen, emotionalen Russen und die rationalen Deutschen. Das mag ein bisschen klischeehaft klingen, aber oft trifft es zu.“