Springe direkt zu Inhalt

Die Labor-Detektive

Professor Achim Gruber und sein Team klären tierische Todesfälle.

23.02.2012

Ein bisschen erinnert die Arbeit von Professor Achim Gruber an die des Gerichtsmediziners Boerne aus dem Münsteraner Tatort-Duo. Wie fast jeder Sonntagskrimi beginnt auch seine Arbeit mit großen Fragezeichen und einem Todesfall, bei dem niemand weiß, was geschehen ist. Wie die Kollegen aus der Humanmedizin ermittelt der Tierpathologe der Freien Universität im Labor Todeszeitpunkt und -ursache – mit neuesten biochemischen Methoden und detektivischem Gespür.

Mit echten Kriminellen hat es Achim Gruber seltener zu tun – aber auch das kommt vor. Als Gutachter für Gerichte und Versicherungen kann er beispielsweise feststellen, ob etwa ein teuer versichertes Rennpferd eines natürlichen Todes gestorben ist oder nicht.

Rätselhaft gestaltet sich die Arbeit der Experten am Institut für Tierpathologie der Freien Universität des Öfteren auch ohne böse Absichten von Seiten des Menschen: Immer wieder haben die Wissenschaftler es mit neuartigen Todesursachen zu tun. Selbst Klimaveränderungen müssen sie dabei berücksichtigen, wie im Fall eines großen Storchensterbens, das sie vor zwei Jahren aufklärten: Sie fanden heraus, dass nur nach plötzlichen Kälteeinbrüchen ein Lungenpilz den Tieren zum Verhängnis werden konnte.

Keine Rolle spielte das Wetter hingegen beim Tod etlicher Tauben in Berlin: Ursache ist ein neuartiger Parasit, an dessen Bekämpfung die Wissenschaftler mit Hochdruck arbeiten. Denn die Krankheit, deren Quelle offenbar in der Hauptstadt liegt, breitet sich aus (siehe nebenstehenden Bericht). Generell macht die zunehmende Globalisierung der Tierwelt zu schaffen. Durch den weltweiten Kontakt verschiedener Arten könnten neue – manchmal auch für den Menschen gefährliche – Erreger auftreten, sagt Gruber.

Der Veterinärmediziner hat auch Erfahrungen mit exotischen Tieren, die aus aller Welt nach Deutschland gebracht werden: Sein Institut arbeitet eng mit dem Berliner Zoo zusammen und untersucht viele Säugetiere, die dort verenden. „Wir haben hier häufig eine Art Polizeifunktion“, sagt er, „wir klären routinemäßig Todesfälle, um als Ursache Krankheiten auszuschließen, die auf andere Tiere oder den Menschen übertragbar wären.“ Das öffentliche Interesse kann in diesen Fällen besonders groß sein, etwa beim Tod der beliebten Flusspferddame Bulette oder des Eisbären Knut.

Mit einer weiteren Familiengeschichte hatten es die Tierpathologen im Frühjahr 2011 zu tun: Die beiden asiatischen Elefanten Shaina Pali und Ko Raya waren damals kurz hintereinander im Berliner Zoo verendet. Gruber und sein Team erkannten schnell die typischen Organveränderungen: Elefantenherpes, der zu Herzversagen führt. Ein bedrohliches Virus, das in Berlin erstmals im Jahre 2000 in Erscheinung trat. Mit dem Elefanten Kiba war es aus einem texanischen Zoo importiert worden, in dem asiatische und afrikanische Elefanten gemeinsam gehalten wurden. Die Begegnung der Arten, die in der Evolution nie vorgesehen war, hatte dort die Krankheit herbeigeführt – mit tödlichem Ausgang allerdings nur für die asiatische Elefantenart. Die Impfung, die Kibas Nachkommen bis zum vergangenen Jahr schützte, ist mittlerweile offenbar wirkungslos. Die Suche nach Gegenmitteln beginnt von Neuem.

Das Nachforschen bei Tierkrankheiten sei in Deutschland weiter fortgeschritten als in anderen Teilen der Welt, sagt Gruber, selbst bei Haustieren, die meist weniger exotischen Krankheiten zum Opfer fallen: Krebserkrankungen etwa machen den Berliner Hunden und Katzen zu schaffen.

Bis zu 7000 Gewebeproben, die in den Kleintierkliniken in Düppel oder in Tierarztpraxen entnommen werden, untersuchen die Institutsmitarbeiter pro Jahr, um Art und Schweregrad der Tumore zu bestimmen. Häufig entstehen daraus wertvolle Therapieempfehlungen. Dabei steigt die Zahl der Proben jedes Jahr an: Allerdings nähmen nicht die Krebserkrankungen zu, sondern die menschliche Fürsorge wachse, ist Gruber überzeugt: „Früher ist man solchen Erkrankungen gar nicht nachgegangen.“

Die Tiere können jedoch auch menschlicher Liebe zum Opfer fallen. In solchen Fällen sieht der Professor oft ohne allzu lange Ermittlungsarbeit, was den Tieren zum Verhängnis wurde: „Auf den ersten Blick erkennt man zum Beispiel Vitamin-A-Vergiftungen in den Organen und Knochen von Katzen“, sagt Gruber – ausgelöst durch zu viel Fütterung von roher Leber. Auch übergewichtige Tiere mit Altersdiabetes sind in einer Stadt wie Berlin nicht selten. So bestimmen die Folgen menschlichen Fehlverhaltens oft den Alltag eines Tierpathologen – wenn auch auf andere Weise als bei Professor Boerne.