Springe direkt zu Inhalt

Begehrte Köpfe

Kooperation ermöglicht pharmazeutischem Nachwuchs lehrreiche Einblicke.

23.04.2012

Voneinander lernen: Valerie Nock (re.) und ihr Betreuer Diether Rüppel erörtern Forschungsergebnisse mit Monika Frank, einer Absolventin des PharMetrX-Programms, die bei Sanofi eingestellt wurden.

Voneinander lernen: Valerie Nock (re.) und ihr Betreuer Diether Rüppel erörtern Forschungsergebnisse mit Monika Frank, einer Absolventin des PharMetrX-Programms, die bei Sanofi eingestellt wurden.
Bildquelle: Sanofi

Wer kennt ihn nicht, den Spruch aus der TV-Werbung: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Mediziner und Pharmazeuten haben die erwünschten, aber auch unerwünschten Wirkungen von Medikamenten, scheint es, fest im Griff. Tatsächlich ist der menschliche Organismus aber komplex. Dosis und Wirkung eines Medikaments hängen entscheidend von den individuellen Merkmalen eines Erkrankten ab und sind durchaus nicht immer vorauszusehen.

„Ein und dieselbe Tablette kann bei Patienten unterschiedlich wirken – das hängt unter anderem ab von Alter und Geschlecht, aber auch von anderen Faktoren, beispielsweise dem individuellen Stoffwechsel“, erklärt Charlotte Kloft, Professorin und Leiterin der Abteilung Klinische Pharmazie und Biochemie am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin.

„Mithilfe der Pharmakometrie können wir nun Wechselwirkungen, die nach einer Medikamentengabe auftreten, charakterisieren, analysieren und sogar voraussagen.“

Doch Fachleute, die das unbekannte Wesen namens Patient mit pharmazeutischem Wissen und mathematischen Gleichungen fassen können, sind rar. Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam haben sich deshalb mit fünf namhaften Arzneimittelherstellern zusammengetan und das deutschlandweit einmalige, interdisziplinäre Doktorandenprogramm „PharMetrX: Pharmacometrics & Computational Disease Modelling“ eingerichtet. Pharmazeuten, Bioinformatiker und Mathematiker forschen hier gemeinsam an Modellen, die Krankheitsverläufe und Arzneimittelwirkungen am Computer simulieren können.

„Für die meisten neu entwickelten Arzneimittel verlangen die Zulassungsbehörden sogenannte Modellierungsarbeiten, wie wir sie erstellen“, erklärt Valerie Nock. Entsprechend begehrt sind qualifizierte Wissenschaftler wie die 27-Jährige, die ihre Promotion im Rahmen von „PharMetrX“ noch in diesem Jahr abschließen wird. Ihr künftiges Arbeitsumfeld konnte die approbierte Apothekerin bereits während einer achtwöchigen Hospitanz als Teil des PharMetrX-Curriculums bei ihrem Mentor Diether Rüppel in der pharmakometrischen Abteilung des Pharmaherstellers Sanofi in Frankfurt am Main kennenlernen. Beides, die Mentorenschaft aus der Industrie und die Möglichkeit, in der Forschungs- oder Entwicklungsabteilung einer der am Graduiertenprogramm beteiligten Unternehmen zu hospitieren, sind – neben der finanziellen Unterstützung von Stipendien – Teil des Engagements von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Abbott GmbH & Co. KG, Merck KGaA, Bayer Schering Pharma AG und Sanofi.

Als fester Bestandteil des Graduiertenprogramms ermöglichen die Industriemodule mit Workshops und Präsentationen den Doktoranden in den Firmen einen intensiven Austausch mit künftigen Kollegen und einen unverfälschten Einblick in die Arbeitsweise der Branche. Und auch die Industrie profitiert: „Durch die Kooperation mit ,PharMetrX‘ lernen wir junge Nachwuchswissenschaftler kennen, die sich sowohl in der Pharmazie als auch in den für die Pharmakometrie notwendigen mathematischen Methoden auskennen", erklärt Diether Rüppel. „Da unsere Disziplin ein noch recht junger Forschungszweig ist, mangelt es uns in der Industrie bislang an qualifizierten Kandidaten“. Dass die Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft durchaus fruchtbar sein kann, erfuhr Valerie Nock bei Sanofi gleich zu Beginn.

Die Doktorandin, die sich in ihrer Promotion mit dem Einfluss von Krebsmedikamenten auf die Konzentration von Leukozyten im Blut der Patienten beschäftigt, konnte einige Bausteine der von ihr entwickelten pharmakometrischen Modelle in die Arbeit der Kollegen bei Sanofi einbringen. Und das, obwohl sich diese mit der Wirkweise von Diabetes-Medikamenten beschäftigen. Die Ergebnisse ihrer achtwöchigen Entwicklungsarbeit zur Modellierung von Langzeit-Blutzuckerwerten bei Sanofi hofft die Pharmazeutin als Kapitel in ihre Dissertation einfügen zu können.

Ihrem Mentor Diether Rüppel von Sanofi wird Valerie Nock auch über das Ende ihrer Promotionszeit hinaus verbunden bleiben. Die Doktorandin kann sich gut vorstellen, später in der Industrie zu arbeiten, eventuell auch im Ausland, oder bei einer Arzneimittelbehörde wie der European Medicines Agency in London. Wo immer sie landen wird, auf jeden Fall wird sie beim Pharmazeuten-Nachwuchs für „PharMetrX“ werben. Denn der Bedarf an Pharmakometrie-Spezialisten ist nicht nur in Deutschland enorm.