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„Wir teilen vieles miteinander“

Ein Gespräch mit dem Präsidenten der Freien Universität Berlin, Professor Peter-André Alt, über eine neue Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag.

23.04.2012

Die Verlags-Maxime Siegfried Unselds: "Hier werden keine Bücher publiziert, sondern Autoren." Unseld starb 2002.

Die Verlags-Maxime Siegfried Unselds: "Hier werden keine Bücher publiziert, sondern Autoren." Unseld starb 2002.
Bildquelle: Christina Höhn/Suhrkamp Verlag

Die Zusammenarbeit mit Verlagen und Kulturstiftungen hat Tradition an der Freien Universität. Durch die Samuel-Fischer-Gastprofessur für Literatur unterhält die Universität bereits eine Kooperation mit dem S. Fischer Verlag und der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Die Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik wird besetzt von dem jeweiligen Träger des Berliner Literaturpreises, den die Stiftung Preußische Seehandlung auslobt. Nun geht die Freie Universität eine Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag ein. Als regelmäßiges Format soll die Siegfried-Unseld-Vorlesung Studierende mit namhaften Autoren zusammenbringen.
Im Interview erläutert der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, Hintergründe und Ziele.

Herr Professor Alt, was versprechen sich die Freie Universität und der Suhrkamp Verlag von der Kooperation?

Peter-André Alt: Viele der für das Verlagsprogramm wichtigen Autoren sind auf die eine oder andere Weise mit der Freien Universität verbunden. In den Sechzigerjahren, als die Freie Universität auch in unruhiger Zeit ein Ort der kritischen Diskussion war, waren Suhrkamp-Autoren wie Hans Magnus Enzensberger an Debatten beteiligt, die an unserer Hochschule geführt wurden. Heute wiederum publizieren viele unserer Geisteswissenschaftler bei Suhrkamp. Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom ist Ehrendoktor am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Durs Grünbein, Suhrkamp-Autor und herausragender zeitgenössischer Schriftsteller, ist immer wieder zu Gast bei uns. Suhrkamp und die Freie Universität teilen vieles miteinander. Diese gemeinsame Tradition soll in einer neuen Veranstaltung fortgeführt werden.

Im Titel führt die Veranstaltung den Namen des 2002 verstorbenen Verlegers Siegfried Unseld.

Alt: Er hat Suhrkamp über Jahrzehnte geprägt und es wie kein anderer verstanden, die Strömungen der Zeit nicht nur zu erkennen, sondern vorauszusehen. Das hat Siegfried Unseld verbunden mit einer ungeheuer intensiven Pflege der Beziehungen zu seinen Autoren. Mit der Veranstaltung, die seinen Namen trägt, wollen wir dieser besonderen Verlegerpersönlichkeit ausdrücklich Reverenz erweisen.

Unseld-Vorlesung

Die Siegfried-Unseld-Vorlesung ist eine Kooperation zwischen der Freien Universität Berlin und dem Suhrkamp Verlag. Die Organisation der Veranstaltung übernimmt das Dahlem Humanities Center der Freien Universität. Die Siegfried-Unseld-Vorlesung besteht aus zwei Teilen: einem öffentlichen Vortrag und einem halbtägigen Workshop. Dieser findet am Tag nach dem Vortrag mit einer Gruppe von Masterstudierenden und Doktoranden der Literaturwissenschaften statt. Weitere Informationen zu Bewerbung und Anmeldung finden Sie auf der Homepage des Dahlem Humanities Center unter www.fu-berlin.de/dhc.

Erste Siegfried-Unseld-Vorlesung:

Uwe Tellkamp: „Botenstoffe“,

Donnerstag, 24. Mai 2012, 19 Uhr, Freie Universität Berlin, „Rostlaube“, Hörsaal 1a, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin

Da die Platzanzahl limitiert ist, wird um Anmeldung bis zum 21. Mai 2012 unter admin@dhc.fu-berlin.de gebeten. Im Anschluss an die Vorlesung findet ein Empfang mit Signierstunde statt.

Um welche Themen soll es in den Siegfried-Unseld-Vorlesungen gehen?

Alt: Ein gemeinsames Interesse des Verlages und der Freien Universität richtet sich auf die Beziehung zwischen Literatur und Religion sowie Literatur und Mythos. Suhrkamp verlegt seit 2007 im Verlag der Weltreligionen Bücher zu diesem Themenkomplex – ein fulminantes Zeugnis dafür, wie Gelehrte über heilige Texte immer neue Einsichten vermitteln. Aus diesem Bereich könnten Themen gewonnen werden. Es soll bei der Auswahl grundsätzlich auch um den gesellschaftlichen Auftrag von Literatur gehen, die sogenannte littérature engagée.

Wer wird eingeladen?

Alt: Das werden wir jeweils mit dem Verlag festlegen. Ähnlich wie bei der Hegel Lecture – mit der die Siegfried-Unseld-Vorlesung künftig im Wechsel stattfinden wird – soll die Auswahl eine gute Mischung sein aus Autorinnen und Autoren verschiedener Generationen und Kulturen. Wir wünschen uns Autoren, die zu uns passen und in ihrem Selbstverständnis als gesellschaftskritische Denker die Geschichte der Freien Universität repräsentieren.

Worüber werden die Autorinnen und Autoren sprechen?

Alt: Das ist ihnen freigestellt. Sie können über ihr eigenes Werk sprechen oder einen bestimmten Text, über ihre Schreib- oder Welterfahrungen, über Lust und Unlust beim Schreiben, über ihr Grundverständnis von Literatur oder über Reisen als Ressource literarischer Phantasie. Das Spektrum ist sehr offen.

Uwe Tellkamp, dessen 2008 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Roman „Der Turm“ ein großer Publikums- und Kritikererfolg war, wird die erste Siegfried-Unseld-Vorlesung halten. Er will über die Rolle des Mythos im Roman sprechen. Wie ist die Wahl auf Tellkamp gefallen?

Alt: Wir haben mit Uwe Tellkamp einen Autor gewinnen können, der eine verbindende Figur ist und zur mittleren Generation gehört. Sein Roman „Der Turm“ ist ein Bestseller, ein bedeutsames Buch, das ganz klassisch Provinzialität und Weltläufigkeit verbindet. Das ist übrigens typisch für Literatur: Sie findet die Welt in der Provinz.

Welche Perspektiven eröffnet die Zusammenarbeit?

Alt: Sehr interessante. Vielleicht werden wir irgendwann – ähnlich dem Vorbild aus den USA – einen Universitätsverlag mit Suhrkamp gründen und die herausragenden Arbeiten der Geisteswissenschaftler der Freien Universität bei Suhrkamp verlegen.

Was bedeutet die Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag für die Freie Universität Berlin?

Alt: Wir sind stolz, in Berlin einen Verlag dieses Kalibers zu haben. Die Berliner neigen ja dazu, die Pluralität ihrer Stadt als selbstverständlich zu nehmen. Wir sollten vielmehr sagen: Seht her, wir haben einen der bedeutendsten Verlage Europas hier in Berlin. Und die Freie Universität als Hochburg der Geisteswissenschaften hat daran teil.

Der Suhrkamp Verlag

Der Suhrkamp Verlag wurde 1950 von Peter Suhrkamp auf Anregung Hermann Hesses in Berlin gegründet. 1952 trat Siegfried Unseld in den Verlag ein. Im selben Jahr wurde die Reihe Bibliothek Suhrkamp ins Leben gerufen, die die bedeutenden Autoren des 20. Jahrhunderts versammelt. 1957 wurde Unseld Gesellschafter und 1959, nach dem Tod Suhrkamps, alleiniger Verleger. 1960 wird Frankfurt am Main Hauptsitz des Verlages. 2002 starb Unseld, seitdem führt Ulla Unseld-Berkéwicz die Geschäfte. 2010 zog der Verlag von Frankfurt nach Berlin.

Zur Verlagsgruppe Suhrkamp gehören der Insel Verlag, der Deutsche Klassiker Verlag, der Jüdische Verlag und der Verlag der Weltreligionen. Verlegt werden deutschsprachige und internationale Belletristik sowie ein großes Segment an wissenschaftlichen Titeln.

Mit der neuen Unseld-Vorlesung an der Freien Universität Berlin wird für Ulla Unseld-Berkéwicz eine langjährige Zusammenarbeit gefestigt: „Die Freie Universität war und ist ein wichtiges akademisches Zuhause unserer Autoren, von Dieter Henrich, Jacob Taubes, Peter Szondi bis hin zu Sibylle Lewitscharoff. Die Verbindung von Universität und Verlag, von Wissenschaft und Literatur ist bis heute von ungebrochener Produktivität.“