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„An Ostasien kommt man nicht vorbei“

Neue Graduiertenschule der Freien Universität bildet Experten für Japan, China und Korea aus.

25.06.2012

Zu den Forschungsthemen, mit denen sich die Doktoranden beschäftigen werden, gehört das Wachstumsland China. Das Bild zeigt eine Straße in Shanghai.

Zu den Forschungsthemen, mit denen sich die Doktoranden beschäftigen werden, gehört das Wachstumsland China. Das Bild zeigt eine Straße in Shanghai.
Bildquelle: iStockphoto.com/Ricardo de Mattos

Die Graduiertenschule Ostasienstudien hat es geschafft. Jubel bei Eric J. Ballbach, Dr. Hannes B. Mosler, Daniela Claus, Dr. Eun-Jeung Lee, Dr. Verena Blechinger-Talcott, Kai Schulze und Dr. Klaus Mühlhahn. (v.l.n.r.)

Die Graduiertenschule Ostasienstudien hat es geschafft. Jubel bei Eric J. Ballbach, Dr. Hannes B. Mosler, Daniela Claus, Dr. Eun-Jeung Lee, Dr. Verena Blechinger-Talcott, Kai Schulze und Dr. Klaus Mühlhahn. (v.l.n.r.)
Bildquelle: Christian Poeschel

Ostasien befindet sich im Wandel: Japan diskutiert nach der Katastrophe von Fukushima über die Risiken der Atomenergie; China sucht als größtes Wachstumsland nach einem Weg zwischen Einparteiensystem und freier Marktwirtschaft; Korea ringt um eine eigenständige Position zwischen diesen beiden starken Ländern. Bei aller Unklarheit, wohin die Entwicklungen führen werden, lässt sich nur eines mit Sicherheit sagen: Asien wird das 21. Jahrhundert viel stärker prägen als Europa oder die USA.

Um diesem radikalen Wandel Rechnung zu tragen, hatte die Freie Universität in der zweiten Phase der Exzellenzinitiative die Gründung einer „Graduate School of East Asian Studies“ beantragt.

Die fächerübergreifende Einrichtung soll zentrale Institutionen in Ostasien im globalen Kontext untersuchen und Doktoranden ausbilden, die nicht nur mit den Sprachen der Region vertraut sind und die relevanten Sprachen sprechen, sondern auch fundierte methodologische und theoretische Kenntnisse in ihren Fachdisziplinen besitzen. Durch die Ausbildung in der Graduiertenschule werden Karrierewege in der Wissenschaft und außerhalb der Universität – etwa in der Politikberatung oder in Unternehmen – ermöglicht. Das Konzept der Einrichtung, die jährlich zwölf bis fünfzehn neue Doktoranden aufnimmt, hat die Kommission der Exzellenzinitiative überzeugt: Die Schule konnte sich unter 22 Mitbewerbern durchsetzen und wird nun bis zum Jahr 2017 gefördert. Verena Blechinger-Talcott, Sprecherin des Projekts, zeigt sich über die Nachricht hocherfreut. Die Japanologin engagierte sich viele Jahre für die Gründung dieser Schule, gemeinsam mit Eun-Jeung Lee von den Koreastudien und Klaus Mühlhahn von den Chinastudien. Blechinger-Talcott unterstreicht die Bedeutung der neuen Graduiertenschule für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Zu den zentralen Themen, mit denen sich die jungen Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen beschäftigten, würden vor allem Institutionen gehören, sagt die Wissenschaftlerin: „Institutionen sind grundlegende Normen, Werte und Organisationsprinzipien in Gesellschaften, die das Handeln der Menschen bestimmen. In der Graduiertenschule wird es um Organisationsstrukturen wie Parlamente, Märkte, um rechtliche Normen wie Verfassungen und Gesetzestexte, aber auch um die Frage nach der Übernahme von politischer Verantwortung gehen. Wir wollen untersuchen, ob es im Bereich der Institutionen spezifische ostasiatische Muster gibt. Da sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Institutionen bislang stark an Europa und den USA orientiert hat, bietet sich hier ein reiches Feld für neue Forschung.“ Die geplanten Fragestellungen fallen vielfältig aus: Wie entstehen Institutionen? Wie wandeln sie sich, und wie wirken sie? Gibt es eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen verschiedenen Weltregionen, etwa Ostasien und Lateinamerika? „Wir wollen zum Beispiel wissen, welche Effekte die Institutionenbildung in der Europäischen Union auf die regionale Entwicklung in Ostasien hatte.“ Da die Themen alle Teile der Gesellschaft betreffen, sollen die Doktoranden aus unterschiedlichen Forschungsfeldern kommen. Politikwissenschaftler, Juristen und Ökonomen werden ebenso dazugehören wie Kulturwissenschaftler – eine Zusammensetzung, die den Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen und Kulturen befördern soll. „Gerade in Deutschland kommt man an Ostasien nicht vorbei. Der Wirtschaftsraum ist jetzt schon von enormer Bedeutung. Und diese Bedeutung wird noch weiter wachsen“, sagt Blechinger-Talcott. Zu den Forschungsfeldern zählen neben China und Korea auch Japan – selbst wenn die weltweit drittgrößte Wirtschaftsnation nicht mehr zu den großen Wachstumsmotoren gehört. Dennoch: In Japan vollziehen sich Paradigmenwechsel, die gerade für deutsche Forscher interessant sind. „Man muss nur auf den demografischen Wandel schauen. Japan ist eine älter werdende Gesellschaft und muss Probleme lösen, auf die auch Deutschland zusteuert: etwa Fragen von Altersarmut oder Bevölkerungsschwund auf dem Land und deren Auswirkungen auf die Kommunen." Die Doktoranden sollen ein mehrstufiges, internationales Ausbildungsverfahren durchlaufen. Neben dem Verfassen einer Doktorarbeit besuchen sie Seminare, Sprach- und Methodenkurse und reisen zu Forschungszwecken an ostasiatische Universitäten und Wissenschaftszentren. Um den Teilnehmern eine exzellente Ausbildung zu garantieren, ist die Graduiertenschule weltweit vernetzt – mit Forschungseinrichtungen in Asien, Europa und Amerika. Am Ende soll nicht nur die akademische Welt, sondern auch die Wirtschaft und die Politik von den Erkenntnissen profitieren, die die Doktoranden in den nächsten fünf Jahren erarbeiten werden.