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„Nebeneffekte für beide Seiten“

27.08.2012

Peter-André Alt ist nicht nur Präsident der Freien Universität Berlin. Er steht auch an der Spitze der Deutschen Schillergesellschaft.

Peter-André Alt ist nicht nur Präsident der Freien Universität Berlin. Er steht auch an der Spitze der Deutschen Schillergesellschaft.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Deutsche Schillergesellschaft ist Trägerin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach (DLA). Dort werden Archivbestände und Manuskriptseiten von bedeutenden deutschsprachigen Autoren aufbewahrt, wie etwa von Franz Kafka und Herman Hesse. Durch den Vorsitz der Deutschen Schillergesellschaft ist der kürzlich zu ihrem Präsidenten gewählte Literaturwissenschaftler und Präsident der Freien Universität Berlin, Peter-André Alt, in Entscheidungsprozesse beider Institutionen eingebunden.

Herr Professor Alt, was werden Ihre neuen Aufgaben in Marbach sein?

Ich übe eine Art Aufsichtsfunktion aus und trage Verantwortung gegenüber dem gesamten Anschaffungsprozess des Deutschen Literaturarchivs.

Die Schillergesellschaft beaufsichtigt das DLA mit einem Etat von zwölf Millionen Euro und 200 Mitarbeitern. Das ist eine sehr ungewöhnliche Verzahnung. Alle großen Erwerbungsentscheidungen – wie der Ankauf von Manuskripten – müssen im Vorstand besprochen werden. Insofern bin ich in die gesamten wirtschaftlichen Prozesse der Institution involviert.

Besondere Aufmerksamkeit hat der Kauf eines Teils des Kafka-Nachlasses errungen. Welche Manuskripte hat das Deutsche Literaturarchiv erwerben können, und was steht noch an?

Wir haben die Kafka-Briefe von Grete Bloch erworben. Dabei ist ein Mäzen eingesprungen. Dann haben wir eine sehr kluge Lösung gefunden für Kafkas Briefe an seine Schwester Ottla, indem wir sie gemeinsam mit der Bodelain Library in Oxford erworben haben: Wir teilen uns die Kosten und stellen die Sammlung abwechselnd in Marbach und in Oxford zur Verfügung. Jetzt steht als drittes Projekt der Kauf des Nachlasses von Max Brod an, in dem sich vermutlich wichtige Hinweise auf Kafka befinden. Allerdings hat der Staat Israel den Erbinnen untersagt, diesen Nachlass nach Europa zu verkaufen. Die israelischen Gesetze besagen, dass wichtiges Kulturgut im Land bleiben muss. Andererseits sind wir der Meinung, dass diese Nachlasspapiere Max Brods nach Marbach gehören, wo sie von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt am besten erschlossen werden könnten. Ich vermute, dass das auch im Sinne von Max Brod gewesen wäre. Der Prozess schwebt – wir werden uns aus guten Gründen nicht direkt einmischen.

Welche Projekte sind in Planung?

Das DLA hat vor wenigen Jahren das Literaturmuseum der Moderne eröffnet. Wir haben die Restaurierung des Schiller-Nationalmuseums abgeschlossen. Beide Standorte für die museale Präsentation älterer und moderner Literatur sind somit in einer vorzüglichen Verfassung. Aber wir wollen durchaus noch mehr: Durch den Ankauf der Bestände des Siegfried-Unseld-Archivs sind Zehntausende Manuskripte dazugekommen, für die wir einen neuen Archivraum brauchen. Auch ein Fond für Autorennachlässe sollte eingerichtet werden. Wir müssen immer wieder improvisieren, wenn Angebote unterbreitet werden und besonders wertvolle Manuskripte gekauft werden sollen.

Ich möchte hier in Berlin meine Netzwerke nutzen, um Marbach gut zu positionieren. Die neue Aufgabe lässt sich also mit meiner Funktion als Universitätspräsident bestens in Einklang bringen. Es wird positive Nebeneffekte für beide Seiten geben.

Was verbindet Sie persönlich mit dem Deutschen Literaturarchiv?

In den Neunzigerjahren, als ich meine Biografie über Friedrich Schiller schrieb, habe ich das Deutsche Literaturarchiv als Nutzer kennengelernt. Dann bin ich seit vielen Jahren in diversen Gremien aktiv, etwa im wissenschaftlichen Beirat, der Stipendiaten auswählt. Im Jahr 2005 habe ich den Marbacher Schiller-Preis für meine Schiller-Biografie erhalten. Für mich ist Marbach etwas Besonderes – einer der schönsten Orte für Germanisten, die man sich nur vorstellen kann.

Woher kommt Ihre Faszination für den Autor Friedrich Schiller?

Ich habe als 13- oder 14-Jähriger „Die Räuber“ gelesen, veranlasst durch eine Schallplatte meines Vaters mit ausgewählten Szenen. Dort stieß ich auf den ersten Monolog von Franz Moor, in dem er seine bösen Pläne entwickelte. Schillers Sprache hat mich ungeheuer gefesselt. Diese Faszination lässt mich bis heute nicht los.

Die Fragen stellte Leonard Fischl.