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Fairness gehörte zu seinem Selbstverständnis

Werner Väth war ein Mann der leisen Töne und ein geduldiger Moderator bei Interessenkonflikten.

13.12.2012

Der Mann für schwierige Situationen war Werner Väth am Otto-Suhr-Institut und in der Hochschulleitung: Eine besondere Genugtuung war für Väth die zweimalige Auszeichnung der Freien Universität als Exzellenzuniversität.

Der Mann für schwierige Situationen war Werner Väth am Otto-Suhr-Institut und in der Hochschulleitung: Eine besondere Genugtuung war für Väth die zweimalige Auszeichnung der Freien Universität als Exzellenzuniversität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Werner Väth bespricht sich 2007 mit den damaligen Vizepräsidenten Ursula Lehmkuhl und Jochen Schiller nach der Entscheidung in der ersten Runde der Exzellenzinitiative.

Werner Väth bespricht sich 2007 mit den damaligen Vizepräsidenten Ursula Lehmkuhl und Jochen Schiller nach der Entscheidung in der ersten Runde der Exzellenzinitiative.
Bildquelle: Christian Kielmann

Am 19. November 2012 starb, nach kurzer, schwerer Krankheit, Werner Väth, Professor für Politikwissenschaft und Vizepräsident der Freien Universität. An unserer Hochschule hat Werner Väth nahezu sein gesamtes wissenschaftliches Leben verbracht. Im Wintersemester 1965/66 kam er aus Wien zum Studium der Politischen Wissenschaften an das Otto-Suhr-Institut. Nach dem Diplom im Dezember 1969 war er hier wissenschaftlicher Mitarbeiter, ehe er eine Assistentenstelle bei Frieder Naschold an der kurz zuvor gegründeten Universität Konstanz antrat. 1976 wurde er mit einer Dissertation über die Raumplanungspolitik des Bundes promoviert. 1981 nahm er einen Ruf auf eine Professur für die ökonomischen Grundlagen der Politik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität an.

Vier Mal – von 1990 bis 1992, von 1992 bis 1997, von 2003 bis 2007 und seit 2010 – war Werner Väth Vizepräsident der Freien Universität. In diesem Amt hat er nacheinander die Bereiche „Berufungen“, „Lehre und Studium“ sowie „Internationales“ verantwortet. Seinem unermüdlichen Wirken ist es zu verdanken, dass zahlreiche Konflikte in und zwischen Fachbereichen überwunden und Lösungen für unterschiedliche Interessen gefunden werden konnten. Mit institutionellen Verwerfungen und Spannungen kannte sich Werner Väth aus, sie waren ihm nicht nur durch die langjährige Mitwirkung in der Hochschulleitung vertraut, sondern auch durch seine wissenschaftliche Arbeit. Denn zu seinen zentralen Themen gehörten seit Mitte der 1970er Jahre das politische Planungswesen und die staatliche Steuerung von Technologieentwicklung und Forschung. Dass beim Zusammenstoß zwischen übergreifender Lenkung und dezentralen Interessen nicht selten prinzipielle Zielkonflikte entstehen, wusste der Politikwissenschaftler Väth aus gelehrter und praktischer Anschauung gleichermaßen.

Die Zeiten, in denen Werner Väth für die Freie Universität Verantwortung trug, waren keine leichten. Als er 1990 unter dem Präsidenten Dieter Heckelmann ins Amt kam, begann eine Serie von politisch bedingten Budgetkürzungen, die über 14 Jahre nicht abriss. Die mit schmerzlichen Strukturentscheidungen und reduzierten Stellenplänen verbundenen Interessenkollisionen innerhalb der Institution hat er als geduldiger, konditionsstarker Moderator ausgeglichen. Werner Väth war ein Vermittler, kein Spalter. Ein Mann der leisen Töne, keiner, der laut auftrumpfte. Er liebte nicht die langen Monologe, er hörte gründlich zu, wog Meinungen ab und bildete sich dann ein Urteil. Fairness auch gegenüber ihm sachlich fremden Positionen gehörte zu seinem intellektuellen Selbstverständnis. Das schloss die stetige Bereitschaft ein, seinen Studierenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ihnen auch in Notlagen zu helfen. So war er im traditionell streitlustigen Otto-Suhr-Institut ebenso wie in der Hochschulleitung der Mann für die schwierigen Situationen. Niemals hat er sich entzogen, wo seine diplomatischen Fähigkeiten erforderlich waren, niemals Zeit und Energieaufwand gescheut, wenn Dispute geschlichtet werden mussten. Dass er mit diesen Tugenden für seine Mitarbeiter ein freundlicher, immer zugewandter und für die Probleme des Alltags offener Chef war, haben die, die ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützten, besonders geschätzt. Werner Väth war der Langstreckenläufer in unserem Präsidium. In ihm schlummerte eine Kraft, die ihm Ausdauer verschaffte. Für das Ressort Internationales, für das er seit 2010 verantwortlich war, brachte er daher die idealen Voraussetzungen mit. Seine guten Kontakte in Asien, Südamerika und den USA öffneten ihm und uns vielfältige neue Handlungsperspektiven. Kehrte er von einer seiner Auslandsreisen zurück, so folgte stets ein präziser, knapper Bericht, der Möglichkeiten künftiger Zusammenarbeit genau beleuchtete. Zuweilen wurden kleine Anekdoten eingestreut, die anschaulich Zeugnis von den unmittelbaren Reiseeindrücken ablegten. Aber niemals drängte sich Werner Väth dabei nach vorn. Er diente im Wortsinn seiner Aufgabe, seinem Amt. Uneitel und bescheiden, blieb er selbst gern im Hintergrund. Seine knappen, konzentrierten Wortbeiträge signalisierten: Ich will mich auf das Wichtigste beschränken. Das machte es – neben seiner Sachkenntnis und Erfahrung – zu einem großen Vergnügen, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Verstärkt wurde dieses Vergnügen durch Werner Väths feinsinnige Ironie. Sie war niemals verletzend, sondern luftig, urban und gewandt. In Phasen heißer Diskussion löste sie in Präsidiums- und Gremiensitzungen die Spannung und erlaubte es, dass sich Konflikte in befreiendem Gelächter entluden. Hinter solcher Ironie stand nicht nur die Fähigkeit, in schwierigen Gemengelagen die strategische Übersicht zu wahren, sondern auch eine Gelehrsamkeit, die ganz unaufdringlich daherkam. Dass er ein Kenner der europäischen Literatur, ein Kunst- und Musikliebhaber war, ließ Werner Väth niemals ostentativ durchblicken – es war zwischen den Zeilen zu lesen, vermittelte sich wie die Schwebestoffe seiner Ironie dezent und doch distinkt.

Als Werner Väth am 21. Juli 2010 vor dem Erweiterten Akademischen Senat sein Programm als künftiger Vizepräsident der Freien Universität umriss, schloss er seine Rede mit der Bemerkung, er freue sich darauf, seiner Hochschule nochmals eine Amtsperiode zur Verfügung zu stehen, sofern – so die von ihm gewählten Worte – seine Gesundheit das erlaube. Auch wenn diese Formulierung das prinzipielle Bewusstsein der eigenen Endlichkeit vermittelte, hätten wir niemals gefürchtet, dass unsere Zusammenarbeit so abrupt abreißen würde. Noch im April, als die ersten Vorboten der Krankheit da waren, hofften wir alle, dass er bald wieder an unserem Tisch werde Platz nehmen können. Am 15. Juni haben wir mit ihm unseren erneuten Erfolg in der Exzellenzinitiative feiern dürfen, der ihm besondere Genugtuung bedeutete. Im Überschwang dieses warmen Sommertages versicherten wir uns wechselseitig, dass wir nach der anstehenden Operation im Herbst wieder gemeinsam würden arbeiten können. Dazu ist es nicht mehr gekommen; das lässt sich schwer begreifen, schwerer noch fassen.

Wir nehmen Abschied von Werner Väth, unserem Vizepräsidenten und Freund. Die Freie Universität hat ihm viel zu verdanken. Sie wird ärmer sein ohne ihn. Seine Leistungen und seine Persönlichkeit werden in der Geschichte unserer Hochschule wie in unseren Erinnerungen gleichermaßen weiterleben.

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin.