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Doktoranden sollen später als Dozenten lehren

Junge Wissenschaftler arbeiten im Projekt für nachhaltige Ressourcennutzung in Kirgisistan mit

16.04.2013

Die Doktoranden Oktiabr Topbaev (links) und Mukhtar Kasymow (rechts) mit Nicole Lamm, Koordinatorin des Projektes an der Freien Universität.

Die Doktoranden Oktiabr Topbaev (links) und Mukhtar Kasymow (rechts) mit Nicole Lamm, Koordinatorin des Projektes an der Freien Universität.
Bildquelle: Jan Hambura

Es sind vor allem Schafe, die die Weiden rund um das Dorf Kara-Suu abgrasen. Das Dorf im Becken von Kochkor südwestlich des Issyk-Kul-Sees ist modellhaft für Siedlungen in den Bergregionen Zentral-Kirgisistans und wurde deshalb von Wissenschaftlern aus Berlin, Freiburg und Bischkek als Testgebiet für die Feldstudie „Integriertes Wassereinzugsgebietsmanagement“ ausgewählt, in der es um die nachhaltige Ressourcennutzung geht. Die Studie ist Teil der Kooperation von Wissenschaftlern der Freien Universität mit Forschern in Zentralasien zum Thema Wassermanagement. Fünf Doktoranden aus Bischkek arbeiten im Projekt mit – sie sollen später als Dozenten ihre Kenntnisse an Studierende eines Masterstudiengangs weitergeben, den die Forscher derzeit aufbauen.

In Kara-Suu werden die Schafe im Sommer von Hirten im Auftrag der Dorfgemeinschaft auf die Weiden oberhalb von 3000 Metern Höhe getrieben, im Frühjahr und Herbst grasen sie auf den Übergangsweiden in den mittleren Höhenlagen zwischen 2000 und 2500 Metern Höhe. Doch im Winter sind die Berge verschneit, und die Schafe müssen in der Ebene, die sich rund um das Dorf erstreckt, durchgefüttert werden.

Weil dort im Sommer nur wenig Regen fällt, müssen die Felder und Weiden für die Futterpflanzen künstlich bewässert werden. Bewässerungskanäle, zur Zeit der Sowjetunion errichtet, versorgen die Parzellen der Bauern mit Wasser. Allerdings sind die Infrastruktur und die Organisation der Wasserverteilung nach der staatlichen Unabhängigkeit 1991 und den Jahren des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs sowie einer Privatisierung der Landwirtschaftsflächen mittlerweile desolat.

Mukhtar Kasymow, einer der Doktoranden, die von Seiten der Nationaluniversität Bischkek an dem Projekt teilnehmen, untersucht die Hauptprobleme, die sich bei der Wasserbewirtschaftung für die Bauern ergeben. Er erarbeitet Vorschläge, wie die bestehende Bewässerungsinfrastruktur repariert und erneuert und die Wasserverteilung effizienter organisiert werden können. Aus Befragungen und Kartierungen weiß er, dass die Bewässerungsmethoden oft nicht effektiv sind und dass das ehemals zentral organisierte Wasserverteilungssystem bisher nur teilweise und unzureichend neu organisiert worden ist. Zwar sind die Bauern verpflichtet, Abgaben für die Nutzung der Bewässerungskanäle zu bezahlen, aber die Einnahmen, die die Verwaltung damit erzielt, decken die Kosten für die Instandhaltung bei Weitem nicht ab. Die Kanäle werden sowohl von den Wasserbehörden als auch von den Wassernutzern nur unzureichend gepflegt. Oft zerstören Bauern auch die Betonkanäle, um die Betonteile anderweitig zu verwenden.

Die Dorfbewohner sind daran gewöhnt, dass Wasser nichts kostet

„Entscheidend ist, dass die Landwirte, die lokale Verwaltung und die zuständige Bewässerungsbehörde besser zusammenarbeiten“, sagt der 44-jährige Doktorand. Oft fehlt es an Problembewusstsein und Geld. Zudem schüren Korruption und Vetternwirtschaft das Misstrauen der Bauern gegenüber der Verwaltung und auch untereinander.

Sein Kollege Oktiabr Topbaev, 33, untersucht deshalb die sozio-ökonomischen Aspekte der unzureichenden Wasserversorgung privater Haushalte in Kara-Suu: „Die Bewohner des Dorfes werden nur dann bereit sein, Geld für die Wasserinfrastruktur zu zahlen, wenn das Finanzierungssystem transparent ist und kontrolliert wird, damit die Korruption eingedämmt werden kann.“ Nötig wäre seiner Analyse zufolge eine bessere Ausbildung der Verwaltungsmitarbeiter und ein stärkeres Kostenbewusstsein bei den Dorfbewohnern. „Sie sind aus Sowjetzeiten gewöhnt, dass sich staatliche Stellen kostenlos um die Wasserversorgung kümmern.“ Beide Nachwuchswissenschaftler haben in den vergangenen Jahren mehrmals für einige Wochen in dem knapp 3000 Einwohner zählenden Dorf gelebt. „Wir sind beide in Städten aufgewachsen und sind es gewohnt, dass Wasser aus einer Leitung kommt und man nur den Hahn aufdrehen muss“, sagt Kasymov, und Topbaev ergänzt: „Hoffentlich trägt unsere Arbeit dazu bei, dass bald alle Kirgisen gesicherten Zugang zu sauberem Wasser haben.“

Gebündelte Expertise zur Kaspischen Region

Unter Federführung der Freien Universität Berlin haben Universitäten sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Institutionen aus Berlin und Deutschland ihre Expertise zur Kaspischen Region gebündelt: Das Berlin Centre for Caspian Region Studies – kurz BC CARE – hat zum Ziel, ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern aufzubauen, um gemeinsam das komplexe Spannungsfeld zwischen Ressourcenreichtum und Ressourcennutzung in der Kaspischen Region zu erforschen. Zur Region gehören das Kaspische Meer mit den Anrainerstaaten Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Russland und Turkmenistan, die Kaukasus-Staaten Georgien und Armenien sowie die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan.

Das Zentrum arbeitet interdisziplinär, von der Freien Universität sind die Politik- und Sozialwissenschaften, Geowissenschaften, Rechtswissenschaft und das Osteuropa-Institut beteiligt. Aktuelle und geplante Forschungsschwerpunkte sind neben Themen des grenzüberschreitenden Managements von Wasser und Energieressourcen auch rechtliche, umwelt- und energiepolitische Fragestellungen, beispielsweise zum Einfluss der kaspischen Gasvorkommen auf die europäische Energieversorgung und die Schadstoffbelastung des Kaspischen Meeres. Mit gemeinsamen Lehrveranstaltungen und einem Promotionsprogramm setzt sich das Zentrum auch für die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern ein.