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Ein Roboter hebt ab

Fliegende Vielkönner, selbst lenkende Autos und Kicker mit Computerhirn: In der Langen Nacht präsentieren Wissenschaftler intelligente Technik

10.06.2013

Flugroboter „Archäocopterix“ macht Luft-und Nahaufnahmen. Entwickelt wurde er von Wissenschaftlern und Studierenden der AG Intelligente Systeme und Robotik der Freien Universität und der HTW Dresden.

Flugroboter „Archäocopterix“ macht Luft-und Nahaufnahmen. Entwickelt wurde er von Wissenschaftlern und Studierenden der AG Intelligente Systeme und Robotik der Freien Universität und der HTW Dresden.
Bildquelle: Martin Thoma

Die Welt von oben sehen – in Zeiten des virtuellen Globus’ „Google Earth“ ist das keine Besonderheit mehr. Forscher der Freien Universität haben nun jedoch in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden einen fliegenden Roboter entwickelt, der sich punktgenau steuern lässt undNahaufnahmen von Gebäuden oder Objekten liefert, aus denen exakte 3D-Modelle erstellt werden können. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften präsentieren die Informatiker ihre intelligenten Robotersysteme und geben Besucherinnen und Besuchern die Chance, selbst die Vogelperspektive einzunehmen.

Archäocopter heißt der Flug-Robotermit wissenschaftlichem Namen, doch sein Spitzname lautet „Archäopterix“ – frei zusammengesetzt nach dem Namen des längst ausgestorbenen Flugsauriers und demderzeitigen Einsatzgebiet des fliegendenVielkönners, der Archäologie. Sein Äußeres erinnert allerdings eher an einen modernen Bausatz aus bunten Plastiksteinen oder ein Technikspielzeug.Das Gerät wiegt etwa drei Kilogramm und wird angetrieben von sechs Propellermotoren.

Ausgestattet ist „Archäopterix“ mit einer Kamera, die Luftaufnahmen und Fotos von den überflogenen Landschaften und Objekten macht. Die Datenübertragung von der Kamera auf den Computer am Boden findet dabei in Echtzeit statt, das heißt die Bilder, die der Roboter aufnimmt, können sofort gesichtet und ausgewertet werden. So ist es möglich, noch während des Fluges ein dreidimensionalesModell des fotografierten Objektes zu erstellen und den Roboter so zu steuern, dass das Modell vervollständigt werden kann.

Diese Methode kommt etwa bei der Denkmalpflege zum Einsatz: Der fliegende Assistent kann sich einem Denkmal bis auf wenige Zentimeter nähern und es aus vielen verschiedenen Perspektiven fotografieren. So lässt sich etwa feststellen, wo Restaurierungsbedarf besteht. Derzeit hilft der Archäocopter bei Ausgrabungen des sächsischen Landesamtes für Archäologie in Freiberg,wo die Überreste eines Dominikanerklosters geborgen werden. Der Flugroboter liefert exakte Aufnahmen des Ausgrabungsgeländes, sodass sich der Fortschritt der Grabung anhand der Fotos und eines daraus entwickelten 3D-Modells genau rekonstruieren lässt.

Bei der LangenNacht derWissenschaften präsentiert das Team um Informatikprofessor Raúl Rojas von der Freien Universität und Marco Block-Berlitz, Professor für Computergrafik an der HTW Dresden, den Flugroboter sowie weitere Technologien, die in der Arbeitsgruppe „Intelligente Systeme undRobotik“ entwickelt wurden.

Die Wissenschaftler der Freien Universität präsentieren bei der Langen Nacht außerdem die nächste Generation der Fußballroboter.

Wie in den Jahren zuvorwerden die FUmanoids – die menschenähnlichen Fußball- Roboter – ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen, indem sie das Publikum zu einem Fußballmatch herausfordern. Die Kicker, die bereits mehrmals Vizeweltmeister beim „Robocup“, der Fußball-Roboter- WM, geworden sind, messen gerade mal 60 Zentimeter und wiegen nur vier Kilogramm – doch diese Leichtgewichte haben es in sich.Wie eine richtige Fußballmannschaft setzen auch die FUmanoids auf Team-Work: Passspiel und Dribbeln sind genauso wichtig wie das Aufstehen nach dem Sturz und der entscheidende Torschuss. Was beim Menschen jahrelange Übung ist, gelingt den Jungs aus Kabel und Metall dank einer Menge Technik: Im Kopf der Roboter ist eine Miniatur-Videokamera mit Sensor installiert, über die sie das Feld, den Ball und die Gegner „sehen“ können. Durch einen Chip – gewissermaßen das Gehirn der Roboter – verarbeiten die intelligenten Maschinen die Daten so, dass sie wissen, ob ein Gegner auf dem Vormarsch ist oderwo der Ball landen wird. Anhand dieser Informationen können sie dann eigenständige Entscheidungen treffen – zum Beispiel, wann und in welche Richtung sie einen Torschuss wagen können.

Die Wissenschaftler der Freien Universität präsentieren bei der Langen Nacht außerdem die nächste Generation der Fußballroboter. Sie sind mit 90 Zentimetern nicht nur größer, sondern verfügen auch über eine neueMechanik: Die Arme und Beine des Sportlers in Kleinkindgrößewerden nicht – wie bei denVorgängermodellen - durch einzelne Motoren angetrieben, sondern durch Seile bewegt.

So schießt der Roboter locker aus der Hüfte: Die Antriebskraft für die Seile stammt von einem Motor im Becken des Roboters. „Das funktioniert in etwa so wie Sehnen und Muskeln beim Menschen“, erklärt RaúlRojas.

Dieses Prinzip habe den Vorteil, dass die Roboter leichter und damit wendiger seien. Ob diese neuartige Entwicklung hält, was sie verspricht, wird sich Ende Juni zeigen, denn dann tritt der große Fußballroboter beim „Robocup“ zum ersten Mal gegen die internationale Konkurrenz an.

Als weiteres Highlight erwartet die Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht das von Rojas’ Team entwickelte selbststeuernde Auto: Jeweils zwei bis drei Personen dürfen kostenfrei von 17.00 bis 19.00 Uhr im Wagen ohne Fahrer ein Stück auf der Habelschwerdter Allee mitfahren. Start- und Endpunkt der Strecke ist der Haupteingang der „Rostlaube“, Habelschwerdter Allee 45. Das autonome Fahrzeug „MadeInGermany“ der FreienUniversität hat seit 2011 mehrere Hundert Fahrten auf US-amerikanischen und mexikanischen Teststrecken sowie im Straßenverkehr problemlos absolviert.

Ohne Passagiere, aber ebenfalls autonom sind dieModellautos unterwegs, die von Studierenden der Freien Universität entwickelt wurden. Die Minifahrzeuge wählen eigenständig den richtigen Weg und manövrieren sich so durch knifflige Parcours. Wie gut sie das beherrschen, haben die kleinen Flitzer schon beim „Carolo- Cup“ bewiesen, bei demsich dieModellautos jedes Jahr in verschiedenen Disziplinen wie Fahrtüchtigkeit, Geschicklichkeit beim Einparken, Erkennen von Hindernissen und Geschwindigkeit messen. Testen können die Besucher der Langen Nacht auch einen sprachgesteuerten Rollstuhl: Mit einer eingespeicherten Karte des Informatik-Gebäudes in der Arnimallee 7 in Dahlem findet er den Weg zu den gewünschten Orten. Es reicht, wenn der Benutzer des Rollstuhls das Ziel – etwa „Küche“ – nennt, die Navigation übernimmt der fahrbare Untersatz.

Der Archäocopter startet mit Einbruch der Abenddämmerung jeweils um 19.00 und um 20.00 Uhr vor dem Haupteingang Habelschwerdter Allee 45 zu einem großen Streckenflug über den Campus der Freien Universität. Die dabei entstandenen Luftaufnahmen von dem Gelände und den Gästen der Langen Nacht der Wissenschaften können im Anschluss an die Veranstaltung im Internet heruntergeladen werden: www.a-eye.de. Bei Regenwetter kann die Vorführung leider nicht stattfinden.