Springe direkt zu Inhalt

Die Welt zu Gast

08.08.2013

Forscherherberge in Wilmersdorf: Gäste von Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen beziehen häufig im IBZ Quartier.

Forscherherberge in Wilmersdorf: Gäste von Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen beziehen häufig im IBZ Quartier.
Bildquelle: Mila Hacke

Internationales Begegnungszentrum der Freien Universität und der Max-Planck-Gesellschaft besteht seit 30 Jahren

Den Eierbecher hat Susanne Ratka wie eine Trophäe aufbewahrt. Er ist mit zwei Rollen transparenten Klebebands und absoluter Hingabe wieder geflickt worden, nachdem er einer chinesischen Gastfamilie zerbrochen war. Ganz hinten im Schrank hat Ratka, Hausleiterin im Internationalen Begegnungszentrum derWissenschaft (IBZ) das sorgsam reparierte Kleinod gefunden – und aufgehoben. Es beweist nämlich nicht nur das Geschick des Reparators, es ist auch ein Lob an das ganze IBZ:Wir haben uns hier so wohl gefühlt, dass wir auf keinen Fall etwas beschädigen wollten, sagt es.

Seit 30 Jahren gibt es das 78 Appartements umfassende Wohnhaus für Gastwissenschaftler in Wilmersdorf nun schon, und selten war hier eine Wohnung frei: Das Haus ist voll ausgelastet, rund 60 Absagen an Wissenschaftler aus aller Welt muss Susanne Ratka in jedem Monat schreiben.

Das Angebot ist aber auch zu verlockend: Wer einen Platz im IBZ ergattert, ist sofort arbeitsfähig und muss sich weder mit den Widrigkeiten des Berliner Wohnungsmarktes herumschlagen noch Deutsch sprechen können. Telefon, Internet, Fernseher, Möbel – alles steht zur Verfügung. Und da Wissenschaftler zwischen sechs Monaten und zwei Jahren im IBZ verbringen, können sie auch die Familie mitbringen. Die Hälfte der Appartements ist familientauglich. Die Zwei-Jahres-Grenze sei gesetzt worden, weil sich die meisten dann sprachlich allein auf dem Wohnungsmarkt zurechtfänden, sagt Geschäftsführer Andreas Barz. Die meisten Gäste gehen dennoch ungern, ein Zeichen, dass sie sich im lichtdurchfluteten, offenen IBZ wohlfühlen.

Zwischen 1979 und 1983 wurde das Gebäude nach Plänen des Berliner Architekten Otto Steidle errichtet. Es fügt sich einerseits in die Nachbarschaft am Rüdesheimer Platz ein und ist doch ganz auf konzentriertes Arbeiten und Begegnung ausgerichtet: Ein Clubraum für Veranstaltungen und kleine Feiern, ein Waschsalon, in dem internationale Zeitungen das Warten verkürzen, eine kleine Bibliothek mit Krimis und anderer nicht-akademischer Lektüre, ein riesiger Hof mit Kinderspielplatz und ein Billardraum bieten hinreichend Gelegenheit zum Kennenlernen.

Dass das nicht nur in der Theorie funktioniert, beweist das Schwarze Brett im Flur: Es ist vollgepackt mit Ankündigungen, beispielsweise vom Hochschulsport, der hier Pilates und Yoga anbietet, und mit Vorträgen der Bewohner, die über ihre Forschung berichten – die Themen reichen von Robotik über das HI-Virus bis zur Verwicklung von Stasi und Sport in der DDR. Angeboten werden auch Kulturabende. „Auf dem Hof tobt eigentlich immer Leben“, sagt Susanne Ratka. Mehr als 30 Kinder wohnen derzeit im IBZ, und sie verstehen sich über alle Sprachgrenzen hinweg. 2012 gab es sechs IBZ-Babys, in diesem Jahr sind es bisher drei.

Die Idee der Begegnungszentren hatte die Alexander-von-Humboldt-Stiftung nach dem Zweiten Weltkrieg; ihr Ziel war es, die deutsche Wissenschaft international wieder anschlussfähig zu machen. Mehr als 60 Häuser dieser Art gibt es in Deutschland. Das Berliner IBZ steht unter der Ägide der Freien Universität und der Max-Planck-Gesellschaft, die jeweils feste Kontingente halten, um Gastwissenschaftler unterzubringen.

Fast zwei Drittel der Bewohner forschen und lehren an der Freien Universität, die anderen Berliner Hochschulen sind entsprechend weniger stark vertreten, sagt Andreas Barz: „Angesichts der hohen Nachfrage und der vielen Ablehnungen würden wir am liebsten weitere IBZ in Berlin errichten.“ Doch bis es soweit ist, bleibe auch im bestehenden Haus genug zu tun. Dank der Alexander-von-Humboldt-Stiftung konnte das Gebäude energetisch saniert werden, nun gibt es kabellose Internetverbindung und Solarpaneele auf dem Dach.

Zum 30. Geburtstag am 14. September ist ein großes Fest mit internationalen Chören geplant. Ehemalige Bewohner sind herzlich eingeladen, ganz gleich, wo auf der Welt sie mittlerweile lehren und forschen. Vielleicht findet sich ja auch die chinesische Familie wieder ein, die den Eierbecher geklebt hat.