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Lehrerbildung neu gedacht

28.11.2013

Praxisseminar in der Physikdidaktik: Lehramtsstudierende planen gemeinsam eine Lernumgebung für den Unterricht im Schülerlabor PhysLab der Freien Universität.

Praxisseminar in der Physikdidaktik: Lehramtsstudierende planen gemeinsam eine Lernumgebung für den Unterricht im Schülerlabor PhysLab der Freien Universität.
Bildquelle: Deutsche TelekomStiftung

Pilotprojekt wird weiter unterstützt und bundesweit ausgebaut: Deutsche Telekom Stiftung honoriert Engagement der Freien Universität für den naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht.

Experimentieren macht Spaß. Das beweist der Andrang auf die naturwissenschaftlichen Schülerlabore der Freien Universtität Berlin.Mehr als 10 000 Mädchen und Jungen sind hier jährlich zu Gast und erleben, dass Physik, Chemie, Mathematik, Informatik und Biologie keinesfalls „trockene“ Fächer sind. Demgegenüber steht jedoch bundesweit ein Mangel an Lehrerinnen und Lehrern für einige dieser Fächer.

Als die Deutsche Telekom Stiftung 2009 ein Vorhaben zur Unterstützung der Lehrerbildung in den sogenannten MINT-Fächern – die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – ins Leben rief, bewarb sich die Freie Universität gleich mit drei Projekten: Das erste hatte zum Ziel, die Schülerlabore stärker in die Lehrerausbildung einzubinden. In einem zweiten Projektwurde ein eigenes Studienfach für Lehrer der Naturwissenschaften in der Grundschule entwickelt. Im dritten Projekt ging es darum, die Studieneingangsphase für künftige MINT-Lehrer zu verbessern.

"Uns war klar,dass wir die künftigen Lehrerinnen und Lehrer in den ersten beiden Semestern abholen müssen", sagt Volkhard Nordmeier, Professor für die Didaktik der Physik an der Freien Universität. "Denn viele brechen am Anfang das Studium ab." An manchen Standorten habe die Abbrecherquote zum Beispiel in der Physik bei mehr als 60 Prozent gelegen. In Berlin sei die Zahl zwar etwas niedriger gewesen, aber "doch eindeutig zu hoch,um zufriedenstellend zu sein".

Die Freie Universität entwickelte daher neuartige Einstiegskurse für jene, die MINT-Fächer später lehren und nicht in die Wissenschaft gehen wollen, insbesondere Physik und Mathematik. Fachwissenschaftler und Didaktiker erarbeiteten gemeinsam neue Formen von Lehrveranstaltungen. Gleichzeitig erforschten sie die Auswirkungen dieser Änderungen.

Auch wenn das Projekt nach drei Jahren noch zu jung für ein komplettes Fazit ist, zeige sich schon jetzt, dass die Abbrecherquoten "deutlich gesunken" sind, sagt Nordmeier. Von den angehenden Physiklehrern, die seit 2012 an der Freien Universität eingeschrieben sind, haben nur wenige ihr Studium aufgegeben. Im Gegenteil: Dass es in Dahlem mit mehr Unterstützung vorangeht, habe sich herumgesprochen, betont der Didaktik-Professor und verzeichnet eine konstante "Zuwanderung" an die Freie Universität Berlin.

Das zweite Projekt sei zugleich das schwerste gewesen, sagt er. Ziel war es, ein Studienfach aufzubauen, das Lehrer ausbildet, die später "Integrierte Naturwissenschaften" unterrichten. "Das Schulfach war zwar bereits für die 5. und 6. Klasse in Berlin und Brandenburg und anschließend auch in weiteren Bundesländern eingeführt worden, allerdings gab es dafür bisher keine spezielle Lehrerausbildung“, sagt Volkhard Nordmeier.

Das passende Studienfach wurde nun an der Freien Universität mit finanzieller Unterstützung der Deutsche Telekom Stiftung entwickelt und eingerichtet – und werde seither fast überrannt, wie Nordmeier sagt: Auf die 25 offiziellen "NaWi"-Studienplätze kommen in jedem Jahr mehrere hundert Bewerber. Dieses Studienfach zu gestalten, war ein Kraftakt, denn es galt, vier Fachbereiche unter einem Dach zu vereinen. Ein Prozess, den Nordmeier "nicht immer ganz reibungsfrei" nennt.

Insgesamt stellte die Telekom-Stiftung für die drei Projekte 750 000 Euro zur Verfügung – und hält diese Summe für gut angelegt. "Der Projekttitel ,MINT-Lehrerbildung neu denken‘ bezeichnet sehr gut, wie die Freie Universität an das Vorhaben herangegangen ist", sagt Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Stiftung. "Neu gedacht" wurde die Studieneingangsphase mit speziellen Einführungsveranstaltungen für die Lehramtsstudierenden und sogar einem gänzlich neuen Studienfach.

Und "neu gedacht" wurde auch die fachdidaktische Ausbildung durch die systematische Einbindung der vorhandenen Schülerlabore in die Lehrerausbildung. Deshalb werden die drei Projekte der Freien Universität nun auch in einer zweiten Runde – im Rahmen der sogenannten Konsolidierungsförderung – von der Stiftung unterstützt, damit die ersten Erfolge nicht mangels Geldes wieder zunichte gemacht werden. Die größte Fördersumme, eine Million Euro, stellt die Stiftung für einen neuen Verbund aus Schülerlaboren zur Verfügung. Hervorragend besucht und auch während der Langen Nacht der Wissenschaften sehr gefragt, lernen Schülerinnen und Schüler in den Laboren spielerisch etwas über die Geheimnisse der MINT-Fächer.

"Warum sollte man diese Lernorte nicht in die Lehrerbildung integrieren?", hatten sich Volkhard Nordmeier und seine Kollegen 2009 vor dem Hintergrund der Ausschreibung der DeutscheTelekomStiftung gefragt – sie bewarben sich erfolgreich und taten mit dem Geld genau das: Statt Dozenten setzten sie Lehramtsstudierende für den Unterricht in den Schülerlaboren ein.

Das erwies sich gleich in mehrerer Hinsicht als Geniestreich, denn die Kinder sind in der Regel so von den Laboren und dem Lernort Universität fasziniert, dass die Studierenden ihre ersten Praxiserfahrungen unter geradezu idealen Bedingungen sammeln können. Und die künftigen Lehrerinnen und Lehrer bereiten die Laborstunden nicht nur im Team vor, sie werten diese auch im Team aus, bevor sie weitere Stunden geben.

Das Pilotprojekt der Freien Universität wurde nun mit Unterstützung der Deutsche Telekom Stiftung auf weitere Hochschulen ausgeweitet. In einem bundesweiten Wettbewerbsverfahren konnten sich weitere Hochschulen für diesen Verbund bewerben. An Interessenten mangelte es nicht: Aus den 36 Bewerbungen wurden vier weitere Universitäten für diesen neuen Zusammenschluss ausgewählt. In dem neuen Verbund hat die Freie Universität zu Beginn die Sprecherschaft inne, später übernimmt die Humboldt-Universität, die ebenfalls an dem Netzwerk beteiligt ist.

Das große Interesse lobt auch der Vorsitzende der Deutsche Telekom Stiftung, Klaus Kinkel: „Die Freie Universität Berlin hat mit Blick auf die MINT-Lehrerbildung einen enormen Entwicklungsprozess durchgemacht. Diese Entwicklung wollen wir auch in Zukunft aktiv begleiten und unterstützen daher den Verbund.“