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Ein Experiment mit ungeahnten Folgen

19.02.2014

Vor ihrer großen Entdeckung: Lise Meitner und Otto Hahn 1913 in ihrem Labor im Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie.

Vor ihrer großen Entdeckung: Lise Meitner und Otto Hahn 1913 in ihrem Labor im Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie.
Bildquelle: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft

Die Freie Universität würdigte die Entdeckung der Kernspaltung in Dahlem vor 75 Jahren

An einem Holztisch voller Apparaturen soll es geschehen sein: Zwischen Zählrohren, Verstärkern und Neutronenquellen wurde am 17. Dezember 1938 die Kernspaltung entdeckt. Auch wenn die Deutung der Versuche noch einige Zeit in Anspruch nehmen sollte, gilt der Moment als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Vor kurzem jährte sich dieses Ereignis zum 75. Mal.

Mit einer Gedenkveranstaltung erinnerte der Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität an dieses besondere Datum: Denn wo sich heute der Forschungscampus Dahlem erstreckt, hatten Otto Hahn und Fritz Straßmann am einstigen Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie mit den wegweisenden Experimenten begonnen: Sie beschossen Uranatome mit Neutronen – und zerlegten damit die Atomkerne unter Freisetzung von Energie.

Dass Lise Meitner an dieser bahnbrechenden Entdeckung beteiligt war, ist heute in der Wissenschaft unbestritten. „Die experimentellen Arbeiten wurden von Otto Hahn und Fritz Straßmann vorgenommen. Dies gilt auch für die wichtige Schlussfolgerung, der zufolge die mit Neutronen bestrahlten Uranatome zerplatzt sein müssen. Darauf kamen sie mit den Mitteln der analytischen Chemie“, sagt Ulrich Abram, Chemieprofessor und Prodekan des Fachbereichs. Lise Meitner habe aber großen Anteil an dieser Entdeckung gehabt.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass sie lange Jahre ein wichtiges Mitglied des Dahlemer Forscherteams war und es eigentlich auch nach ihrer erzwungenen Flucht vor den Nationalsozialisten im Sommer 1938 geblieben ist“, erklärt Abram. Die gebürtige Wienerin jüdischer Herkunft war 1938, als Deutschland Österreich annektierte, deutsche Staatsbürgerin geworden und musste vor einer Verfolgung durch die Nationalsozialisten ins schwedische Exil fliehen.

Lise Meitner leistete einen bedeutenden Beitrag

„Und so zogen Hahn und Straßmann ihre ehemalige Mitarbeiterin ins Vertrauen und fragten sie um Rat, bevor sie ihre Ergebnisse veröffentlichten“, sagt Abram. Lise Meitner sei zunächst ähnlich überrascht gewesen von den Befunden wie ihre beiden Wissenschaftlerkollegen und habe in einer ersten Reaktion zur Vorsicht geraten. Über die Weihnachtstage 1938 habe sie jedoch mit ihrem Neffen Otto Frisch berechnet, dass die auf chemischem Weg entdeckte Kernspaltung physikalisch möglich sei. „Und das war ihr konkreter, entscheidender Beitrag.“

Während Otto Hahn für die Entdeckung 1944 den Nobelpreis für Chemie erhielt, blieb Lise Meitner diese öffentliche Anerkennung trotz ihrer wissenschaftlichen Leistung versagt. 1957 erhielt sie schließlich die Ehrendoktorwürde der Freien Universität. Seit 2010 trägt der einstige Otto-Hahn-Bau, in dem Otto Hahn und Lise Meitner mehr als zwei Jahrzehnte lang gearbeitet hatten, den Namen „Hahn-Meitner-Bau“. Er beherbergt heute Teile des Instituts für Chemie und Biochemie der Freien Universität und bot auch den Rahmen für die Gedenkveranstaltung.

Unter den zahlreichen Gästen war mit Professor Gerhard Ertl vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und der Freien Universität auch ein Chemie-Nobelpreisträger. Die wissenschaftlichen Vorträge der Jubiläumsveranstaltung wurden von Susanne Rehn-Taube vom Deutschen Museum München, dem Berliner Biochemiker Jens Peter Fürste sowie den Lehramtsstudenten Marcel Schenke und Patrick Sydow bestritten. Sie widmeten sich der Dahlemer Wissenschaftsgeschichte, der Rolle Lise Meitners, der Geschichte der Entdeckung und den ihr zugrundeliegenden Experimenten. Mit der Einbindung von Studierenden habe der Fachbereich ein Zeichen setzen wollen, sagt Ulrich Abram: „Denn beim Blick in die Vergangenheit wollen wir nicht die Zukunft vergessen.“

In einer kleinen Ausstellung wurden zudem Exponate aus dem Umfeld der Entdeckung gezeigt, unter anderem ein Nachbau von Otto Hahns Arbeitstisch mitsamt Gerätschaften. Besucher konnten zudem Originalschauplätze im Hahn-Meitner-Bau besichtigen: Beispielsweise das Labor der Wissenschaftler, das vor wenigen Jahren saniert wurde und jetzt einem Biochemieprofessor als Forschungslabor dient.