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Wählt gut! Ein Plädoyer für die Vielfalt

Peter-André Alt ist Präsident der Freien Universität Berlin.

Peter-André Alt ist Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Etwa 4700 Erstsemester beginnen in diesem Monat ein Studium an der Freien Universität. Nur äußerlich ist diese Gruppe homogen. Blickt man auf die Statistik, so erkennt man die wichtigen Unterschiede. Die meisten Erstsemester kommen, wie auch in früheren Jahren, direkt aus der Schule an die Universität. Aber die Zahl derjenigen, die vor dem Studienbeginn ein Praktikum oder eine Ausbildung absolviert haben, wächst. Eine eigene Gruppe mit gleichbleibend hohem Anteil stellen zudem diejenigen dar, die ihre Hochschulzugangsberechtigung außerhalb Deutschlands erworben haben: Rund zehn Prozent der Studienanfänger gehören zu dieser Kategorie – junge Menschen aus aller Welt, die mit ihrer Wahl unsere internationale Reputation unterstreichen.

Nach wie vor erfreut sich die Freie Universität unter den Abiturienten großer Beliebtheit. Aber die Nachfragesituation hat sich in den beiden vergangenen Jahren deutlich verändert. Das Interesse gilt verstärkt drei Studienfächern, die seit einiger Zeit an der Spitze der Beliebtheitsskala stehen: Betriebswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft und Psychologie, Auf diese Disziplinen entfielen zusammen mehr als 11 000 Bewerbungen. Die Zahl der verfügbaren Plätze haben wir zwar erhöht, aber es versteht sich, dass nur ein Bruchteil der Interessierten zum Zuge kommen konnte. Die Psychologie, die in diesem Jahr die höchste Attraktivität unter allen Fächern hatte, musste unter 5251 Bewerbungen auf 106 Studienplätze auswählen. Die Mehrheit der Bewerber ging leer aus, weil die Zahl der Plätze durch die bestehenden Lehrkapazitäten begrenzt bleibt und nicht beliebig erweitert werden kann.

Der Konzentration der Bewerbungen auf wenige Fächer steht ein reduziertes Interesse an anderen Disziplinen gegenüber. Klassische geisteswissenschaftlich- historische Fächer, aber auch die Naturwissenschaften – mit Ausnahme der Biologie und der Geowissenschaften – werden von Studienanfängern immer weniger nachgefragt. Für eine Universität, die aus der Breite des Fächerspektrums lebt, wäre es verhängnisvoll, wenn diese Entwicklung sich fortsetzte. Betriebe man einzelne Disziplinen nur für die Zwecke der Forschung, ohne dass es eine nennenswerte Nachfrage im Studienbereich gibt, so widerspräche das der Idee der Universitas, für die eine Balance von Lehre und wissenschaftlicher Innovation prägend ist. Aber es wäre auch eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, sollte sich der Trend zur Konzentration verstetigen. Wir brauchen nicht nur Anwälte, Managerinnen und Psychologen. Dringend erforderlich sind gut ausgebildete Absolventen in Physik, Chemie und Informatik, breit qualifizierte Englisch- und Französisch-Lehrer, Archäologen und Kunsthistoriker. Für diese Studiengänge müssen wir in Zukunft verstärkt werben, damit die Universität nicht ihren Anspruch preisgibt, ein Ort der akademischen Vielfalt zu sein.

 

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin