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Wann Facebook glücklich macht

Die Psychologin Anna Metzler erforscht das Verhalten von Kindern und Jugendlichen im sozialen Netzwerk Facebook

Die Psychologin Anna Metzler will Forschung und ihre Arbeit als Therapeutin für Kinder und Jugendliche verbinden.

Die Psychologin Anna Metzler will Forschung und ihre Arbeit als Therapeutin für Kinder und Jugendliche verbinden.
Bildquelle: Jan Hambura

Die Abkürzungen LOL, HDL und der „Gefällt- mir“-Button. Das sind Dinge, die Anna Metzler in letzter Zeit täglich mehrere Stunden sieht. Die Psychologin erforscht für ihre Doktorarbeit an der Freien Universität unter dem Arbeitstitel „Du und Facebook“ das Verhalten von Jugendlichen im sozialen Netzwerk, dazu gehört auch die Verwendung von Internet- Kurzsprache wie LOL, „Laughing out loud“, also: „laut gelacht“, oder HDL, „Habe dich lieb“. Die Idee für das Thema ihrer Arbeit kam Anna Metzler durch ihre vorangegangene Arbeit als Kinderund Jugendlichenpsychotherapeutin. „Die Kinder und Jugendlichen haben mir häufig darüber berichtet, was ihre Freunde bei Facebook geschrieben oder gepostet haben“, erklärt Metzler. Das soziale Netzwerk sei mittlerweile ein wichtiger Teil des Lebens von Kindern und Jugendlichen. „Ich nutze es auch selbst“, sagt die Psychologin. Bereits während des Studiums der Psychologie an der Universität Mannheim hatte Anna Metzler den Wunsch, später wissenschaftlich zu arbeiten. Nach ihrer Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie stellte sie Herbert Scheithauer, Professor für Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie an der Freien Universität, ihr Dissertationsvorhaben vor. Seit April 2013 forscht Anna Metzler nun unter seiner Anleitung mit einem Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin zu dem Thema. „In Zukunft würde ich gerne das wissenschaftliche Arbeiten mit der therapeutischen Praxis verbinden“, sagt die Psychologin.

Zurzeit erforscht Anna Metzler, wie Kinder und Jugendliche sich in dem „spannenden Medium Facebook“ darstellen. Sie untersucht, inwieweit sich Selbstkonzepte von Kindern und Jugendlichen im virtuellen Netzwerk widerspiegeln. Unter Selbstkonzepten versteht man einzelne Eigenschaften, etwa körperliche Fähigkeiten oder die physische Attraktivität. Die Untersuchung soll langfristig beleuchten, welche Auswirkungen Selbstdarstellungen bei Facebook auf die Identitätsentwicklung und den Selbstwert der Kinder und Jugendlichen haben. „Nehmen wir zum Beispiel einen Jungen namens Peter, der sich für sportlich hält“, sagt Anna Metzler. „Peter müsste das folglich auch bei Facebook zeigen.“ Etwa durch das Hochladen von Fotos seiner Fußballmannschaft. „Und extrovertierte Kinder und Jugendliche müssten das auch in der virtuellen Welt sein, indem sie zum Beispiel viele Fotos von sich hochladen.“

Doch welche Konsequenzen hat ein solches Handeln für die Kinder und Jugendlichen? „Meine Forschungsfrage ist, ob sich das positiv oder negativ auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt.“ Anna Metzlers Ergebnisse sprechen dafür, dass die Konsequenzen positiv sind. So seien Kinder und Jugendliche, die sich in der Online- Welt so zeigen, wie sie sind, glücklicher als ihre Altersgenossen, die sich verstellten. Eine mögliche Erklärung: Durch die Betrachtung des eigenen Profils steigt das Selbstwertgefühl. „Weil man sich im sozialen Kontext sieht.“

Facebook kann helfen, Schüchternheit zu überwinden

Bereits in anderen Studien zu sogenannten Chat-Rooms, also Gesprächsforen im Internet, wurde herausgefunden, dass „Faking-Verhalten“, also das Verstellen in der Online-Welt, negative Auswirkungen auf Menschen habe. „Gleichzeitig gibt es aber auch Untersuchungen, die belegen, dass es keine Auswirkungen von Selbstdarstellungen Erwachsener bei Facebook auf ihr Selbstwertgefühl gibt.“ Eine mögliche Erklärung: „Sozialer Vergleich ist gerade für Kinder und Jugendliche sehr wichtig.“ Durch den Vergleich mit Altersgenossen könne auch herausgefiltert werden, was angesagt sei und was Spaß bereite. Außerdem erhielten die Facebook-Nutzer sofort Feedback von anderen Benutzern.

Insgesamt habe die soziale Plattform viele positive Effekte für verschiedene Menschen. So könne dort Schüchternheit oder soziale Unbeholfenheit im realen Leben kompensiert werden. „Etwa übermäßiges Schwitzen oder eine zittrige Stimme spielen beim Kennenlernen von Menschen im Internet überhaupt keine Rolle“, sagt Anna Metzler.

Anna Metzlers Studie ist eine Längsschnittstudie, die über einen längeren Zeitraum hinweg Entwicklungsverläufe untersucht. So befragt die Psychologin nicht nur Kinder und Jugendliche mithilfe von Online-Fragebögen, sondern schaut sich auch ganz genau die Facebook-Profile von Studienteilnehmern an, die dem vorher zugestimmt haben. Die erste Befragung im Rahmen der Studie lief von September 2013 bis Januar dieses Jahres. Rund 700 Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren beteiligten sich daran. „Die Information über die Studie habe ich breit im Internet gestreut“, erklärt Anna Metzler. Rund 20 bis 30 Minuten antworteten die Probanden auf eine ganze Reihe von Fragen. In einem nächsten Schritt beobachtete und beobachtet Anna Metzler die Profile von 140 Kindern und Jugendlichen bei Facebook. Diese haben sich mit ihr dort „angefreundet“, das heißt, dass die Wissenschaftlerin Bilder und Nachrichten sehen kann, die die jungen Nutzer im Netz für ihre Facebook-„Freunde“ online stellen. Dank einer Einverständniserklärung der Kinder und Jugendlichen darf sie sogar Screenshots von ihren Facebook-Profilen und Posts, also Veröffentlichungen, anfertigen. Dabei stellte Metzler eine Sensibilisierung der Probanden für Fragen des Datenschutzes fest: „Viele fragten mich, wer das denn dann alles sieht.“ Zur Beruhigung der Probanden legt die Wissenschaftlerin großen Wert auf Privatsphäre. „Fotos oder andere Bestandteile der Profile werden niemals öffentlich zu sehen sein“, sagt Metzler.

Im September dieses Jahres startete der zweite Online-Fragebogen der Längsschnittstudie. Er ist identisch mit dem ersten und wird von den Kindern und Jugendlichen ausgefüllt, die bereits an der ersten Befragung teilgenommen und angeben haben, dass sie an der zweiten Erhebungswelle ein Jahr später teilnehmen wollen. „Auf die Ergebnisse bin ich schon sehr gespannt“, sagt Anna Metzler.