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„Wir haben eine besondere Verantwortung“

Ein Gespräch mit Präsident Professor Peter-André Alt und Stabsstellenleiter Andreas Wanke über die nachhaltige Universität

17.04.2015

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: Stabsstellenleiter Andreas Wanke (links) und der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, im Botanischen Garten der Hochschule, dem drittgrößten seiner Art weltweit.

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: Stabsstellenleiter Andreas Wanke (links) und der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, im Botanischen Garten der Hochschule, dem drittgrößten seiner Art weltweit.
Bildquelle: Michael Fahrig

Wie können wir zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt erhalten? Die Lösung dieser Frage gehört zu den großen globalen Herausforderungen. Im März hat das Präsidium der Freien Universität Berlin beschlossen, Nachhaltigkeit zu einem Schwerpunkt im universitären Profil zu machen. Christa Beckmann sprach mit Universitätspräsident Professor Peter-André Alt und Andreas Wanke, dem Leiter der neu gegründeten Stabsstelle Nachhaltigkeit und Energie, über erfolgreiches Energiemanagement, die klimafreundliche Uni von morgen und ganz privaten Einsatz für die Umwelt.

Herr Alt, warum möchte die Freie Universität das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Profil verankern?

Peter-André Alt: Universitäten stehen in einer besonderen Verantwortung, wenn es darum geht, künftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu sichern. Wir fühlen uns schon deshalb in hohem Maße diesem Ziel verpflichtet, weil die Freie Universität Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit als Leitbegriffe in ihrem Siegel führt.

Der ressourcenschonende Umgang mit der Umwelt und das ganze Thema Nachhaltigkeit haben sehr viel mit Freiheit und mit Gerechtigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen zu tun. An unserer international ausgerichteten Universität arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon heute daran mit, Lösungen für drängende globale Herausforderungen zu finden. Und wir haben bereits vor Jahren begonnen, das Thema Nachhaltigkeit beim Campus-Management sehr erfolgreich umzusetzen. Nachhaltiges Handeln in unser Leitbild aufzunehmen, ist also eine konsequente Fortschreibung dieses Kurses.

Welche Erfolge gibt es bereits?

Andreas Wanke: Wir betreiben seit 15 Jahren ein systematisches Energie- und Umweltmanagement. Damit konnten wir unseren Energieverbrauch um 25 Prozent reduzieren, wohlgemerkt bei gleicher, zuletzt sogar wachsender Flächennutzung. Von 2003 bis 2011 hat die Technische Abteilung der Freien Universität zusätzlich zu den normalen baulichen Instandhaltungen jährlich 1,5 bis 2,5Millionen Euro investiert, um zum Beispiel Heizungs- und Lüftungsanlagen zu modernisieren und so die Energieeffizienz zu erhöhen. Aber wir haben auch Anreizprogramme entwickelt, etwa ein Prämiensystem.

Wie funktioniert das genau?

Wanke: Fachbereiche, die Energie einsparen, erhalten einen Teil des eingesparten Geldes zur eigenen Verwendung. Damit sind wir Vorreiter in der deutschen Universitätslandschaft. Effizienter Ressourceneinsatz ist eben mehr als Technik. Es hat zu tun mit der Motivation von Menschen und mit einer Kultur, Probleme gemeinsam anzupacken.

Alt: Ja, das ist eine Gesamtaufgabe und reicht von der Sensibilisierung im Umgang mit Strom bei der Verwendung von Lampen und Computern bis hin zum energiebewussten Einsatz von Heizquellen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben da vorzüglich mitgezogen.

Warum hat die Universität eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit und Energie eingerichtet?

Alt: Mit der Ansiedlung beim Präsidium wollen wir zeigen, dass es Teil unseres Selbstverständnisses ist, das Projekt Nachhaltigkeit voranzutreiben, sowohl in seinen technischen als auch in seinen sozialen Implikationen. Wir wollen Forschung, Lehre und Verwaltung an den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten.

Wanke: Die Freie Universität hat da bereits sehr viel Kompetenz, beispielsweise mit dem Forschungszentrum für Umweltpolitik, dem Institut Futur, der Pflanzenökologie oder der Forschung zum Klimawandel. In der Zukunft gilt es, die Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre noch stärker zu bündeln und zu vernetzen.

Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit werden oft mit Naturwissenschaften verbunden. Was können die Geisteswissenschaften beitragen?

Alt: Die Geisteswissenschaften können zum Beispiel zeigen, was erforderlich ist, um verantwortlich mit dem Wissen und den Fähigkeiten von Menschen umzugehen, ebenso wie mit den materiellen und energetischen Ressourcen. Jahrhundertelang hat der Mensch die Natur ausgebeutet und versucht, diese Ausbeutung zu optimieren. Der Wert der Nachhaltigkeit ist zwar in frühen Kulturen angelegt, aber in den Gesellschaften der Moderne definitiv nicht.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst hat der Freien Universität eine Million Euro bewilligt, um gemeinsam mit ihren vier strategischen Partneruniversitäten in Israel, Kanada, China und Russland eine Nachhaltigkeitsallianz aufzubauen. Was ist da geplant?

Wanke: Wir wollen uns mit unseren Partnern auf allen Ebenen zum Thema vernetzen und den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaftlern, Studierenden und Mitarbeitern fördern. Ziel ist es nicht nur, voneinander zu lernen, sondern gemeinsam Projekte zu entwickeln, auch in der Forschung und für neue Lehrformate. Über konkrete Austauschprogramme hinaus werden wir hier an der Freien Universität jährlich Veranstaltungen für alle Projektbeteiligten organisieren und diese auch für weitere Universitäten öffnen.

Wie wollen Sie Studierende, Wissenschaftler und Mitarbeiter motivieren, beim Ziel der nachhaltigen Universität mitzuziehen?

Alt: Ich denke, bei den Mitarbeitern haben wir da schon sehr viel erreicht, da geht es eher darum, das hohe Motivationsniveau zu halten. Anders ist es im Studium. Wir wollen das Thema stärker als bisher in den Lehrplänen verankern, nicht nur in den Naturwissenschaften. Darüber werden wir mit den Wissenschaftlern der einzelnen Fächer sprechen. Im Übrigen sind auch viele Ideen unserer jungen Gründerinnen und Gründer stark ökologisch geprägt, das möchten wir ebenfalls fördern.

Wanke: Auch in der Forschung ist die Sensibilität für das Thema vorhanden. Wir möchten die Motivation dafür aber noch weiter stärken. Unsere Nachhaltigkeitsinitiative SUSTAIN IT! – eine gemischte Gruppe aus Studierenden und Beschäftigten – hat vor zwei Jahren eine Ringvorlesung veranstaltet mit dem Titel „Vom Wissen zum Wandel – Nachhaltigkeit als Herausforderung für Universität und Wissenschaft“. Dabei wurde deutlich, dass sich viele Wissenschaftler mehr interdisziplinäre Projekte zu dem Thema wünschen, aber dass dies in der Praxis oft schwierig ist. Die neue Stabsstelle hat deshalb auch die Aufgabe, Formate zu entwickeln, mit denen man Interessierte aus unterschiedlichen Fächern stärker ins Gespräch bringt.

Wenn Sie sich die Freie Universität im Jahr 2040 vorstellen, wie nachhaltig wird das Leben auf dem Campus dann sein?

Alt: 25 Jahre sind ja kein langer Zeitraum. Aber ich bin optimistisch und sage: Insbesondere im Umgang mit den Materialien wird sich bis dahin vieles verbessert haben. Wir drucken heute immer noch viel zu viel Papier aus – obwohl die massenhafte Produktion von Tablets und Smartphones als papierlose Kommunikation auch ihre problematische Seite hat. Ich denke, dass mehr Menschen mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr zur Universität kommen werden. Da hat es schon jetzt eine Entwicklung zum Positiven gegeben. Diesen Trend weg vom Auto wollen wir weiter befördern.

Wanke: Ich hoffe, dass wir bis dahin auch einen klimaneutralen Campus haben, also unsere Energie so wenig wie möglich aus fossilen Energieträgern beziehen und dort, wo das noch unvermeidbar ist, dieses Manko in der Klimabilanz an anderer Stelle kompensieren können. 2040 sollte es für alle Studierenden selbstverständlich sein, sich in der Lehre mit dem Thema nachhaltige Entwicklung auseinanderzusetzen und sich in konkreten Nachhaltigkeitsprojekten wie SUSTAIN IT! zu engagieren. Unseren Campus stelle ich mir 2040 als einen Ort vor, der das Nachhaltigkeitsleitbild der Universität ganz selbstverständlich widerspiegelt und erlebbar macht.

Wissenschaftler fliegen heute sehr viel um die Welt zu Kongressen und Workshops. Wird das 2040 anders sein?

Alt: Ich denke ja. Reisen ist wichtig und fördert die Vernetzung, die direkte Begegnung steht oft für die Qualität von Verabredungen. Aber es ist auch vieles überflüssig. Ich denke, wir müssen mehr die Möglichkeiten des Internets zur virtuellen Kommunikation nutzen.

Wird es 2040 an der Freien Universität auch Studiengänge geben, die sich speziell dem Thema Nachhaltigkeit widmen?

Alt: Wichtiger als solche Spezial-Studiengänge ist die Verankerung des Themas in möglichst vielen Studiengängen. Davon halte ich mehr.

Wanke: Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema, das man besser integrieren kann,wenn es Strukturen gibt, die aktiv vernetzen. Ein zentrales Institut für Nachhaltigkeit und Umwelt wäre da zumindest eine Option, über die es sich lohnt zu diskutieren.

Alt: Ja, ich denke da vor allem auch an Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Leibniz-Gemeinschaft hat beispielsweise einen starken Fokus in diesem Bereich, und es gibt die Idee, Leibniz-Institute auf unserem Campus zu verankern. Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit könnte das Thema Nachhaltigkeit sein.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt?

Alt: Ich fahre zum Beispiel privat möglichst viel mit dem Fahrrad, und in unserem Garten haben wir einen großen Komposthaufen, der uns Dünger für die Pflanzen liefert. Unser Garten ist also als kleiner Öko-Kreislauf vorzeigbar. Außerdem achten wir darauf, möglichst wenig Strom zu verbrauchen und wenig Abfall zu erzeugen.

Wanke: Wir als Familie haben unser Auto im vergangenen Jahr abgeschafft. Ich fahre viel Fahrrad, in der Regel auch zum Dienst. Ansonsten meide ich Plastik und achte bei der Ernährung auf Nachhaltigkeit, bevorzuge also regionale, saisonale und vegetarische Lebensmittel.