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Bilanz für die Wissenschaft

Kolumne des Präsidenten der Freien Universität

Präsident Prof. Dr. Peter-André Alt

Präsident Prof. Dr. Peter-André Alt
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

177 Seiten mit jeweils etwa 45 Zeilen: Noch nie war ein Koalitionsvertrag auf Länderebene wohl so lang wie dieser. Drei Partner, jeder mit eigenem Gestaltungsanspruch, verlangen Zeit und Raum für die Durchsetzung ihrer politischen Interessen. Was dürfen wir in der neuen Legislaturperiode für die Wissenschaft erwarten? Die Antwort: mehr Geld, mehr Aufgaben, hohe Wertschätzung. Die Frage, wie sich diese drei Perspektiven zueinander verhalten, dürfte offen sein. Die Koalitionsparteien verpflichten sich, den Hochschulen des Landes einen Budget-Aufwuchs von jährlich 3,5 Prozent zuzubilligen. Gegenüber dem noch laufenden Hochschulvertrag bedeutet das eine Erhöhung um mehr als einen Prozentpunkt. Sie würde ausreichen, um Tarifsteigerungen undwachsende Energiekosten aufzufangen.

Aber gleichzeitig steigen die Leistungserwartungen. Die Zahl der Lehramtsabsolventen möchte die Koalition auf 2000 pro Jahr verdoppeln. Erst im Frühjahr hat sich die Freie Universität dazu verpflichtet, ihre Kapazitäten für das Grundschullehramt deutlich zu erhöhen. Außerdem etabliert sie das Fach Sonderpädagogik mit zwei zusätzlichen Dauerprofessuren – eine interessante Wahloption für Studierende und zugleich eine bedarfsgerechte Erweiterung des Lehrangebots. Angesichts der bereits erreichten Überlast ist es jedoch zweifelhaft, ob eine weitere Erhöhung der Zahl von Studienplätzen für das Lehramt sinnvoll wäre.

Vor allem stellt sich die Frage, woher die Studierenden kommen sollen. In der Grundschulpädagogik hat sich das Interesse in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt. Aber weiterhin gilt: Der Lehrerberuf ist trotz gehobener Besoldung nicht attraktiv genug, um eine ausreichende Zahl junger Menschen für ein Lehramtsstudium zu begeistern. In Berlin, wo der Ruf der Schulen nicht immer der beste ist, fehlt es in vielen Fächern an Bewerbungen, gerade in den Naturwissenschaften. Wenn die Universitäten die politischen Zielvorgaben umsetzen sollen, bedarf es eines stimmigen Konzepts, um den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten und so die Studiennachfrage zu erhöhen. Benötigt werden dann aber auch zusätzliche Mittel, um die Studentinnen und Studenten ordentlich auszubilden.

Eine positive Botschaft des Vertrags ist das klare Votum der Politik für Bürokratieabbau und vereinfachte Berichtstätigkeit der Hochschulen. Wenn wir unsere Kernaufgaben weiterhin erfolgreich umsetzen sollen, müssen wir von administrativen Sonderpflichten entlastet werden. Weniger Berichte, mehr Raum für flexible Lösungen – das wäre ein Signal, das in eine vernünftige Richtung weist.

Und nicht zuletzt ist es erfreulich, dass die Wissenschaft als ein Arbeitsgebiet – ohne die unsinnige Abtrennung der außeruniversitären Forschung – künftig beim Regierenden Bürgermeister ressortiert. Wenn die Hochschulen zur Chefsache werden, so ist das ein Zeichen der Wertschätzung ihrer Erfolge. Hier hat die neue Koalition bereits das Richtige getan. Warten wir ab, wie es in den kommenden Monaten weitergeht.