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„Auf Erfolgen nicht ausruhen“

11.02.2016

Zeichen der Verbundenheit: Mit Krawatte in den Corporate-Design-Farben der Freien Universität Berlin erschien Kanzler Peter Lange zum Festakt – wie zahlreiche weitere Universitätsangehörige.

Zeichen der Verbundenheit: Mit Krawatte in den Corporate-Design-Farben der Freien Universität Berlin erschien Kanzler Peter Lange zum Festakt – wie zahlreiche weitere Universitätsangehörige.
Bildquelle: Michael Fahrig

Er kam als Student und ging als Kanzler: Ende 2015 wurde Peter Lange nach 30 Jahren an der Freien Universität in den Ruhestand verabschiedet. Ein Gespräch über Streik-Kaffee, schmerzhafte Reformen, mutige Initiativen, Villen als Sehnsuchtsorte und ein Studentenleben im Ruhestand

Herr Lange, auf einer Skala von 1, sehr schlecht, bis 10, sehr gut: Wo würden Sie Ihre Stimmung nach dem Abschied von der Freien Universität einordnen?

Die Art, wie ich verabschiedet wurde und von wie vielen Menschen, ergibt 25 auf der Skala. Aber Fakt ist, dass ich verabschiedet wurde, und ich spüre meinen Abschiedsschmerz deutlich. Insofern pendeln sich Euphorie und Traurigkeit in der Mitte der Skala ein.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Zeit an der Universität, was freut Sie am meisten?

Der Erfolg der Freien Universität. Als eine Universität, der in der wiedervereinigten Stadt vielfach keine Chance mehr gegeben wurde, hat sich die Hochschule nach den schmerzhaften Einschnitten in den 1990er Jahren grandios entwickelt. Diese Entwicklung ist das Ergebnis von sehr vielen mittleren, großen und einigen riesigen Erfolgen, die alle mühsam erarbeitet werden mussten – begleitet von Niederlagen, die man gern mal verdrängt. Und als ehemaliger Kanzler freue ich mich natürlich, dass es uns gelungen ist, eine der modernsten und effizientesten Universitätsverwaltungen in Deutschland aufzubauen.

Sie haben die Universität schon als Student kennengelernt. In den 1970er Jahren waren Sie sogar studentischer Vertreter im Akademischen Senat. Warum haben Sie sich damals hochschulpolitisch engagiert?

Ganz einfach: So, wie es war, sollte es nicht sein. Ich bin an die Universität gekommen, als dort der Streik gegen Berufsverbote begann, als Wolf Biermann aus der DDR ausgebürgert wurde, es war eine hochpolitische Zeit. Ich habe gemacht, was junge Leute nun einmal tun: aufbegehren und Dinge verändern wollen.Und in einer Zeit, in der die Universität bestreikt und besetzt wurde, benötigte man auch Leute mit praktischem Geschick, wie ich es wohl habe. Irgendwo musste Streik-Kaffee her, und Streik-Kaffee ohne Brötchen, das ging auch nicht. Da war ich derjenige, der morgens hundert Brötchen mitbrachte. In den Akademischen Senat bin ich eher hineingeraten: Einer musste es machen, also machte ich es eben.

Der derzeitige Präsident Peter-André Alt würdigte Lange als Universalisten unter den Kanzlern: „Er macht alles selbst, und er überhebt sich dabei nicht. Er ist ein wandelndes, leibhaftiges Zukunftskonzept.“

Der derzeitige Präsident Peter-André Alt würdigte Lange als Universalisten unter den Kanzlern: „Er macht alles selbst, und er überhebt sich dabei nicht. Er ist ein wandelndes, leibhaftiges Zukunftskonzept.“

Und Sie sind der Freien Universität treu geblieben. 1989 sind Sie von der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters als Angestellter in das Präsidialamt gewechselt. Damals war nicht absehbar, welch gravierende finanzielle Einschnitte die FreieUniversität in den 1990er Jahren treffen sollten …

… im Frühjahr 1989 war noch nicht einmal absehbar, dass es überhaupt eine deutsche Einheit geben würde. Dann, 1992, nach der ersten Einheitseuphorie, wurden die Haushalte der Freien Universität und auch der Technischen Universität erstmals gekürzt. An der Humboldt-Universität mussten ja Bestand und Neuentwicklung finanziert werden. Unterschwellig stark vorhanden, wenn auch selten offen formuliert, bestand die Ansicht: Die Freie Universität hat ihren historischen Auftrag als freiheitlicher Widerpart der Humboldt-Universität erfüllt. Da erschien es der Politik nur vernünftig, hier Geld zu sparen. Nach einigen Jahren wurde auch die Humboldt-Universität in die Kürzungen einbezogen. Man merkte, dass sich die Stadt insgesamt verhoben hatte und dass man geregelte Prozesse brauchte.

Haben die finanziellen Zwänge Reformen an der Universität erschwert oder erleichtert?

Erleichtert und zwangsweise herbeigeführt. Was mit Schmerzen verbunden war. Es gab an der Universität einen heilsamen Prozess der Besinnung. Die gewählten Vertreter in den Hochschulgremien sahen sich vor die Frage gestellt, ob sie die erzwungene Anpassung nur bekämpfen oder auch gestalten wollen. Die Diskussion darüber, wie unsere Universität im Profil und in den Strukturen aussehen soll, war schwierig. Aber sie endete mit der Entscheidung, die Situation nicht nur zu erleiden, sondern Verantwortung zu übernehmen und die Universität unter den gegebenen Bedingungen zu entwickeln.

Universitätspräsident Peter-André Alt hat in seiner Rede zu Ihrer Verabschiedung gesagt, Erfolge hätten Ihnen lediglich als Plattform für Verbesserungen gedient. Gibt es eine berufliche Leistung, von der Sie sagen würden, da gibt es keinen Verbesserungsbedarf?

Es gibt immer etwas zu verbessern, erst recht in einer so großen Institution wie der unseren. Man darf sich nie auf Erfolgen ausruhen. Insgesamt sind wir mit der Umstellung der universitären Ablauforganisation, unterstützt durch digitale Technik, anderen Einrichtungen weit voraus. Wir haben die Basis dafür gelegt, um die permanent nötigen Veränderungen schnell und erfolgreich bewältigen zu können und den Ablauf stetig zu verbessern.

Herzliche Gesten: Peter Lange, vor ihm Ehefrau Gudrun Lange, begrüßt die ehemaligen Präsidenten der Universität, Johann Gerlach und Rolf Kreibich (vordere Reihe von links).

Herzliche Gesten: Peter Lange, vor ihm Ehefrau Gudrun Lange, begrüßt die ehemaligen Präsidenten der Universität, Johann Gerlach und Rolf Kreibich (vordere Reihe von links).

Und auf welche anderen Leistungen sind Sie stolz?

Worauf ich wirklich stolz bin, ist, dass wir es geschafft haben, den baulichen Verfall des Campus aufzuhalten. Es ist uns gelungen, viele Gebäude zu sanieren, Flächen neu zu gestalten und Bauten zu errichten. Wir hatten in der Professorenschaft einen Generationenwechsel zu bewältigen, und es wurde zunehmend schwierig, in den alten Gebäuden moderne Wissenschaft zu betreiben. Eine gute Infrastruktur ist aber die Voraussetzung für gute Forschung und damit für wissenschaftliche Exzellenz. Um Forscherteams überhaupt arbeitsfähig zu machen, mussten wir neben den großen Bauprojekten, etwa der Sanierung des Henry-Ford-Baus und dem Neubau für die Kleinen Fächer, immens viele kleine und mittlere Bauvorhaben stemmen. Dafür haben wir fortlaufend Mittel aus dem eigenen Haushalt zur Verfügung gestellt. Und das alles bei prekärer Grundfinanzierung. Wir wollten und konnten nicht auf die Landespolitik warten, wie das andere getan haben. Um den Neubau für die Kleinen Fächer und das tierärztliche Zentrum für Infektionsmedizin verwirklichen zu können, haben wir Bundesmittel beantragt und von den insgesamt etwa 85 Millionen Euro Baukosten einen Anteil von knapp 50 Millionen Euro selbst getragen. Eigentlich wäre das eine Aufgabe des Landes gewesen.

Sie haben während Ihrer Amtszeit ein aktives Energie- und Umweltmanagement vorangetrieben. Geschah das aus ökologischem Engagement oder finanzieller Not?

Triebfeder für den effizienten Umgang mit Ressourcen ist im Grunde genommen unsere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit. Wir können die Kernaufgaben in Forschung und Lehre mit unseren begrenzten Mitteln nur optimal erfüllen, wenn eine hervorragende Infrastruktur so sparsam wie möglich am Laufen gehalten wird und somit ausreichend flexibles Geld für die Kernaufgaben zur Verfügung steht. So haben wir seit der Jahrtausendwende rund ein Viertel an Energie und somit Kosten in Millionenhöhe eingespart.

Wenn, sagen wir mal, nebenbei noch die Welt gerettet wird, umso besser. Aber ernsthaft, der schonende Umgang mit Ressourcen ist zentraler Teil des Nachhaltigkeitsleitbildes, dem sich die Freie Universität verpflichtet hat, wie es etwa auch ein aktives Gesundheitsmanagement ist. Beim Thema Energie und Umwelt stehen wir bundesweit ganz vorn, sogar international. Innerhalb der von der Freien Universität initiierten University Alliance for Sustainability arbeiten wir mit Hochschulen in Israel, Kanada, Russland und China daran, das Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsthema in den Fokus zu rücken.

Wo sehen Sie die Freie Universität in 20 Jahren?

Nach wie vor als eine führende Universität in Deutschland und Europa, die in der ganzen Welt wahrgenommen wird. Allerdings um den Preis von enormen Anstrengungen, die ich auf der Seite der Landespolitik derzeit noch nicht ausreichend erkennen kann. Unsere Landespolitik sollte sich auf die Mechanismen besinnen, die die Berliner Universitäten erfolgreich gemacht haben, und sie sollte nicht wieder versuchen, im Detail zu steuern. Die Hochschulverträge wurden schließlich auch mit dem Ziel von mehr Eigenständigkeit eingeführt.

Was wünschen Sie sich von der Berliner Wissenschaftspolitik?

Freiräume für die Hochschulen. Dadurch würde auch Arbeitskapazität in der Senatswissenschaftsverwaltung für eine gemeinsame inhaltliche Arbeit freigesetzt. Mittlerweile steigt in den süddeutschen Ländern der Effizienzdruck auf die Hochschulen, den wir schon längst verarbeitet haben. Meine Sorge ist, dass die süddeutschen Universitäten mit ihrer Finanzkraft so effizient werden wie wir, bei sogar noch real steigenden Budgets. Zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit sollten wir unsere Netze in der Stadt noch enger knüpfen.

Wenn der Privatmensch Peter Lange die Universität wieder einmal besucht: Haben Sie einen Lieblingsort?

Früher waren es die Villen. So stellt sich, salopp gesprochen, Klein Fritzchen Wissenschaft vor: Du kommst in ein Haus, das voller Bücher ist. Und da sitzen Menschen und studieren die alten Bücher. Das habe ich geliebt. Ich bin etwas wehmütig, dass viele der Villen nicht mehr zur Universität gehören. Zumal ich verantwortlich bin für die Aufgabe einer Reihe von kleinen Standorten – wir finanzieren damit einen Teil der Eigenleistung der Freien Universität für den Neubau der Kleinen Fächer.

Es ist aber hier wie mit allen Dingen im Leben und auch in der beruflichen Gestaltung: Wenn man sich für eine Sache entscheidet, entscheidet man sich zugleich gegen eine andere. Aber Sie fragten nach meinem Lieblingsort. Dazu gehört auf jeden Fall auch das Reitgelände auf dem Campus Düppel. Dort habe ich beim Hochschulsport reiten gelernt.

Sie waren am Zukunftskonzept der Universität in der Exzellenzinitiative beteiligt. Wie sieht denn nun Ihr persönliches Zukunftskonzept aus?

Das Grundkonzept ist einfach: familiäre Gemeinsamkeit, Freiräume haben, reisen. Ein bisschen zum Studentenleben zurückkehren. Meine Frau und ich sind damals mit einer Ente durch ganz Europa gezuckelt bis nach Griechenland und Portugal, wir sind losgefahren und wann wir wo ankamen, war eigentlich egal. Nur im Auto schlafen, das werden wir wohl heute nicht mehr tun.