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„Nach der Sanierung gibt es nur noch Zwei-Bett-Zimmer“

Professor Ulrich Frei über Sanierungszwänge, Schwerpunkte und Zukunftspläne am Campus Benjamin Franklin

13.04.2018

Professor Ulrich Frei ist Ärztlicher Direktor der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Professor Ulrich Frei ist Ärztlicher Direktor der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Bildquelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin

Herr Professor Frei, der Klinik-Komplex am Hindenburgdamm in Steglitz galt bei seiner Errichtung als Prototyp für den modernen Krankenhausbau in Europa. Hat sich das Konzept der Architekten aus heutiger Sicht bewährt?

Frei: Auf jeden Fall. Die kompakte Bauweise ist für den Klinikalltag ideal. 50 Jahre sind jedoch eine lange Zeit für ein Gebäude, und ein paar Dinge passen einfach nicht mehr. Zum einen wurde damals dieMenge an Funktionsdiagnostik und ambulanter Medizin unterschätzt. In den 1960er-Jahren dienten die Ambulanzen nur der Forschung und Lehre – heute leisten sie hochspezialisierte medizinische Versorgung in großem Umfang. Dafür brauchen wir mehr Raum. Zum anderen gab es früher den Dreibettzimmer-Standard: sechs Patienten teilten sich dabei jeweils eine Dusche und ein WC im Gang. Das macht heute kein Patient mehr mit.

Wie ist der Sanierungsstand am Campus Benjamin Franklin?

Ende April werden wir mit dem zweiten Sanierungsabschnitt der Operationssäle fertig. Sie sind räumlich in Quadraten zu je fünf Sälen angeordnet. Im ersten Abschnitt bekamen die Gefäßchirurgen und Kardiologen dabei einen Hybrid-OP, der mit hochmodernen Geräten für bildgebende Verfahren ausgerüstet ist und in dem gleichzeitig kleine minimalinvasive Eingriffe aber auch größere Operationen durchgeführt werden können. Noch in diesem Jahr kommt der dritte OP-Quadrant an die Reihe, und die Polikliniken für Urologie und Augenheilkunde werden fertig. Die zentrale Notaufnahme bekam außerdem kürzlich ihren eigenen Computertomographen.

Und wie sieht es in den Bettenhäusern aus?

Ein Drittel ist gut, ein Drittel „pinselsaniert“ und eines in schlechtem Zustand. Im Sommerwird ein Teil der „Containerklinik“ aus Mitte nach Steglitz verlagert, damit wir ausreichend Rotationsfläche für die Sanierung der Stationen bekommen. Es wird nach der Sanierung nur noch Zweibettzimmermit integrierter Nasszelle geben. Ein wesentlicher Teil der anstehenden Arbeiten ist jedoch unsichtbar hinter den Wänden verborgen. Die gesamte technische Infrastruktur muss dringend erneuert werden, allen voran die Stromversorgung. Bis vor kurzem stand in Steglitz noch ein Transformator Baujahr 1966.

Standardmäßig Zweibett-Zimmer bedeutet, Sie verlieren ein Drittel der Betten. Wie wollen Sie das auffangen?

Im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen, zentralen Notaufnahme auf der Kanalseite: Neben dem Hubschrauberlandeplatz planen wir ein neues Gebäude, das sowohl eine Aufnahmestation als auch weitere Bettenkapazitäten haben wird.

Wenn Sie an die nächsten zwei, drei Jahrzehnte denken: Was ist Ihre Vision für die Charité – Universitätsmedizin Berlin?

Mit der Sanierung der drei Standorte werden wir in 15 Jahren einigermaßen durch sein. Inzwischen werden wir die Bildung von Kompetenzzentren durch Neuberufungen und das Einwerben wissenschaftlicher Verbundprojekte weiter vorantreiben. Am Campus Steglitz wird es wohl noch einen Ausbau der Stoffwechselmedizin geben – also Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Eventuell wird sich die Unfallchirurgie mehr in Richtung Prothetik weiterentwickeln. Aber auch in der Stadt insgesamt wird sich die Schwerpunktbildung fortsetzen müssen. Denn es kann nicht sein, dass in vielen Krankenhäusern Berlins von einer bestimmten Krebsform beispielsweise pro Jahr nur zehn oder 15 Fälle behandelt werden. In der Medizin besteht eine Korrelation zwischen Menge und Ergebnis: Je größer die Fallzahlen, desto besser ist nicht nur die Operationsqualität, sondern auch das Komplikationsmanagement.