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Fußball mal anders betrachtet

29.06.2018

Das Seminar „Die Macht des Spiels – Die Fußball-WM 2018 in Russland in interdisziplinärer Perspektive“ am Osteuropa-Institut der Freien Universität betrachtet das Ereignis und den Sport mal aus anderen Blickwinkeln.

Das Seminar „Die Macht des Spiels – Die Fußball-WM 2018 in Russland in interdisziplinärer Perspektive“ am Osteuropa-Institut der Freien Universität betrachtet das Ereignis und den Sport mal aus anderen Blickwinkeln.
Bildquelle: derrickcollins | Flickr | CC BY-ND 2.0

Russland empfängt zur Fußball-Weltmeisterschaft und die ganze Welt schaut zu. In vielen Wohnzimmern und auf zahlreichen Fanmeilen spielt Fußball derzeit die Hauptrolle. Auch die Wissenschaft bleibt davon nicht unberührt: Am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin findet in diesem Semester unter dem Titel „Die Macht des Spiels – Die Fußball-WM 2018 in Russland in interdisziplinärer Perspektive“ ein besonderes Seminar statt, das das Ereignis und den Sport mal aus anderen Blickwinkeln betrachtet. „Im öffentlichen Diskurs rund um die WM gibt es viele politische und gesellschaftliche Fragen“, sagt Julia Glathe, Seminarleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Osteuropa-Institut. Die Regierungs-Situation im größten Land der Erde spielt dabei eine Rolle, das intransparente Vergabeverfahren des Wettbewerbs oder auch Dopingvorwürfe. Aber nicht nur.

Die Fußball-WM ist gleichermaßen Anlass und Ausgangspunkt für das Seminar: Denn das Themenspektrum weist über die bloße Auseinandersetzung mit dem aktuellen Turnier hinaus. So widmete sich der erste Seminarblock den ökonomischen Interessen verschiedener Akteure und der daraus erwachsenden und zunehmenden Korruption im Fußball. „Fußball wird zur Ware und entfremdet sich von seiner sozialen, integrierenden Funktion“, sagt Student Sebastian Rotter. Die Schuld sieht er primär beim Weltfußballverband Fifa, denn Bestechung bei der Entscheidung für den Austragungsort sei kein rein russisches Problem: „Um ihre Glaubwürdigkeit zu sichern, muss die Fifa ihr Vergabeverfahren endlich transparent gestalten.“ Außerdem sollte die Weltmeisterschaft nicht an autokratische Staaten vergeben werden, findet er.

Auf dem Seminarplan steht aber auch die rechte Politisierung im Stadion. Hierzu referierten Rico Noack und Peter Dittmann von Gesellschaftsspiele e. V. über nationalistische Bewegungen und Hooligans in der Ukraine. Der 2015 gegründete Verein leistet Bildungsarbeit bei Fußballfans und bietet begleitend zur WM Veranstaltungen an, die auch von den Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern besucht werden. Wie sich die große Politik im Stadion auswirkt, beschrieb Dittmann anhand der Kehrtwende der ukrainischen Hooliganszene nach den Bürgerprotesten auf dem Maidan im November 2013. Da rechte und linke Hooligans damals gemeinsam an einer Front gegen Russland gekämpft hätten, herrsche zwischen ihnen seither eine Art Friedensvertrag, der durch den anhaltenden Konflikt in der Ostukraine weiter gefestigt werde. Die Bedrohung von außen setze den innerukrainischen Anfeindungen ein Ende, ist Dittmann überzeugt.

Da Seminare auch von Gastdozenten wie Noack und Dittmann gehalten werden, ist ein Austausch zwischen Theorie und Praxis garantiert. So erstellen die Studierenden wöchentlich einen Medienspiegel mit Nachrichten zur WM, etwa über ein Werbevideo der Lufthansa, das für einen Eklat im Netz gesorgt hatte. Es zeigte deutsche Fans, die ihre Mannschaft feiern. Gedreht worden war das Video nicht, wie suggeriert, in Moskau, sondern in Kiew, was in der Ukraine für große Empörung sorgte. Lufthansa nahm das Video daraufhin aus dem Netz. „Die Komplexität der Probleme rund um die WM zeigt, wie wichtig die interdisziplinäre Herangehensweise ist“, betont Glathe.

Noch sind die Fußball-WM und das Seminar in vollem Gange. Ihre kritische Sichtweise auf den Wettbewerb und ihre theoretisch erworbenen Erkenntnisse behalten die Studierenden auch in der Praxis im Blick: Public Viewing und der Besuch von Sportveranstaltungen während der WM stehen mit auf dem Seminarprogramm.