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Freiheit für die Wissenschaft

Kolumne des Präsidenten der Freien Universität Berlin

21.02.2019

Günter M. Ziegler ist Präsident der Freien Universität Berlin.

Günter M. Ziegler ist Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Kay Herschelmann

In diesem Jahr steht die Historie der deutschen Verfassung mit gleich zwei Jubiläen im Fokus. Vor einhundert Jahren trat die Weimarer Verfassung in Kraft, vor siebzig Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das Grundgesetz verkündet. Zu den wichtigen Grundrechten gehört die Wissenschaftsfreiheit – in Artikel 5, Absatz 3 heißt es: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

Der Freiheit der Wissenschaft, von Forschung und Lehre, kommt im Grundgesetz eine herausgehobene Stellung zu, stärker noch als in der Weimarer Verfassung von 1919, in der das heute als so selbstverständlich angesehene Recht erst in Artikel 142 aufgegriffen wurde: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“

Dahinter stand die Überzeugung, insbesondere nach den Erfahrungen der Nazidiktatur, dass eine freie Wissenschaft – geschützt vor staatlichen Eingriffen in Forschungsfragen und -methoden, in Forschungsergebnisse und deren Verbreitung – dem Staat, der Gesellschaft, vor allem aber der Demokratie und ihrer Entwicklung zuträglich ist.

So werden Pluralität und Multiperspektivität ermöglicht und damit Bedingungen dafür geschaffen, dass Neues entstehen kann und Forschungsergebnisse nur vom wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn geleitet werden. Die Wissenschaftsfreiheit selbst ist nun wiederum an Bedingungen gebunden. Allen voran ist es die auskömmliche Finanzierung der Wissenschaft, die ihre Freiheit erst ermöglicht.

Aber obwohl dieses Grundrecht festgeschrieben wurde: Es gibt derzeit genug Anlässe zur Sorge um die Wissenschaftsfreiheit, sogar in Europa, etwa in Ungarn, wo die Regierung gegen ideologisch-missliebige Institutionen und Forschungsrichtungen vorgeht – und dazu auf europäischer Bühne leider zu wenig Widerspruch bekommt.

Aber auch für uns in Deutschland ist (Wissenschafts-)Freiheit nicht nur ein Wort, sie bedeutet auch große Verantwortung. Die Freie Universität Berlin trägt die „Freiheit“ als Teil ihrer Geschichte und als Verpflichtung im Namen. Ihre Mitglieder haben sich von Anfang an für die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschule engagiert.

Derzeit wird die Gefahr diskutiert, dass Diskursverbote die freie Wissenschaft hemmen. So berichtete die ZEIT erst kürzlich aus den USA: „Radikal linke Studierende prägen dort vielerorts den Diskurs; sie wollen, dass kontroverse, meist konservative Redner nicht an den Hochschulen auftreten, damit deren Ansichten sie nicht verletzen.“

Wir müssen unsere Hochschulen als Raum für wissenschaftliche Debatten und Diskurse offenhalten – aber nicht für beliebige Redner und ihre Ansichten. Im Fokus muss stets das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse stehen. Dann kann und soll im Sinne der Wissenschaftsfreiheit auch über wichtige und strittige Fragen kontrovers debattiert werden – aber bitte immer unter Berücksichtigung der bewährten Tugenden von Anstand und Respekt.

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin